Aufnahmeprüfung
Informationen und Termine
Anmeldung:
Bewerber können sich jederzeit online für die Aufnahmeprüfungen per Online-Formular anmelden.
Für die Teilnahme an der ersten Auswahlrunde können Sie sich für eine dieser beiden Optionen entscheiden:
1. LIVE vor Ort zum Zeitpunkt der Aufnahmeprüfung.
2. Per E-Casting durch Hochladen eines Bewerbungsvideos.
Alle weiteren Runden finden ausschließlich live vor Ort in der filmacademy statt.
1. Wenn Sie die erste Runde LIVE vor Ort absolvieren möchten:
Füllen Sie die Online Anmeldung aus und wählen Sie einen Termin aus.
Wählen Sie die Option 1. Runde LIVE aus.
In der ersten Runde der Aufnahmeprüfung werden Sie vor Ort einen Monolog Ihrer Wahl vorspielen. Im Anschluss wird bekanntgegeben, ob Sie zur 2. Runde des Aufnahmeverfahrens eingeladen werden.
Alle weiteren Runden finden dann wie auf der Webseite beschrieben statt. Sie müssen kein Video hochladen.
2. Wenn Sie die erste Runde per E-Casting absolvieren möchten:
Füllen Sie die Online Anmeldung aus und wählen Sie einen Termin aus.
Wählen Sie die Option 1. Runde E-Casting aus.
Nehmen Sie ein Vorstellungsvideo (maximal 3 Minuten) und einen Monolog ihrer Wahl mit der Kamera oder dem Handy auf. Senden Sie beide Dateien mit wetransfer (kostenlos) an info@filmacademy.at.
Einsendeschluss:
3 Tage vor der Aufnahmeprüfung muss die Online-Anmeldung und das E-Casting eingegangen sein. Das Ergebnis wird Ihnen per E-Mail bekanntgegeben. Der/die Bewerber*in wird nur bei positiver Beurteilung zur 2. Runde der Aufnahmeprüfung in die filmacademy eingeladen.
*Hilfestellung zum e-Casting finden Sie hier!
2. Runde:
Der Ablauf beim persönlichen Vorsprechen bleibt wie auf der Website bekanntgegeben.
Good to know
Beim berufsbegleitenden Studium gibt es keine Altersbegrenzung.
Bewerber können sich jederzeit online für einen Termin im März, Juni oder September anmelden.
Studienbeginn ist jeweils nur im Wintersemester möglich.
Bei nicht vorhandener Hochschulreife kann dennoch eine Zulassung gewährt werden, wenn dem Bewerber eine ausreichende künstlerische Begabung attestiert wird.
Verschiedene Faktoren beeinflussen die Entscheidungsfindung und den Auswahlprozess. Jeder Bewerber wird einzeln überprüft.
Punkte, auf die die Prüfungskommission achtet:
- Leidenschaft
- Spielfreude
- Textverständnis
- Körperlichkeit im Spiel
- Motivation
- Potenzial
Termine
Bewerber können sich jederzeit online für einen Termin anmelden. Die filmacademy bietet drei Aufnahmetermine pro Studienjahr an.
Aufnahmeprüfungen für das Studienjahr 2023/24
- 2. März 2024
- 8. Juni 2024
Bitte um Verständnis, dass Sie bei der Anmeldung zur Aufnahmeprüfung nur einen Termin pro Studienjahr auswählen können.
Sollten sich für Sie die Prüfungstermine mit anderen Hochschulen / Schauspielschulen überschneiden oder Sie aus triftigen Gründen keine Möglichkeit haben die Prüfungstermine wahrzunehmen, werden wir versuchen, einen Ersatztermin für Sie zu finden. In diesem Fall ist die Voraussetzung die 1. Runde des Aufnahmeverfahrens per E-Casting zu absolvieren.
Anmeldeschluss
Eine Anmeldung ist nur über das Online-Formular möglich.
Spätestens drei Tage vor dem jeweiligen Termin der Aufnahmeprüfung muss die Online-Bewerbung eingegangen sein.
Kosten & Studiengebühr
- Studiengebühr: € 370,- monatlich
+ 1x jährlich € 250,- Verwaltungsgebühr.
Im Studienbeitrag sind die Kosten für die Erstellung eines professionellen Showreels (ca. € 700,- bis 950,-) im dritten Studienjahr bereits miteingerechnet.
Das Showreel ist Ihre erste wichtige Visitenkarte und unbedingt erforderlich zum Vorstellen bei Castern und Agenturen. - Hinweis: Unsere Studierenden erhalten über die drei Studienjahre die gesetzliche Familienbeihilfe.
- Die Bearbeitungs-, Anmelde- und Prüfungsgebühr von € 40,- muss am Tag der Aufnahmeprüfung in bar bezahlt werden. Bitte das Geld genau abgezählt dabei haben, es ist kein Wechselgeld vorhanden.
Ablauf der Aufnahmeprüfung
Was erwartet mich?
Sie werden gebeten, sich am Prüfungstag pünktlich zur angegebenen Zeit in der filmacademy einzufinden und Ihren Lebenslauf mit Foto abzugeben. Im Anschluss werden Sie in den Proberaum gerufen. Sie erhalten eine kurze Einführung zum Ablauf der Prüfung. Gerne können Sie zu diesem Zeitpunkt noch Fragen an die Mitarbeiter/Dozenten richten.
Prüfungsinhalte
Um die Nervosität der Bewerber abzubauen, wird zu Beginn eine gemeinsame Aufwärmrunde durchgeführt. Hören Sie genau zu und folgen Sie den Anweisungen des Dozenten.
Bitte nehmen Sie dafür geeignetes Schuhwerk (saubere Sportschuhe) mit. Der ausführende Dozent wird Ihre Körperlichkeit und Koordination überprüfen.
Die Bewerber erhalten unterschiedliche Texte oder Monologe, die während der Aufnahmeprüfung zur Verfügung gestellt werden. Es wird Ihnen eine kurze Vorbereitungszeit gegeben, um sich den Text durchzulesen.
Die Improvisation dient dazu, Ihre Englischkenntnisse und Spielfreude zu überprüfen. Der Inhalt der Situation wird Ihnen kurz davor mitgeteilt.
Sie werden zwei Monologe aus klassischen oder zeitgenössischen Stücken präsentieren.
Hinweis
Es können noch weitere Prüfungsaufgaben zu körperlichen und stimmlichen Ausdrucksmöglichkeiten gestellt werden, für die keine Vorbereitung notwendig ist.
Ergebnis
Das Ergebnis wird Ihnen noch am Tag der Aufnahmeprüfung bekanntgegeben.
Hilfestellung zum Vorsprechen & Vorbereitung
Kleidung
Bitte keine Theaterkostüme verwenden. Die Kleidung sollte aber passend zu Ihren Vorsprechrollen sein. Wenn Sie die Kleidung für den nächsten Monolog wechseln möchten, darf der Wechsel nicht länger als 1 Minute in Anspruch nehmen. Haare dürfen nicht Ihr Gesicht verdecken. Wenn Sie Piercings haben, die Ihre Aussprache behindern, bitte vorher entfernen.
Requisiten
Sie können kleine Requisiten für Ihr Vorsprechen mitbringen. Tisch und Sessel stehen auf Anfrage zur Verfügung. Während der Aufnahmeprüfung werden keine zusätzlichen Requisiten der filmacademy zur Verfügung gestellt.
Wichtiger Hinweis: Hantieren mit Feuer und offenen Wasserflaschen ist strikt untersagt!
Monologe
- Eine Vorsprechrolle soll nicht länger als 4 Minuten sein. Sollte dies doch der Fall sein, kann es vorkommen, dass Sie von der Prüfungskommission unterbrochen werden.
- Die Auswahl der Monologe soll so gewählt werden, dass es unterschiedliche (dramatische oder komödiantische) zeitgenössische Stücke sind. Es ist nicht verpflichtend einen klassischen Monolog (mit erhöhter Sprache, wie z.B. bei Shakespeare) vorzutragen.
- Wichtig ist, dass Sie völlig frei sind in Ihrer Entscheidung, was Sie zeigen und spielen möchten. Wenn Sie gerne als Frau den Hamlet spielen würden – als eine Ihrer zwei Rollen – dann lassen Sie sich nicht abhalten. Im Gegenteil, je persönlicher die Rollenauswahl, umso aussagekräftiger ist diese. Reizvoll ist es natürlich auch, wenn die ausgewählten Rollen charakterlich unterschiedlich sind!
- Lesen Sie immer das gesamte Stück, es können inhaltliche Fragen zu Ihrer Figur und der Situation gestellt werden.
- Führen Sie mindestens eines Ihrer Stücke nicht im Sitzen aus, damit die Kommission Ihre Bewegung, Haltung und die Körperlichkeit Ihres Charakters erkennen kann.
- Es kann sein, dass Sie aufgefordert werden, einen Monolog zu wiederholen, um mit Ihnen daran zu arbeiten. Hören Sie aufmerksam zu und folgen Sie den Regieanweisungen nach besten Kräften.
Persönliches Interview
Sie werden Fragen bekommen, die mit Ihrem Berufswunsch „Schauspieler“ in Verbindung stehen und warum Sie an der Ausbildung der filmacademy interessiert sind. Ebenfalls werden in dem persönlichen Gespräch spezifische Fragen zu Ihren kreativen und/oder künstlerischen Aktivitäten und Ihrer Person gestellt werden. Die Kommission möchte Sie im Gespräch so gut wie möglich kennenlernen.
Hilfestellung: Monologauswahl
Die Auswahl soll lediglich als Hilfestellung dienen.
Monologe für Frauen/Schauspielerinnen
Stück: Die Schule der Frauen (moderner Monolog)
Rolle: Agnes
Autor: Molière
Erscheinungsjahr: 1662
AGNES:
Kaum glaubhaft scheint’s und äußerst wunderlich.
Auf dem Balkon im Kühlen saß ich stickend;
Da sah ich einen jungen hübschen Mann
Dort unterm Baum vorbeigehn; mich erblickend
Hielt er mit einem tiefen Bückling an.
Ich, um an Höflichkeit ihm nicht zu weichen,
Gab meinerseits das Kompliment ihm wieder:
Drauf neigt‘ er sich zum zweiten Male nieder,
Und ohne Säumen ich desgleichen.
Dann, wie er mir den dritten Gruß bezeugte,
Sandt‘ ich ihm ebenfalls den dritten Gruß.
Er ging und kam zurück mit raschem Fuß,
Wobei er immer netter sich verbeugte,
Und ich, die aus dem Aug‘ ihn nicht verlor,
Erwiderte mit Knicksen wie zuvor
Und hätt‘ es fortgesetzt noch lange Zeit,
Wär‘ mittlerweile nicht die Nacht erschienen:
Ich wollte doch den Vorwurf nicht verdienen,
Daß er mich übertraf‘ an Höflichkeit.
ARNOLPH:
Recht hübsch!
AGNES:
Am Morgen drauf – vors Hoftor war
Ich just getreten – naht sich eine Alte
Und sagt zu mir: »Mein Kindchen, Gott erhalte
So schön und lieblich Sie noch manches Jahr.
Er hat Sie nicht mit solchem Reiz bekleidet,
Damit Sie ungenützt Ihr Pfund vergraben;
Drum sei es Ihnen nicht verhehlt: Sie haben
Ein Herz verwundet, das nun klagt und leidet.«
ARNOLPH: (für sich)
O Kupplerin! Verdammter Teufelsbrocken!
AGNES:
»Ich wen verwundet?« frag‘ ich ganz erschrocken.
»Und wie verwundet!« sagt sie, »ei Gott straf‘!
Der Herr ist’s, den Sie vom Balkon gesehn.« »Und wer,«
Ruf‘ ich, »ist schuld? Ließ ich von ungefähr
Etwas hinunterfallen, das ihn traf?«
»Nein,« sagt sie, »nur Ihr Blick hat ihn getroffen,
Und nur von diesem welkt er hin.«
Drauf ich: »Du lieber Gott, ich will nicht hoffen,
Daß ich mit bösem Blick behaftet bin.«
»Ja,« sagt sie, »diesem Aug‘ entströmt ein Gift,
Das Sie nicht ahnen, und das tödlich trifft.
Mit einem Wort, der Ärmste liegt im Sterben,
Und wenn Ihr steinern Herz mit Hilfe kargt,«
So sprach die Gute, »muß er schnöd‘ verderben
Und wird vielleicht schon morgen eingesargt.«
Ich drauf: »Ach Gott, das wär‘ mir schrecklich leid!
Was könnt‘ ich tun, zu heilen sein Gebrechen?«
»Sein Wunsch, mein Kind,« versetzt sie, »geht nicht weit:
Er möchte nur Sie wiedersehn und sprechen:
Ihr Aug‘ allein, das ihn verwundet, gibt
Ihm Heilung, kann vor Untergang ihn wahren.«
»Ach, gerne!« sagt‘ ich, »nun ich das erfahren,
Soll er mich sehn, so oft es ihm beliebt.«
ARNOLPH: (für sich)
O Herzvergift’rin, Hexe, Satansbesen!
Hol‘ dich die Pest für deinen wackren Rat!
AGNES:
So hat er mich gesehn und ist genesen.
Nun frag‘ ich Sie: War unrecht, was ich tat,
Und könnt‘ ich mein Gewissen wohl damit
Beladen, daß er rettungslos verschmachtet?
Ich, die es nie ertrug, wenn jemand litt,
Und weinen muß, wenn man ein Hühnchen schlachtet.
ARNOLPH: (leise für sich)
Dies alles zeigt: Sie war aus Unschuld blind;
Nur meiner dummen Reise muß ich fluchen,
Die ohne Schutz das ahnungslose Kind
Durch tückische Verführung ließ versuchen.
Mir bangt nur, daß der freche Bube sich
Mit bloßem Scherz nicht hat begnügen wollen.
AGNES:
Fehlt Ihnen was? Sie sind wohl bös auf mich?
Hätt‘ ich es anders machen sollen?
Stück: Faust – Teil 1 (klassischer Monolog)
Rolle: Gretchen
Autor: Goethe
Erscheinungsjahr: 1808
GRETCHEN: (am Spinnrad)
Meine Ruh ist hin,
Mein Herz ist schwer;
Ich finde sie nimmer
und nimmermehr.
Wo ich ihn nicht hab,
Ist mir das Grab,
Die ganze Welt
Ist mir vergällt.
Mein armer Kopf
Ist mir verrückt,
Meiner armer Sinn
Ist mir zerstückt.
Meine Ruh ist hin,
Mein Herz ist schwer,
Ich finde sie nimmer
und nimmermehr.
Nach ihm nur schau ich
Zum Fenster hinaus,
Nach ihm nur geh ich
Aus dem Haus.
Sein hoher Gang,
Sein edle Gestalt,
Seines Mundes Lächeln,
Seiner Augen Gewalt,
Und seiner Rede
Zauberfluß,
Sein Händedruck,
Und ach! sein Kuß!
Meine Ruh ist hin,
Mein Herz ist schwer,
Ich finde sie nimmer
und nimmermehr.
Mein Busen drängt
Sich nach ihm hin,
Ach dürft ich fassen
Und halten ihn,
Und küssen ihn,
So wie ich wollt,
An seinen Küssen
Vergehen sollt!
Stück: Emilia Galotti (klassischer Monolog)
Rolle: Orsina
Autor: Gotthold Ephraim Lessing
Erscheinungsjahr: 1772
ORSINA: (stolz) Verachtung? – Wer denkt daran? – Wem brauchen Sie das zu sagen? – Sie sind
ein unverschämter Tröster, Marinelli! – Verachtung! Verachtung! Mich verachtet man auch! mich! –
(Gelinder, bis zum Tone der Schwermut.) Freilich liebt er mich nicht mehr. Das ist ausgemacht.
Und an die Stelle der Liebe trat in seiner Seele etwas anders. Das ist natürlich. Aber warum denn
eben Verachtung? Es braucht ja nur Gleichgültigkeit zu sein. Nicht wahr, Marinelli?
MARINELLI: Allerdings, allerdings.
ORSINA: (höhnisch) Allerdings? – O des weisen Mannes, den man sagen lassen kann, was man
will! – Gleichgültigkeit! Gleichgültigkeit an die Stelle der Liebe? – Das heißt, nichts an die Stelle
von etwas. Denn lernen Sie, nachplauderndes Hofmännchen, lernen Sie von einem Weibe, daß
Gleichgültigkeit ein leeres Wort, ein bloßer Schall ist, dem nichts, gar nichts entspricht.
Gleichgültig ist die Seele nur gegen das, woran sie nicht denkt; nur gegen ein Ding, das für sie
kein Ding ist. Und nur gleichgültig für ein Ding, das kein Ding ist – das ist soviel als gar nicht
gleichgültig. – Ist dir das zu hoch, Mensch?
MARINELLI: (vor sich) O weh! wie wahr ist es, was ich fürchtete!
ORSINA: Was murmeln Sie da?
MARINELLI: Lauter Bewunderung! – Und wem ist es nicht bekannt, gnädige Gräfin, daß Sie eine
Philosophin sind?
ORSINA: Nicht wahr? – Ja, ja, ich bin eine. – Aber habe ich mir es itzt merken lassen, daß ich eine
bin? – O pfui, wenn ich mir es habe merken lassen, und wenn ich mir es öfterer habe merken
lassen! Ist es wohl noch Wunder, daß mich der Prinz verachtet? Wie kann ein Mann ein Ding
lieben, das, ihm zum Trotze, auch denken will? Ein Frauenzimmer, das denkt, ist ebenso ekel als
ein Mann, der sich schminket. Lachen soll es, nichts als lachen, um immerdar den gestrengen
Herrn der Schöpfung bei guter Laune zu erhalten. – Nun, worüber lach ich denn gleich, Marinelli?
– Ach, jawohl! Über den Zufall! daß ich dem Prinzen schreibe, er soll nach Dosalo kommen; daß
der Prinz meinen Brief nicht lieset und daß er doch nach Dosalo kömmt. Ha! ha! ha! Wahrlich ein
sonderbarer Zufall! Sehr lustig, sehr närrisch! – Und Sie lachen nicht mit, Marinelli? – Mitlachen
kann ja wohl der gestrenge Herr der Schöpfung, ob wir arme Geschöpfe gleich nicht mitdenken
dürfen. – (Ernsthaft und befehlend.) So lachen Sie doch!
MARINELLI: Gleich, gnädige Gräfin, gleich!
ORSINA: Stock! Und darüber geht der Augenblick vorbei. Nein, nein, lachen Sie nur nicht. – Denn
sehen Sie, Marinelli, (nachdenkend bis zur Rührung) was mich so herzlich zu lachen macht, das
hat auch seine ernsthafte – sehr ernsthafte Seite. Wie alles in der Welt! – Zufall? Ein Zufall wär‘ es,
daß der Prinz nicht daran gedacht, mich hier zu sprechen, und mich doch hier sprechen muß? Ein
Zufall? – Glauben Sie mir, Marinelli: das Wort Zufall ist Gotteslästerung. Nichts unter der Sonne ist
Zufall – am wenigsten das, wovon die Absicht so klar in die Augen leuchtet. – Allmächtige,
allgütige Vorsicht, vergib mir, daß ich mit diesem albernen Sünder einen Zufall genennet habe,
was so offenbar dein Werk, wohl gar dein unmittelbares Werk ist! – (Hastig gegen
Marinelli.) Kommen Sie mir und verleiten Sie mich noch einmal zu so einem Frevel!
MARINELLI: (vor sich) Das geht weit! – Aber gnädige Gräfin
ORSINA: Still mit dem Aber! Die Aber kosten Überlegung – und mein Kopf! mein Kopf! (Sich mit
der Hand die Stirne haltend.) – Machen Sie, Marinelli, machen Sie, daß ich ihn bald spreche, den
Prinzen; sonst bin ich es wohl gar nicht imstande. – Sie sehen, wir sollen uns sprechen, wir
müssen uns sprechen
Stück: Kabale und Liebe (klassischer Monolog)
Rolle: Luise
Autor: Friedrich Schiller
Erscheinungsjahr: 1784
LUISE (gelassen und edel)
Und wenn Sie es nun entdeckten? Und wenn Ihr verächtlicher Fersenstoß den beleidigten Wurm
aufweckte, dem sein Schöpfer gegen Mißhandlung noch einen Stachel gab? – Ich fürchte Ihre
Rache nicht, Lady – Die arme Sünderin auf dem berüchtigten Henkerstuhl lacht zum
Weltuntergang. Mein Elend ist so hoch gestiegen, daß selbst Aufrichtigkeit es nicht mehr
vergrößern kann.
(Nach einer Pause sehr ernsthaft.)
Sie wollen mich aus dem Staub meiner Herkunft reißen. Ich will sie nicht zergliedern, diese
verdächtige Gnade. Ich will nur fragen, was Milady bewegen konnte, mich für die Thörin zu halten,
die über ihre Herkunft erröthet? Was sie berechtigen konnte, sich zur Schöpferin meines Glücks
aufzuwerfen, ehe sie noch wußte, ob ich mein Glück auch von ihrenHänden empfangen wollte? –
Ich hatte meinen ewigen Anspruch auf die Freuden der Welt zerrissen. Ich hatte dem Glück seine
Übereilung vergeben – Warum mahnen Sie mich aufs Neu an dieselbe? – Wenn selbst die Gottheit
dem Blick der Erschaffenen ihre Strahlen verbirgt, daß nicht ihr oberster Seraph vor seiner
Verfinsterung zurückschaure – warum wollen Menschen so grausam-barmherzig sein? – Wie
kommt es, Milady, daß Ihr gepriesenes Glück das Elend so gern um Neid und Bewunderung
anbettelt? – Hat Ihre Wonne die Verzweiflung so nöthig zur Folie? – O lieber! so gönnen Sie mir
doch eine Blindheit, die mich allein noch mit meinem barbarischen Loos versöhnt – Fühlt sich
doch das Insekt in einem Tropfen Wassers so selig, als wär‘ es ein Himmelreich, so froh und so
selig, bis man ihm von einem Weltmeer erzählt, worin Flotten und Wallfische spielen! – Aber
glücklich wollen Sie mich ja wissen?
(Nach einer Pause plötzlich zur Lady hintretend und mit Überraschung fragend:)
Sind Sie glücklich, Milady?
(Diese verläßt sie schnell und betroffen, Luise folgt ihr und hält ihr die Hand vor den Busen.)
Hat dieses Herz auch die lachende Gestalt Ihres Standes? Und wenn wir jetzt Brust gegen Brust
und Schicksal gegen Schicksal auswechseln sollten – und wenn ich in kindlicher Unschuld – und
wenn ich auf Ihr Gewissen – und wenn ich als meine Mutter Sie fragte – würden Sie mir wohl zu
dem Tausche rathen?
Stück: Die Familie Schroffenstein (klassischer Monolog)
Rolle: Agnes
Autor: Heinrich von Kleist
Erscheinungsjahr: 1803
AGNES:
’s ist doch ein häßliches Geschäft: belauschen;
Und weil ein rein Gemüt es stets verschmäht,
So wird nur dieses grade stets belauscht.
Drum ist das Schlimmste noch, daß es den Lauscher,
Statt ihn zu strafen, lohnt. Denn statt des Bösen,
Das er verdiente zu entdecken, findet
Er wohl sogar ein still Bemühen noch
Für sein Bedürfnis, oder seine Laune.
Da ist, zum Beispiel, heimlich jetzt ein Jüngling
– Wie heißt er doch? Ich kenn ihn wohl. Sein Antlitz
Gleicht einem wilden Morgenungewitter,
Sein Aug dem Wetterleuchten auf den Höhn,
Sein Haar den Wolken, welche Blitze bergen,
Sein Nahen ist ein Wehen aus der Ferne,
Sein Reden wie ein Strömen von den Bergen
Und sein Umarmen – Aber still! Was wollt
Ich schon? ja, dieser Jüngling, wollt ich sagen,
Ist heimlich nun herangeschlichen, plötzlich,
Unangekündigt, wie die Sommersonne,
Will sie ein nächtlich Liebesfest belauschen.
Nun wär mirs recht, er hätte was er sucht,
Bei mir gefunden, und die Eifersucht,
Der Liebe Jugendstachel, hätte, selbst
Sich stumpfend, ihn hinaus gejagt ins Feld,
Gleich einem jungen Rosse, das zuletzt
Doch heimkehrt zu dem Stall, der ihn ernährt.
Statt dessen ist kein andrer Nebenbuhler
Jetzt grade um mich, als sein Geist. Und der
Singt mir sein Lied zur Zither vor, wofür
Ich diesen Kranz ihm winde. (Sie sieht sich um.) Fehlt dir was?
Stück: Kabale und Liebe (klassischer Monolog)
Rolle: Lady Milford
Autor: Friedrich Schiller
Erscheinungsjahr: 1784
4. Akt, 8. Szene
Lady Milford allein
(Sie steht erschüttert und außer sich, den starren Blick nach der Thüre gerichtet, durch welche die Millerin weggeeilt; endlich erwacht sie aus ihrer Betäubung.)
Wie war das? Wie geschah mir? Was sprach die Unglückliche? – Noch, o Himmel! noch zerreißen sie meine Ohren, die fürchterlichen, mich verdammenden Worte: nehmen Sie ihn hin! – Wen, Unglückselige? das Geschenk deines Sterberöchelns – das schauervolle Vermächtniß deiner Verzweiflung? Gott! Gott! Bin ich so tief gesunken – so plötzlich von allen Thronen meines Stolzes
herabgestürzt, daß ich heißhungrig erwarte, was einer Bettlerin Großmuth aus ihrem letzten Todeskampfe mir zuwerfen wird? – Nehmen Sie ihn hin! und das spricht sie mit einem Tone, begleitet sie mit einem Blick – – Ha! Emilie! bist du darum über die Grenzen deines Geschlechts weggeschritten? Mußtest du darum um den prächtigen Namen des großen brittischen Weibes buhlen, daß das prahlende Gebäude deiner Ehre neben der höheren Tugend einer verwahrlosten Bürgerdirne versinken soll? – Nein, stolze Unglückliche! nein! – Beschämen läßt sich Emilie Milford – doch beschimpfen nie! Auch ich habe Kraft, zu entsagen.
(Mit majestätischen Schritten auf und nieder.)
Verkrieche dich jetzt, weiches, leidendes Weib! – Fahret hin, süße, goldene Bilder der Liebe – Großmuth allein sei jetzt meine Führerin! – – Dieses liebende Paar ist verloren, oder Milford muß ihren Anspruch vertilgen und im Herzen des Fürsten erlöschen! (Nach einer Pause, lebhaft.) Es ist geschehen! – Gehoben das furchtbare Hinderniß – zerbrochen alle Bande zwischen mir und dem Herzog, gerissen aus meinem Busen diese wüthende Liebe! – – In deine Arme werf‘ ich mich, Tugend! – Nimm sie auf, deine reuige Tochter Emilie! – Ha! wie mir so wohl ist! Wie ich auf einmal so leicht, so gehoben mich fühle! – Groß, wie eine fallende Sonne, will ich heut vom Gipfel meiner
Hoheit heruntersinken, meine Herrlichkeit sterbe mit meiner Liebe, und nichts als mein Herz begleite mich in diese stolze Verweisung. (Entschlossen zum Schreibpult gehend.) Jetzt gleich muß es geschehen – jetzt auf der Stelle, ehe die Reize des lieben Jünglings den blutigen Kampf meines Herzens erneuern. (Sie setzt sich nieder und fängt an zu schreiben.)
Stück: Penthesilea (klassischer Monolog)
Rolle: Penthesilea
Autor: Heinrich von Kleist
Erscheinungsjahr: 1876
PENTHESILEA:
Er naht – Wohlauf, ihr Jungfraun, denn zur Schlacht! –
Reicht mir der Spieße Treffendsten, o reicht
Der Schwerdter Wetterflammendstes mir her!
Die Lust, ihr Götter, müßt ihr mir gewähren,
Den einen heißersehnten Jüngling siegreich
Zum Staub mir noch der Füße hinzuwerfen.
Das ganze Maas von Glück erlaß ich euch,
Das meinem Leben zugemessen ist. –
Asteria! Du wirst die Schaaren führen.
Beschäfftige den Griechentroß und sorge
Daß sich des Kampfes Inbrunst mir nicht störe.
Der Jungfrau’n keine, wer sie immer sei,
Trifft den Peliden selbst! Dem ist ein Pfeil
Geschärft des Todes, der sein Haupt, was sag‘ ich!
Der seiner Locken eine mir berührt!
Ich nur, ich weiß den Göttersohn zu fällen.
Hier dieses Eisen soll, Gefährtinnen,
Soll mit der sanftesten Umarmung ihn,
(Weil ich mit Eisen ihn umarmen muß!)
An meinen Busen schmerzlos niederziehn.
Hebt euch, ihr Frühlingsblumen, seinem Fall,
Daß seiner Glieder keines sich verletze.
Blut meines Herzens mißt‘ ich ehr, als seines.
Nicht eher ruhn will ich, bis ich aus Lüften,
Gleich einem schöngefärbten Vogel, ihn
Zu mir herabgestürzt; doch liegt er jetzt
Mit eingeknickten Fittigen, ihr Jungfrau’n,
Zu Füssen mir, kein Purpurstäubchen messend.
Nun dann, so mögen alle Seeligen
Daniedersteigen, unsern Sieg zu feiern,
Zur Heimath geht der Jubelzug, dann bin ich
Die Königinn des Rosenfestes euch!
Jetzt kommt! –
(Indem sie abgehen will, erblickt sie die weinende Prothoe, und wendet sich unruhig. Darauf
plötzlich, indem sie ihr um den Hals fällt.)
Prothoe! Meiner Seelen Schwester!
Willst du mir folgen?
Stück: Onkel Wanja (moderner Monolog)
Rolle: Helena Andrejewna
Autor: Anton Tschechow
Erscheinungsjahr: 1898
HELENA ANDREJEWNA: Es gibt nichts Peinlicheres, als ein fremdes Geheimnis zu wissen und doch nicht helfen zu können. Nachdenklich) Er ist in sie nicht verliebt, das ist klar – aber weshalb
sollte er sie nicht heiraten? Sie ist nicht hübsch, doch für einen Landarzt, noch dazu in seinen Jahren, wäre sie eine prächtige Frau. Sie ist klug, gut, keusch … nein, nein … das geht nicht, das geht nicht … Pause. Ich kann das arme Mädchen wohl begreifen. Mitten in dieser verzweifelten Langenweile, wo ihr statt wirklicher, lebendiger Menschen immer nur eine Art graue Flecke begegnen, wo sie nichts als Gemeinheiten hört, wo man sich nur mit Essen, Trinken, Schlafen
beschäftigt, taucht ab und zu ein Mensch auf, der den andern nicht gleicht, ein hübscher, interessanter, einnehmender Mann, – wie der helle Mond im nächtlichen Dunkel. sich dem Zauber eines solchen Menschen hinzugeben, ganz im selbstvergessen … es scheint fast, ich selbst hab‘ mich ein wenig hinreißen lassen. Jawohl, ich langweile mich ohne ihn … ich lächle, wenn ich an ihn denke … Dieser Onkel Wanja sagt, in meinen Adern fließe Nixenblut … »Leben Sie sich einmal im Leben frei aus« … Nun, vielleicht wär‘ dies das Richtige … Frei wie ein Vogel davonfliegen, fort von euch allen, eure verschlafenen Gesichter nicht mehr sehen, euer Geschwätz nicht mehr hören, überhaupt vergessen, daß ihr alle auf der Welt existiert … Aber ich bin zu feig dazu, zu zimperlich … Da kommt er nun alle Tage her, und ich errate, weshalb er kommt – und schon fühle
ich mich schuldig, bin bereit, vor Sonja in die Knie zu sinken, um Verzeihung zu bitten, zu weinen …
Stück: Don Karlos (klassischer Monolog)
Rolle: Prinzessin Eboli
Autor: Friedrich Schiller
Erscheinungsjahr: 1787
Die Prinzessin Eboli allein
(Sie steht noch betäubt, außer Fassung; nachdem der Prinz hinaus ist, eilt sie ihm nach und will
ihn zurückrufen.)
Prinz, noch ein Wort. Prinz, hören Sie – Er geht!
Auch das noch! Er verachtet mich – Da steh‘ ich
In fürchterlicher Einsamkeit – verstoßen,
Verworfen –
(Sie sinkt auf einen Sessel. Nach einer Pause.)
Nein! Verdrungen nur, verdrungen
Von einer Nebenbuhlerin. Er liebt.
Kein Zweifel mehr. Er hat es selbst bekannt.
Doch wer ist diese Glückliche? – So viel
Ist offenbar – er liebt, was er nicht sollte.
Er fürchtet die Entdeckung. Vor dem König
Verkriecht sich seine Leidenschaft – Warum
Vor diesem, der sie wünschte? – Oder ist’s
Der Vater nicht, was er im Vater fürchtet?
Als ihm des Königs buhlerische Absicht
Verrathen war – da jauchzten seine Mienen,
Frohlockt‘ er, wie ein Glücklicher… Wie kam es,
Daß seine strenge Tugend hier verstummte?
Hier? eben hier? Was kann denn er dabei,
Er zu gewinnen haben, wenn der König
Der Königin die –
(Sie hält plötzlich ein, von einem Gedanken überrascht – Zu gleicher Zeit reißt sie die Schleife, die
ihr Carlos gegeben hat, von dem Busen, betrachtet sie schnell und erkennt sie.)
Jetzt endlich, jetzt – Wo waren meine Sinne?
Jetzt gehen mir die Augen auf – Sie hatten
Sich lang geliebt, eh der Monarch sie wählte.
Nie ohne sie sah mich der Prinz. – Sie also,
Sie war gemeint, wo ich so grenzenlos,
So warm, so wahr mich angebetet glaubte?
O, ein Betrug, der ohne Beispiel ist!
Und meine Schwäche hab‘ ich ihr verrathen –
(Stillschweigen.)
Daß er ganz ohne Hoffnung lieben sollte!
Ich kann’s nicht glauben – Hoffnungslose Liebe
Besteht in diesem Kampfe nicht. Zu schwelgen,
Wo unerhört der glänzendste Monarch
Der Erde schmachtet – Wahrlich! solche Opfer
Bringt hoffnungslose Liebe nicht. Wie feurig
War nicht sein Kuß! Wie zärtlich drückt‘ er mich,
Wie zärtlich an sein schlagend Herz! – Die Probe
War fast zu kühn für die romant’sche Treue,
Die nicht erwiedert werden soll – Er nimmt
Den Schlüssel an, den, wie er sich beredet,
Die Königin ihm zugeschickt – er glaubt
An diesen Riesenschritt der Liebe – kommt,
Kommt wahrlich, kommt! – So traut er Philipps Frau
Die rasende Entschließung zu. – Wie kann er,
Wenn hier nicht große Proben ihn ermuntern?
Es ist am Tag. Er wird erhört. Sie liebt!
Beim Himmel, diese Heilige empfindet!
Wie fein ist sie!… Ich zitterte ich selbst,
Vor dem erhabnen Schreckbild dieser Tugend.
Ein höhres Wesen ragt sie neben mir.
In ihrem Glanz erlösch‘ ich. Ihrer Schönheit
Mißgönnt‘ ich diese hohe Ruhe, frei
Von jeder Wallung sterblicher Naturen.
Und diese Ruhe war nur Schein? Sie hätte
An beiden Tafeln schwelgen wollen? – Hätte
Den Götterschein der Tugend schaugetragen,
Und doch zugleich des Lasters heimliche
Entzückungen zu naschen sich erdreistet?
Das durfte sie? Das sollte ungerochen
Der Gauklerin gelungen sein? Gelungen,
Weil sich kein Rächer meldet? – Nein, bei Gott!
Ich betete sie an – Das fordert Rache!
Der König wisse den Betrug – der König?
(Nach einigem Besinnen.)
Ja, recht – das ist ein Weg zu seinem Ohre.
(Sie geht ab.)
Stück: Salome (moderner Monolog)
Rolle: Salome
Autor: Oscar Wilde
Erscheinungsjahr: 1891
SALOME: (an der Zisterne lauschend) Es ist kein Laut zu vernehmen. Ich höre nichts. Warum schreit er nicht, der Mann? Ah!Wenn einer mich zu töten käme, ich würde schreien, ich würde mich wehren, ich würde es nicht dulden!… Schlag zu, schlag zu, Naaman, schlag zu, sag ich dir …
Nein, ich höre nichts. (Gedehnt) Es ist eine schreckliche Stille! Ah! Es ist etwas zu Boden gefallen. Ich hörte etwas fallen. Es war das Schwert bes Henkers. Er hat Angst, dieser Sklave. Er hat das Schwert fallen lassen! Er traut sich nicht, ihn zu töten. Er ist eine Memme, dieser Sklave. Schickt Soldaten hin! (Zum Pagen) Komm hierher, du warst der Freund dieses Toten, nicht? Wohlan, ich sage dir: Es sind noch nicht genug Tote. Geh zu den Soldaten und befiehl ihnen, hinabzusteigen und mir zu holen, was ich verlange, was der Tetrarch mir versprochen hat, was mein ist!
(Der Page weicht zurück, sie wendet sich den Soldaten zu.)
Hierher, ihr Soldaten, geht ihr in die Zisterne hinunter und holt mir den Kopf des Mannes! (Schreiend) Tetrarch, Tetrarch, befiehl beinen Soldaten, daß sie mir den Kopf des Jochanaan holen!
(Ein riesengroßer schwarzer Arm, der Arm des Henkers, streckt sich aus der Cisterne heraus, auf einem silbernen Schild den Kopf des Jochanaan haltend, Salome ergreift ihn. Herodes verhüllt sein Gesicht mit dem Mantel. Herodias fächelt sich zu und lächelt. Die Nazarener sinken in die Knie und beginnen zu beten.)
Ah! Du wolltest mich nicht deinen Mund küssen lassen, Jochanaan! Wohl, ich werde ihn jetzt küssen! Ich will mit meinen Zähnen hineinbeißen, wie man in eine reife Frucht beißen mag. Ja, ich will ihn jetzt küssen, deinen Mund, Jochanaan. Ich hab‘ es gesagt. Hab‘ ich’s nicht gesagt? Ja, ich hab‘ es gesagt. Ah! Ah! Ich will ihn jetzt küssen… Aber warum siehst du mich nicht an, Jochanaan? Deine Augen, die so schrecklich waren, so voller Wut und Verachtung, sind jetzt
geschlossen. Warum sind sie geschlossen? Öffne doch die Augen, erhebe deine Lider, Jochanaan! Warum siehst du mich nicht an? Hast du Angst vor mir, Jochanaan, daß du mich nicht ansehen willst? Und deine Zunge, sie spricht kein Wort, Jochanaan, diese Scharlachnatter, die ihren Geifer gegen mich spie. Es ist seltsam, nicht? Wie kommt es, daß diese rote Natter sich nicht mehr rührt? Du sprachst böse Worte gegen mich, gegen mich, Salome, die Tochter der Herodias, Prinzessin von Judäa. Nun wohl! Ich lebe noch, aber du bist tot, und dein Kopf, dein Kopf gehört mir! Ich kann mit ihm tun, was ich will. Ich kann ihn den Hunden vorwerfen und den
Vögeln der Luft. Was die Hunde übrig lassen, sollen die Vögel der Luft verzehren … Ah! Ah!
Jochanaan, Jochanaan, du warst schön. Dein Leib war eine Elfenbeinsäule auf silbernen Füßen. Er war ein Garten voller Tauben in der Silberlilien Glanz. Nichts in der Welt war so weiß wie dein Leib. Nichts in der Welt war so schwarz wie dein Haar. In der ganzen Welt war nichts so rot wie dein Mund. Deine Stimme war ein Weihrauchgefäß, und wenn ich dich ansah, hörte ich geheimnisvolle Musik …
(In den Anblick von Jochanaans Haupt versunken.)
Ah! warum hast du mich nicht angesehen, Jochanaan? Du legtest über deine Augen die Binde eines, der seinen Gott schauen wollte. Wohl! Du hast deinen Gott gesehn, Jochanaan, aber mich, mich hast du nie gesehn. Hättest du mich gesehn, du hättest mich geliebt! Ich dürste nach deiner Schönheit. Ich hungre nach deinem Leib. Nicht Wein noch Apfel können mein Verlangen stillen …
Was soll ich jetzt tun, Jochanaan? Nicht die Fluten, noch die großen Wasser können dieses brünstige Begehren löschen … Oh! Warum sahst du mich nicht an? Hättest du mich angesehn, du hättest mich geliebt. Ich weiß es wohl, du hättest mich geliebt. Und das Geheimnis der Liebe ist größer als das Geheimnis des Todes …
Stück: Iphigenie auf Tauris (klassischer Monolog)
Rolle: Iphigenie
Autor: Goethe
Erscheinungsjahr: 1779
IPHIGENIE:
Heraus in eure Schatten, rege Wipfel
Des alten, heil’gen, dichtbelaubten Haines,
Wie in der Göttin stilles Heiligtum,
Tret ich noch jetzt mit schauderndem Gefühl,
Als wenn ich sie zum erstenmal beträte,
Und es gewöhnt sich nicht mein Geist hierher.
So manches Jahr bewahrt mich hier verborgen
Ein hoher Wille, dem ich mich ergebe;
Doch immer bin ich, wie im ersten, fremd.
Denn ach! mich trennt das Meer von den Geliebten,
Und an dem Ufer steh ich lange Tage,
Das Land der Griechen mit der Seele suchend;
Und gegen meine Seufzer bringt die Welle
Nur dumpfe Töne brausend mir herüber.
Weh dem, der fern von Eltern und Geschwistern
Ein einsam Leben führt! Ihm zehrt der Gram
Das nächste Glück vor seinen Lippen weg,
Ihm schwärmen abwärts immer die Gedanken
Nach seines Vaters Hallen, wo die Sonne
Zuerst den Himmel vor ihm aufschloß, wo
Sich Mitgeborne spielend fest und fester
Mit sanften Banden aneinanderknüpften.
Ich rechte mit den Göttern nicht; allein
Der Frauen Zustand ist beklagenswert.
Zu Haus und in dem Kriege herrscht der Mann,
Und in der Fremde weiß er sich zu helfen.
Ihn freuet der Besitz; ihn krönt der Sieg!
Ein ehrenvoller Tod ist ihm bereitet.
Wie eng-gebunden ist des Weibes Glück!
Schon einem rauhen Gatten zu gehorchen
Ist Pflicht und Trost; wie elend, wenn sie gar
Ein feindlich Schicksal in die Ferne treibt!
So hält mich Thoas hier, ein edler Mann,
In ernsten, heil’gen Sklavenbanden fest.
O wie beschämt gesteh ich, daß ich dir
Mit stillem Widerwillen diene, Göttin,
Dir, meiner Retterin! Mein Leben sollte
Zu freiem Dienste dir gewidmet sein.
Auch hab ich stets auf dich gehofft und hoffe
Noch jetzt auf dich, Diana, die du mich,
Des größten Königes verstoßne Tochter,
In deinen heil’gen, sanften Arm genommen.
Ja, Tochter Zeus‘, wenn du den hohen Mann,
Den du, die Tochter fordernd, ängstigtest,
Wenn du den göttergleichen Agamemnon,
Der dir sein Liebstes zum Altare brachte,
Von Trojas umgewandten Mauern rühmlich
Nach seinem Vaterland zurückbegleitet,
Die Gattin ihm, Elektren und den Sohn,
Die schonen Schätze, wohl erhalten hast:
So gib auch mich den Meinen endlich wieder,
Und rette mich, die du vom Tod errettet,
Auch von dem Leben hier, dem zweiten Tode!
Stück: Iphigenie in Aulis (klassischer Monolog)
Rolle: Klytämnestra
Autor: Euripides
Erscheinungsjahr: 405 v. Chr.
KLYTÄMNESTRA:
Gib mir Gehör. Die räthselhafte Sprache
Bei Seit‘. Ich will jetzt offen mit dir reden.
Erst drangst du dich – das sei mein erster Vorwurf –
Gewaltsam mir zum Gatten auf, entführtest
Mich räuberisch, nachdem du meinen ersten
Gemahl erschlagen, Tantalus – den Säugling
Von seiner Mutter Brust gerissen, mit
Grausamem Wurf am Boden ihn zerschmettert.
Als meine Brüder drauf, die Söhne Zeus‘,
Die Herrlichen, mit Krieg dich überzogen,
Entriß dich Tyndar, unser Vater, den
Du knieen flehtest, ihrem Zorn und gab
Die Rechte meines Gatten dir zurücke.
Seit diesem Tag – kannst du es anders sagen?
Fandst du in mir die lenksamste der Frauen,
Im Hause fromm, im Ehebette keusch,
Untadelhaft im Wandel. Sichtbar wuchs
Der Segen deines Hauses – Lust und Freude,
Wenn du hineintratst! Wenn du öffentlich
Erschienst, der frohe Zuruf aller Menschen!
Solch eine Ehgenossin zu erjagen,
Ist Wenigen beschert. Desto gemeiner sind
Die schlimmen! Ich gebäre dir drei Töchter
Und diesen Sohn – und dieser Töchter eine
Willst du jetzt so unmenschlich mir entreißen!
Fragt man, warum sie sterben soll – was kannst du
Hierauf zur Antwort geben? Sprich! soll ich’s
In deinem Namen thun? Daß Menelaus
Helenen wieder habe, soll sie sterben!
O trefflich! Deine Kinder also sind
Der Preis für eine Buhlerin! Und mit
Dem Theuersten, das wir besitzen, wird
Das Hassenswürdigste erkauft! – Wenn du
Nun fort sein wirst nach Troja, lange, lange,
Ich im Palast indessen einsam sitze,
Leer die Gemächer der Gestorbenen
Und alle jungfräulichen Zimmer öde,
Wie, glaubst du, daß mir da zu Muth sein werde?
Wenn ungetrocknet, unversiegend um
Die Todte meine Thränen rinnen, wenn
Ich ewig, ewig um sie jammre: »Er,
Der dir das Leben gab, gab dir den Tod!
Er selbst, kein Andrer, er mit eignen Händen!«
Sieh zu, daß dir von deinen andern Töchtern,
Von ihrer Mutter, wenn du wiederkehrst,
Nicht ein Empfang dereinst bereitet werde,
Der solcher Thaten würdig ist. O um
Der Götter willen! Zwinge mich nicht, schlimm
An dir zu handeln! Handle du nicht so
An uns! – Du willst sie schlachten! Wie? Und welche
Gebete willst du dann zum Himmel richten?
Was willst du, rauchend von der Tochter Blut,
Von ihm erflehen? Fürchterliche Heimkehr
Von einem schimpflich angetretnen Zuge!
Werd‘ ich für dich um Segen flehen dürfen?
Um Segen für den Kindermörder flehn,
Das hieße Göttern die Vernunft ableugnen!
Und sei’s, daß du nach Argos wiederkehrst,
Denkst du dann deine Kinder zu umarmen?
O, dieses Recht hast du verscherzt! Wie könnten
Sie Dem ins Auge sehn, der ein von ihnen
Mit kaltem Blut erschlug? – Darüber sind
Wir einverstanden – Mußtest du als König,
Als Feldherr dich betragen – kam es dir
Nicht zu, bei den Achivern erst die Sprache
Der Weisheit zu versuchen? »Ihr verlangt
Nach Troja, Griechen? Gut. Das Loos entscheide,
Weß Tochter sterben soll!« Das hätte Einem
Gegolten wie dem Andern. Aber nicht,
Nicht dir von allen Danaern allein
Kam’s zu, dein Kind zum Opfer anzubieten!
Da! deinem Menelaus, dem zu Lieb‘
Ihr streitet, dem hätt‘ es gebührt, sein Kind
Hermione der Mutter aufzuopfern!
Und ich, die immer keusch dein Bett bewahrte,
Soll nun der Tochter mich beraubet sehn,
Wenn jene Lasterhafte, glücklicher
Als ich, nach Sparta heimzieht mit der ihren!
Bestreit‘ mich, wenn ich Unrecht habe! Hab‘
Ich Recht – o, so geh‘ in dich! – bring sie nicht
Ums Leben, deine Tochter und die meine!
Stück: Dantons Tod (klassischer Monolog)
Rolle: Lucile
Autor: Georg Büchner
Erscheinungsjahr: 1835
LUCILE
(tritt auf. Sie setzt sich auf einen Stein unter die Fenster der Gefangnen.)
Camille, Camille!
(Camille erscheint am Fenster.)
Höre, Camille, du machst mich lachen mit dem langen Steinrock und der eisernen Maske vor dem Gesicht; kannst du dich nicht bücken? Wo sind deine Arme? Ich will dich locken, lieber Vogel.
(Singt:)
Es stehn zwei Sternlein an dem Himmel,
Scheinen heller als der Mond,
Der ein‘ scheint vor Feinsliebchens Fenster,
Der andre vor die Kammertür.
Komm, komm, mein Freund! Leise die Truppe herauf, sie schlafen alle. Der Mond hilft mir schon
lange warten. Aber du kannst ja nicht zum Tor herein, das ist eine unleidliche Tracht. Das ist zu arg
für den Spaß, mach ein Ende! Du rührst dich auch gar nicht, warum sprichst du nicht? Du machst
mir Angst.
Höre! die Leute sagen, du müßtest sterben, und machen dazu so ernsthafte Gesichter. Sterben!
ich muß lachen über die Gesichter. Sterben! Was ist das für ein Wort? Sag mir’s, Camille. Sterben!
Ich will nachdenken. Da, da ist’s. Ich will ihm nachlaufen; komm, süßer Freund, hilf mir fangen,
komm! komm!
(Sie läuft weg.)
Stück: Nathan der Weise (klassischer Monolog)
Rolle: Recha
Autor: Gotthold Ephraim Lessing
Erscheinungsjahr: 1779
RECHA
Mein Schmerz hat mich vergessen machen, wer
Du bist. Vor Sittah gilt kein Winseln, kein
Verzweifeln. Kalte, ruhige Vernunft
Will alles über sie allein vermögen.
Wes Sache diese bei ihr führt, der siegt!
SITTAH
Nun dann?
RECHA
Nein; meine Freundin, meine Schwester
Gibt das nicht zu! Gibt nimmer zu, daß mir
Ein andrer Vater aufgedrungen werde!
SITTAH
Ein andrer Vater? aufgedrungen? dir?
Wer kann das? kann das auch nur wollen, Liebe?
RECHA
Wer? Meine gute böse Daja kann
Das wollen, – will das können. – ja; du kennst
Wohl diese gute böse Daja nicht?
Nun, Gott vergeb‘ es ihr! – belohn‘ es ihr!
Sie hat mir so viel Gutes, – so viel Böses
Erwiesen!
SITTAH
Böses dir? – So muß sie Gutes
Doch wahrlich wenig haben.
RECHA Doch! recht viel,
Recht viel!
SITTAH
Wer ist sie?
RECHA
Eine Christin, die
In meiner Kindheit mich gepflegt; mich so
Gepflegt! – Du glaubst nicht! – Die mir eine Mutter
So wenig missen lassen! – Gott vergelt‘
Es ihr! – Die aber mich auch so geängstet!
Mich so gequält!
SITTAH
Und über was? warum?
Wie?
RECHA
Ach! die arme Frau – ich sag dir’s ja
Ist eine Christin; – muß aus Liebe quälen;
Ist eine von den Schwärmerinnen, die
Den allgemeinen, einzig wahren Weg
Nach Gott zu wissen wähnen!
SITTAH
Nun versteh ich!
RECHA
Und sich gedrungen fühlen, einen jeden,
Der dieses Wegs verfehlt, darauf zu lenken. –
Kaum können sie auch anders. Denn ist’s wahr,
Daß dieser Weg allein nur richtig führt:
Wie sollen sie gelassen ihre Freunde
Auf einem andern wandeln sehn, – der ins
Verderben stürzt, ins ewige Verderben?
Es müßte möglich sein, denselben Menschen
Zur selben Zeit zu lieben und zu hassen. –
Auch ist’s das nicht, was endlich laute Klagen
Mich über sie zu führen zwingt. Ihr Seufzen,
Ihr Warnen, ihr Gebet, ihr Drohen hätt‘
Ich gern noch länger ausgehalten; gern!
Es brachte mich doch immer auf Gedanken,
Die gut und nützlich. Und wem schmeichelt’s doch
Im Grunde nicht, sich gar so wert und teuer,
Von wem’s auch sei, gehalten fühlen, daß
Er den Gedanken nicht ertragen kann,
Er müss‘ einmal auf ewig uns entbehren!
SITTAH
Sehr wahr!
RECHA
Allein – allein – das geht zu weit!
Dem kann ich nichts entgegensetzen; nicht
Geduld, nicht Überlegung; nichts!
SITTAH
Was? wem?
RECHA
Was sie mir eben itzt entdeckt will haben.
SITTAH
Entdeckt? und eben itzt?
RECHA
Nur eben itzt!
Wir nahten, auf dem Weg hierher, uns einem
Verfallnen Christentempel. Plötzlich stand
Sie still; schien mit sich selbst zu kämpfen; blickte
Mit nassen Augen bald gen Himmel, bald
Auf mich. Komm, sprach sie endlich, laß uns hier
Durch diesen Tempel in die Richte gehn!
Sie geht; ich folg ihr, und mein Auge schweift
Mit Graus die wankenden Ruinen durch.
Nun steht sie wieder; und ich sehe mich
An den versunknen Stufen eines morschen
Altars mit ihr. Wie ward mir? als sie da
Mit heißen Tränen, mit gerungnen Händen
Zu meinen Füßen stürzte …
SITTAH
Gutes Kind!
RECHA
Und bei der Göttlichen, die da wohl sonst
So manch Gebet erhört, so manches Wunder
Verrichtet habe, mich beschwor; – mit Blicken
Des wahren Mitleids mich beschwor, mich meiner
Doch zu erbarmen! – Wenigstens, ihr zu
Vergeben, wenn sie mir entdecken müsse,
Was ihre Kirch‘ auf mich für Anspruch habe.
SITTAH
(Unglückliche! – Es ahnte mir!)
RECHA
Ich sei
Aus christlichem Geblüte; sei getauft;
Sei Nathans Tochter nicht; er nicht mein Vater! –
Gott! Gott! Er nicht mein Vater! – Sittah! Sittah!
Sieh mich aufs neu‘ zu deinen Füßen …
Stück: Der Menschenfeind (klassischer Monolog)
Rolle: Celimène
Autor: Molière
Erscheinungsjahr: 1667
CELIMÈNE:
Madame, ich bin für Ihren Rat erkenntlich
Und halt‘ ihn für so wenig mißverständlich,
Daß ich sogleich mich dankbar möchte zeigen
Durch einen Rat, der Ihrer Ehre gilt,
Und da Sie mir aus Freundschaft nicht verschweigen,
Wie man auf mich und mein Betragen schilt,
So macht dies edle Beispiel mir zur Pflicht
Zu sagen, was die Welt von Ihnen spricht.
Vor kurzem war ich zu Besuch erschienen
In einem auserwählten Kreise;
Man sprach dort von der besten Lebensweise,
Und unter anderm sprach man auch von Ihnen.
Da ward denn Ihre fromme Tugendlehre
Nicht grad als Muster hingestellt;
Ihr Heil’genschein, den man für künstlich hält,
Ihr ewiges Gered‘ von Zucht und Ehre,
Ihr Schreien, wenn in unbefangnen Worten
Ein heikler Doppelsinn sich wittern läßt,
Ihr Selbstbewußtsein, das sich allerorten
Ein Mitleidstränchen aus den Augen preßt,
Ihr Kanzelton, der sich damit vergnügt,
Auch Lauterkeit und Unschuld anzuklagen,
Ward, um es grad herauszusagen,
Ganz allgemein verurteilt und gerügt.
Was ist, so frug man, ihrer Andacht Sinn?
Spricht ihrer Maske nicht ihr Leben Hohn?
Denn diese pünktlich fromme Beterin
Schlägt ihr Gesind und zahlt ihm keinen Lohn.
Sie nennt das Kirchenlaufen unerläßlich
Und schminkt, um hübsch zu scheinen, ihr Gesicht;
Auf Bildern ist ihr jede Nacktheit gräßlich;
Doch das Lebendige mißfällt ihr nicht.
Ich stellte mich sogleich auf Ihre Seite
Und sagte laut, daß dies Verleumdung sei;
Doch meine Stimme war im Widerstreite
Mit allen übrigen; man blieb dabei,
Daß Sie, statt andern nachzuspüren,
Sich selber prüfen sollten streng und scharf,
Daß man erst fegen muß vor eignen Türen,
Bevor man alle Welt verdammen darf,
Daß eine Frau nur durch ein Musterleben
Dem Sittentadel gibt Gewicht
Und besser noch anheimstellt das Gericht
Den Leuten, denen Gott dies Amt gegeben.
Madame, Sie werden mich nicht mißverstehn,
Den gutgemeinten Rat mir nicht verargen;
Sei’n Sie versichert, meine Worte bargen
Den regsten Anteil für Ihr Wohlergehn.
Stück: Richard III (klassischer Monolog)
Rolle: Königin Margaret
Autor: William Shakespeare
Erscheinungsjahr: 1593
MARGARET:
Wenn alter Gram um so ehrwürd’ger ist,
Gesteht der Jahre Vorrang meinem zu,
Und wölke sich mein Kummer obenan.
(Setzt sich neben sie.)
Und wenn der Gram Gesellschaft dulden mag,
Zählt eure Leiden nach, auf meine schauend.
Mein war ein Eduard, doch ein Richard schlug ihn;
Mein war ein Gatte, doch ein Richard schlug ihn;
Dein war ein Eduard, doch ein Richard schlug ihn;
Dein war ein Richard, doch ein Richard schlug ihn.
Herzogin.
Mein war ein Richard auch, und du erschlugst ihn;
Mein war ein Rutland auch, du halfst ihn schlagen.
Margaretha.
Dein war ein Clarence auch, und Richard schlug ihn.
Aus deines Schoßes Höhle kroch hervor
Ein Höllenhund, der all uns hetzt zu Tod.
Den Hund, der eh‘ als Augen Zähne hatte,
Gebißner Lämmer frommes Blut zu lecken;
Der Gotteswerke schändlichen Verderber;
Den trefflich großen Wüterich der Erde,
In wunden Augen armer Seelen herrschend,
Ließ los dein Schoß, um uns ins Grab zu jagen.
O redlich ordnender, gerechter Gott!
Wie dank ich dir, daß dieser Metzgerhund
In seiner Mutter Leibesfrüchten schwelgt
Und macht sie zur Gesellin fremder Klagen.
Herzogin.
O juble, Heinrichs Weib, nicht um mein Weh!
Gott zeuge mir, daß ich um deins geweint.
Margaretha.
Ertrage mich: ich bin nach Rache hungrig
Und sätt’ge nun an ihrem Anblick mich.
Tot ist dein Eduard, Mörder meines Eduards;
Dein andrer Eduard tot für meinen Eduard;
Der junge York war Zutat: beid‘ erreichten
Nicht meines Eingebüßten hohen Preis.
Tot ist dein Clarence, Meuchler meines Eduards,
Und die Zuschauer dieses Trauerspiels,
Der falsche Hastings, Rivers, Vaughan, Grey,
Sind vor der Zeit versenkt ins dumpfe Grab.
Richard nur lebt, der Hölle schwarzer Spürer,
Als Mäkler aufbewahrt, der Seelen kauft
Und hin sie sendet: aber bald, ja bald
Erfolgt sein kläglich, unbeklagtes Ende.
Die Erde gähnt, die Hölle brennt,
Die Teufel brüllen, Heil’ge beten,
Auf daß er schleunig werde weggerafft.
Vernichte, lieber Gott, ich fleh dich an,
Den Pfandschein seines Lebens, daß ich noch
Dies Wort erleben mag: der Hund ist tot!
Elisabeth.
Oh, du hast prophezeit, es käm‘ die Zeit,
Wo ich herbei dich wünscht‘, um mitzufluchen
Der bauch’gen Spinne, dem geschwollnen Molch.
Margaretha.
Da nannt‘ ich dich ein Scheinbild meines Glücks,
Da nannt‘ ich dich gemalte Königin;
Die Vorstellung nur dessen, was ich war;
Ein schmeichelnd Inhaltsblatt zu grausem Schauspiel;
So hoch erhoben, tief gestürzt zu werden;
Zwei holder Knaben bloß geäffte Mutter;
Ein Traum des, was du warst; ein bunt Panier,
Zum Ziel gestellt für jeden droh’nden Schuß;
Ein Schild der Würde, eine Blas‘, ein Hauch,
Kön’gin zum Spaß, die Bühne nur zu füllen.
Wo ist dein Gatte nun? wo deine Brüder?
Wo deine beiden Söhne? Was noch freut dich?
Wer kniet und sagt nun: Heil der Königin?
Wo sind die Pairs, die schmeichelnd sich dir bückten?
Wo die gedrängten Haufen, die dir folgten?
Geh all dies durch, und sieh, was bist du jetzt.
Statt glücklich Eh’weib, höchst bedrängte Witwe;
Statt frohe Mutter, jammernd bei dem Namen;
Statt angefleht, demütig Flehende;
Statt Königin, mit Not gekrönte Sklavin;
Statt daß du mich verhöhnt, verhöhnt von mir;
Statt allgefürchtet, einen fürchtend nun;
Statt allgebietend, nun gehorcht von keinem.
So bat des Rechtes Lauf sich umgewälzt
Und dich der Zeit zum rechten Raub gelassen;
Nur der Gedanke blieb dir, was du warst,
Auf daß dich’s mehr noch foltre, was du bist.
Du maßtest meinen Platz dir an: und fällt
Nicht meiner Leiden richtig Maß dir zu?
Halb trägt dein stolzer Nacken nun mein Joch,
Und hier entzieh ich ihm das müde Haupt
Und lasse dessen Bürde ganz auf dir.
Leb wohl, Yorks Weib, des Unglücks Königin!
In Frankreich labt mir Englisch Weh den Sinn.
Stück: Der Kirschgarten (moderner Monolog)
Rolle: Ljubow Andrejewna
Autor: Anton Tschechow
Erscheinungsjahr: 1904
LJUBOW ANDREJEWNA (In heftiger Unruhe) Warum Leonid nicht kommt? Ich möchte nur eins wissen: ob das Gut verkauft ist oder nicht. Das Unglück erscheint mir ganz unfaßbar; ich weiß
nicht, was ich denken soll. Schreien könnt‘ ich, irgendeine Dummheit begehen. Retten sie mich, Petja: reden Sie, reden Sie, irgend etwas …
TROFIMOW: Ist’s nicht ganz gleich, ob das Gut heute oder morgen unter den Hammer kommt? Es ist doch längst verfallen, es gibt keine Wiederkehr für Sie, keinen Rückweg. Beruhigen sie sich, Verehrte, man darf sich nicht selbst belügen – blicken Sie der Wahrheit wenigstens einmal im
Leben offen ins Auge!
LJUBOW ANDREJEWNA: Welcher Wahrheit? Sie sehen, wo die Wahrheit oder die Unwahrheit ist, ich aber habe einfach die Sehkraft verloren, ich sehe gar nichts. Sie wagen sich mutig an die Entscheidung aller wichtigen Fragen – aber sagen Sie, mein Lieber: Geschieht das nicht einfach darum, weil Sie noch so jung sind, weil Sie noch keine Zeit hatten, auch nur eine dieser Fragen in Ihrem eigenen Ich zu erproben? Sie schauen kühn in die Zukunft: vielleicht nur darum, weil Sie nichts Schlimme sehen und erwarten, da das Leben noch vor Ihren jungen Augen verborgen ist. Sie sind kühner, ehrlicher, tiefer als wir Alten, aber versetzen Sie sich in unsere Lage, urteilen sie rücksichtsvoll, schonen Sie mich! Ich bin hier geboren, meine Eltern und Großeltern haben hier gelebt … Ich liebe dieses Haus, ohne den Kirschgarten verstehe ich das Leben nicht, und wenn er schon verkauft werden soll, so mag man mich gleich mitverkaufen … (Umarmt Trofimow, küßt ihn auf die Stirn) Mein Sohn ist hier ertrunken … (Weint) Haben Sie Mitleid mit mir, mein guter, lieber Junge …
TROFIMOW: Sie wissen, daß ich aus vollem Herzen mit Ihnen fühle.
LJUBOW ANDREJEWNA: Sie müssen mir das aber anders, anders sagen … (Zieht ihr Taschentuch heraus, wobei ein Telegramm auf den Fußboden fällt) Mir liegt’s heut‘ so schwer auf der Seele, Sie können sich das gar nicht vorstellen. Hier ist es so laut, jeder Ton läßt mein Inneres erbeben, ich zittre an allen Gliedern und auf mein Zimmer gehen kann ich auch nicht, ich fürchte mich vor dem Alleinsein. Verurteilen sie mich nicht, Petja, … ich liebe Sie wie meinen eigenen Sohn. Gern würde ich Ihnen Anja zur Frau geben, ich schwör’s Ihnen, aber Sie müßten Ihre Studien fortsetzen, mein Lieber, müßten das Examen machen. Sie tun nichts, lassen sich vom Schicksal bald dahin, bald dorthin schleudern … Das ist doch nichts Rechtes, nicht wahr? Und dann müßten sie auch etwas dafür tun, daß Ihr Bart wächst … (Lacht) Sie sehen so komisch aus ohne Bart …
TROFIMOW (hebt das Telegramm auf): Ich will kein Adonis sein.
LJUBOW ANDREJEWNA: Ein Telegramm aus Paris. Jeden Tag bekomme ich eins, gestern, und heute, und alle Tage. Dieser tollköpfige Mensch ist wieder krank, es geht ihm wieder schlecht …
Er bittet mich um Verzeihung, fleht mich an, ich solle zu ihm zurückkommen, und von rechtswegen müßte ich auch wirklich nach Paris fahren und ihm beistehen. Sie blicken mich strafend an, Petja, doch was soll ich tun, mein Lieber, was soll ich tun? Er ist krank, er ist einsam und unglücklich – wer wird nach ihm sehen, wer wird ihn von seinen Torheiten zurückhalten, ihm zur rechten Zeit die Medizin reichen? Nun, und … warum soll ich’s verschweigen? – Ich liebe ihn,
ganz klar. Ich liebe ihn, liebe ihn … Das ist der Stein an meinem Halse, der mich auf den Grund zieht, aber ich liebe diesen Stein und kann ohne ihn nicht leben. (Drückt Trofimow die Hand) Denken Sie nicht schlecht von mir, Petja, sagen Sie nichts, gar nichts …
TROFIMOW (unter Tränen): Aber – verzeihen sie meine Offenheit – um Gottes Willen, er hat Sie doch ausgeplündert!
LJUBOW ANDREJEWNA: Nein, nein, nein, so dürfen Sie nicht sprechen … (Hält sich die Ohren zu)
Stück: Prinz Friedrich von Homburg (klassischer Monolog)
Rolle: Natalie
Autor: Heinrich von Kleist
Erscheinungsjahr: 1821
NATALIE: (knieend)
Zu deiner Füße Staub, wies mir gebührt,
Für Vetter Homburg dich um Gnade flehn!
Ich will ihn nicht für mich erhalten wissen –
Mein Herz begehrt sein und gesteht es dir;
Ich will ihn nicht für mich erhalten wissen –
Mag er sich welchem Weib er will vermählen;
Ich will nur, daß er da sei, lieber Onkel,
Für sich, selbständig, frei und unabhängig,
Wie eine Blume, die mir wohlgefällt:
Dies fleh ich dich, mein höchster Herr und Freund,
Und weiß, solch Flehen wirst du mir erhören.
DER KURFÜRST: (erhebt sie)
Mein Töchterchen! Was für ein Wort entfiel dir?
– Weißt du, was Vetter Homburg jüngst verbrach?
NATALIE:
O lieber Onkel!
DER KURFÜRST:
Nun? Verbrach er nichts?
NATALIE:
O dieser Fehltritt, blond mit blauen Augen,
Den, eh er noch gestammelt hat: ich bitte!
Verzeihung schon vom Boden heben sollte:
Den wirst du nicht mit Füßen von dir weisen!
Den drückst du um die Mutter schon ans Herz,
Die ihn gebar, und rufst: komm, weine nicht;
Du bist so wert mir, wie die Treue selbst!
Wars Eifer nicht, im Augenblick des Treffens,
Für deines Namens Ruhm, der ihn verführt,
Die Schranke des Gesetzes zu durchbrechen:
Und ach! die Schranke jugendlich durchbrochen,
Trat er dem Lindwurm männlich nicht aufs Haupt?
Erst, weil er siegt‘, ihn kränzen, dann enthaupten,
Das fordert die Geschichte nicht von dir;
Das wäre so erhaben, lieber Onkel,
Daß man es fast unmenschlich nennen könnte:
Und Gott schuf noch nichts Milderes, als dich.
DER KURFÜRST:
Mein süßes Kind! Sieh! Wär ich ein Tyrann,
Dein Wort, das fühl ich lebhaft, hätte mir
Das Herz schon in der erznen Brust geschmerzt.
Dich aber frag ich selbst: darf ich den Spruch
Den das Gericht gefällt, wohl unterdrücken? –
Was würde wohl davon die Folge sein?
NATALIE:
Für wen? Für dich?
DER KURFÜRST:
Für mich; nein! – Was? Für mich!
Kennst du nichts Höhres, Jungfrau, als nur mich?
Ist dir ein Heiligtum ganz unbekannt,
Das in dem Lager, Vaterland sich nennt?
NATALIE:
O Herr! Was sorgst du doch? Dies Vaterland!
Das wird, um dieser Regung deiner Gnade,
Nicht gleich, zerschellt in Trümmern, untergehn.
Vielmehr, was du, im Lager auferzogen,
Unordnung nennst, die Tat, den Spruch der Richter,
In diesem Fall, willkürlich zu zerreißen,
Erscheint mir als die schönste Ordnung erst:
Das Kriegsgesetz, das weiß ich wohl, soll herrschen,
Jedoch die lieblichen Gefühle auch.
Das Vaterland, das du uns gründetest,
Steht, eine feste Burg, mein edler Ohm:
Das wird ganz andre Stürme noch ertragen,
Fürwahr, als diesen unberufnen Sieg;
Das wird sich ausbaun herrlich, in der Zukunft,
Erweitern, unter Enkels Hand, verschönern,
Mit Zinnen, üppig, feenhaft, zur Wonne
Der Freunde, und zum Schrecken aller Feinde:
Das braucht nicht dieser Bindung, kalt und öd,
Aus eines Freundes Blut, um Onkels Herbst,
Den friedlich prächtigen, zu überleben.
Stück: Elektra (moderner Monolog)
Rolle: Elektra
Autor: Hugo von Hofmannsthal
Erscheinungsjahr: 1903
ELEKTRA: (Elektra tritt aus dem Hause)
Allein! Weh, ganz allein. Der Vater fort,
hinabgescheucht in seine kalten Klüfte…
(Gegen den Boden) Agamemnon! Agamemnon!
Wo bist du, Vater? hast du nicht die Kraft,
dein Angesicht herauf zu mir zu schleppen?
(Leise) Es ist die Stunde, unsre Stunde ists,
die Stunde, wo sie dich geschlachtet haben,
dein Weib und der mit ihr in einem Bette,
in deinem königlichen Bette schläft.
Sie schlugen dich im Bade tot, dein Blut
rann über deine Augen, und das Bad
dampfte von deinem Blut. Dann nahm er dich,
der Feige, bei den Schultern, zerrte dich
hinaus aus dem Gemach, den Kopf voraus,
die Beine schleifend hinterher: dein Auge,
das starre, offne, sah herein ins Haus.
So kommst du wieder, setzest Fuß vor Fuß
und stehst auf einmal da, die beiden Augen
weit offen, und ein königlicher Reif
von Purpur ist um deine Stirn, der speist sich
aus des Hauptes offner Wunde.
Agamemnon! Vater!
Ich will dich sehn, laß mich heute nicht allein!
Nur so wie gestern, wie ein Schatten dort
im Mauerwinkel zeig dich deinem Kind!
Vater! Agamemnon! dein Tag wird kommen! Von den Sternen
stürzt alle Zeit herab, so wird das Blut
aus hundert Kehlen stürzen auf dein Grab!
So wie aus umgeworfnen Krügen wird’s
aus den gebundnen Mördern fließen,
und in einem Schwall, in einem
geschwollnen Bach wird ihres Lebens Leben
aus ihnen stürzen (Mit feierlichem Pathos) und wir schlachten dir
die Rosse, die im Hause sind, wir treiben
sie vor dem Grab zusammen, und sie ahnen
den Tod und wiehern in die Todesluft
und sterben. Und wir schlachten dir die Hunde,
die dir die Füße leckten,
die mit dir gejagt, denen du
die Bissen hinwarfst, darum muß ihr Blut
hinab, um dir zu Dienst zu sein, und wir, wir,
dein Blut, dein Sohn Orest und deine Töchter,
wir drei, wenn alles dies vollbracht und
Purpurgezelte aufgerichtet sind, vom Dunst
des Blutes, den die Sonne nach sich zieht,
dann tanzen wir, dein Blut, rings um dein Grab:
(In begeistertem Pathos) und über Leichen hin werd‘ ich das Knie
hochheben Schritt für Schritt, und die mich werden
so tanzen sehn, ja, die meinen Schatten
von weitem nur so werden tanzen sehn,
die werden sagen: einem großen König
wird hier ein großes Prunkfest angestellt
von seinem Fleisch und Blut, und glücklich ist,
wer Kinder hat, die um sein hohes Grab
so königliche Siegestänze tanzen!
Agamemnon! Agamemnon!
Stück: Faust – Teil 1 (klassischer Monolog)
Rolle: Lieschen
Autor: Goethe
Erscheinungsjahr: 1808
LIESCHEN:
Hast nichts von Bärbelchen gehört?
GRETCHEN:
Kein Wort. Ich komm gar wenig unter Leute.
LIESCHEN:
Gewiß, Sibylle sagt‘ mir’s heute:
Die hat sich endlich auch betört.
Das ist das Vornehmtun!
GRETCHEN:
Wieso?
LIESCHEN:
Es stinkt!
Sie füttert zwei, wenn sie nun ißt und trinkt.
GRETCHEN:
Ach!
LIESCHEN:
So ist’s ihr endlich recht ergangen.
Wie lange hat sie an dem Kerl gehangen!
Das war ein Spazieren,
Auf Dorf und Tanzplatz Führen,
Mußt überall die Erste sein,
Kurtesiert ihr immer mit Pastetchen und Wein;
Bildt sich was auf ihre Schönheit ein,
War doch so ehrlos, sich nicht zu schämen,
Geschenke von ihm anzunehmen.
War ein Gekos und ein Geschleck;
Da ist denn auch das Blümchen weg!
GRETCHEN:
Das arme Ding!
LIESCHEN:
Bedauerst sie noch gar!
Wenn unsereins am Spinnen war,
Uns nachts die Mutter nicht hinunterließ,
Stand sie bei ihrem Buhlen süß;
Auf der Türbank und im dunkeln Gang
Ward ihnen keine Stunde zu lang.
Da mag sie denn sich ducken nun,
Im Sünderhemdchen Kirchbuß tun!
GRETCHEN:
Er nimmt sie gewiß zu seiner Frau.
LIESCHEN:
Er wär ein Narr! Ein flinker Jung
Hat anderwärts noch Luft genung.
Er ist auch fort.
GRETCHEN:
Das ist nicht schön!
LIESCHEN:
Kriegt sie ihn, soll’s ihr übel gehn,
Das Kränzel reißen die Buben ihr,
Und Häckerling streuen wir vor die Tür! (Ab.)
Stück: Faust – Teil 1 (klassischer Monolog)
Rolle: Margarete
Autor: Goethe
Erscheinungsjahr: 1808
MARGARETE:
Es tut mir lange schon weh,
Daß ich dich in der Gesellschaft seh.
FAUST:
Wieso?
MARGARETE:
Der Mensch, den du da bei dir hast,
Ist mir in tiefer innrer Seele verhaßt;
Es hat mir in meinem Leben
So nichts einen Stich ins Herz gegeben
Als des Menschen widrig Gesicht.
FAUST:
Liebe Puppe, fürcht ihn nicht!
MARGARETE:
Seine Gegenwart bewegt mir das Blut.
Ich bin sonst allen Menschen gut;
Aber wie ich mich sehne, dich zu schauen,
Hab ich vor dem Menschen ein heimlich Grauen,
Und halt ihn für einen Schelm dazu!
Gott verzeih mir’s, wenn ich ihm unrecht tu!
FAUST:
Es muß auch solche Käuze geben.
MARGARETE:
Wollte nicht mit seinesgleichen leben!
Kommt er einmal zur Tür herein,
Sieht er immer so spöttisch drein
Und halb ergrimmt;
Man sieht, daß er an nichts keinen Anteil nimmt;
Es steht ihm an der Stirn geschrieben,
Daß er nicht mag eine Seele lieben.
Mir wird’s so wohl in deinem Arm,
So frei, so hingegeben warm,
Und seine Gegenwart schnürt mir das Innre zu.
FAUST:
Du ahnungsvoller Engel du!
MARGARETE:
Das übermannt mich so sehr,
Daß, wo er nur mag zu uns treten,
Mein ich sogar, ich liebte dich nicht mehr.
Auch, wenn er da ist, könnt ich nimmer beten,
Und das frißt mir ins Herz hinein;
Dir, Heinrich, muß es auch so sein.
FAUST:
Du hast nun die Antipathie!
MARGARETE:
Ich muß nun fort.
FAUST:
Ach kann ich nie
Ein Stündchen ruhig dir am Busen hängen
Und Brust an Brust und Seel in Seele drängen?
MARGARETE:
Ach wenn ich nur alleine schlief!
Ich ließ dir gern heut nacht den Riegel offen;
Doch meine Mutter schläft nicht tief,
Und würden wir von ihr betroffen,
Ich wär gleich auf der Stelle tot!
FAUST:
Du Engel, das hat keine Not.
Hier ist ein Fläschchen!
Drei Tropfen nur In ihren Trank umhüllen
Mit tiefem Schlaf gefällig die Natur.
MARGARETE:
Was tu ich nicht um deinetwillen?
Es wird ihr hoffentlich nicht schaden!
FAUST:
Würd ich sonst, Liebchen, dir es raten?
MARGARETE:
Seh ich dich, bester Mann, nur an,
Weiß nicht, was mich nach deinem Willen treibt,
Ich habe schon so viel für dich getan,
Daß mir zu tun fast nichts mehr übrigbleibt. (Ab.)
Stück: Nachtasyl (moderner Monolog)
Rolle: Nastja
Autor: Maxim Gork
Erscheinungsjahr: 1902
NASTJA: (mit geschlossenen Augen, bewegt den Kopf im Takt zu ihrer Erzählung, die sie in singendem Ton vorträgt) In der Nacht also kommt er in den Garten, in die Laube, wie wir es verabredet hatten … und ich warte schon längst und zittre vor Angst und Kummer. Auch er zittert am ganzen Leibe und ist kreideweiß , in der Hand aber hat er einen Revolver …
NATASCHA: (knabbert Sonnenblumenkerne) Was du sagst! Diese Studenten sind doch Tollköpfe …
NASTJA: Und mit schrecklicher Stimme spricht er zu mir: Meine teure Geliebte …
BUBNOW: Ha ha! Meine »teure« hat er gesagt?
DER BARON: Still da! Laß sie ruhig schwindeln – brauchst ja nicht zuzuhören, wenn’s dir nicht gefällt … Also weiter!
NASTJA: Meine Herzallerliebste, sagt er, mein Goldschatz! Die Eltern verweigern mir meine Einwilligung dazu, sagt er, daß ich dich heirate … und drohen mir mit ihrem Fluche, wenn ich nicht von dir lasse. Und so muß ich mir denn, sagt er, das Leben nehmen … Und sein Revolver war ganz fürchterlich groß und mit zehn Kugeln geladen … Lebe wohl, sagt er, traute Freundin meines Herzens! Mein Entschluß ist unwiderruflich … ich kann ohne dich nicht leben. Ich aber antwortete ihm: Mein unvergeßlicher Freund … mein Raoul …
BUBNOW: (erstaunt) Wie hieß er? Graul?
DER BARON: Du irrst dich. Nastjka! Das letzte Mal hieß er doch Gaston!
NASTJA: (springt auf) Schweigt … ihr Unglücklichen! Ihr … elenden Strolche! Könnt ihr überhaupt begreifen, was Liebe ist … wirkliche, echte Liebe? Und ich … ich habe sie gekostet, diese wirkliche Liebe! (Zum Baron) Du Jammerkerl … Du willst ein gebildeter Mensch sein … sagst, du hättest im Bett Kaffee getrunken …
LUKA: So habt doch Geduld! Stört sie nicht! Nehmt Rücksicht auf sie … nicht aufs Wort kommt es an, sondern darauf, warum’s gesprochen wird – seht ihr, darauf kommt’s an! Immer erzähl,
meine Liebe – hat nichts zu sagen!
BUBNOW: Immer färb dir die Federn, Krähe … na, leg doch los!
DER BARON: Weiter also!
NATASCHA: Achte nicht auf sie, wer sind sie denn? Sie reden nur aus Neid so … weil sie von sich nichts zu erzählen wissen …
NASTJA: (setzt sich wieder) Ich will nicht … Ich erzähl nicht weiter … Wenn sie’s nicht glauben wollen … und darüber lachen …
Bricht plötzlich ab, schweigt ein paar Sekunden, schließt wieder die Augen und fährt dann laut und hastig fort zu erzählen, wobei sie im Takt zu ihrer Rede die Hand bewegt und gleichsam auf eine in der Ferne erklingende Musik lauscht. Und ich antworte ihm darauf: Du Freude meines Daseins! Du glänzender Stern! Auch ich vermag
ohne dich nicht zu leben … weil ich dich wahnsinnig liebe und allezeit lieben werde, solange das Herz in meiner Brust schlägt! Aber, sag ich, beraube dich nicht deines jungen Lebens … denn sieh, deine teuren Eltern, deren einzige Freude du bist – sie bedürfen dein … Laß ab von mir! Mag ich lieber zugrunde gehen … aus Sehnsucht nach dir, mein Leben … ich bin allein … ich bin – so eine! Ja, laß mich sterben … was liegt daran … denn ich tauge nichts … und habe nichts … rein gar nichts …
Bedeckt ihr Gesicht mit den Händen und weint still in sich hinein.
Stück: Des Meeres und der Liebe Wellen (klassischer Monolog)
Rolle: Hero
Autor: Franz Grillparzer
Erscheinungsjahr: 1831
HERO: (nach einer Pause)
Ich merke wohl, der Vorfall in dem Hain
Mit jenen Fremden hat mir ihn verstimmt.
Und, wahrlich, er hat recht. Gesteh ich’s nur!
Wenn ich nicht Hero war, nicht Priesterin,
Den Himmlischen zu frommen Dienst geweiht,
Der Jüngere, der Braungelockte, Kleinre,
Vielleicht gefiel er mir. – Vielleicht? – Je nun!
Ich weiß nunmehr, daß, was sie Neigung nennen,
Ein Wirkliches, ein zu Vermeidendes,
Und meiden will ich’s wohl. – Ihr guten Götter!
Wie vieles lehrt ein Tag, und ach, wie wenig
Gibt und vergißt ein Jahr. – Nun, er ist fern,
Im ganzen Leben seh ich kaum ihn wieder,
Und so ist’s abgetan. – Wohl gut!
(Sie nimmt den Mantel ab.)
Hier liege du! Mit wie verschiednem Sinn,
Nahm morgens ich, leg ich dich abends hin.
Ein Leben hüllst du ein in deine Falten.
Bewahre was du weißt, ich leg es ab mit dir.
Doch was beginnen nun? Ich kann nicht schlafen.
(Die Lampe ergreifend und in die Höhe haltend.)
Beseh ich mir den Ort? – Wie weit! – wie leer!
Genug werd ich dich schaun manch langes Jahr,
Gern spar ich was du beutst für künft’ge Neugier.
Horch! – Es war nichts. – Allein, allein, allein!
(Sie hat die Lampe seitwärts aufs Fenster gestellt und steht dabei.)
Wie ruhig ist die Nacht! Der Hellespont
Läßt Kindern gleich die frommen Wellen spielen;
Sie flüstern kaum, so still sind sie vergnügt.
Kein Laut, kein Schimmer rings. Nur meine Lampe
Wirft bleiche Lichter durch die dunkle Luft.
Laß mich dich rücken hier an diese Stäbe!
Der späte Wanderer erquicke sich
An dem Gedanken, daß noch jemand wacht,
Und bis zu fernen Ufern jenseits hin
Sei du ein Stern und strahle durch die Nacht.
Doch würdest du bemerkt. Drum komm nur schlafen,
Du bleiche Freundin mit dem stillen Licht.
(Sie trägt die Lampe.)
Und wie ich lösche deinen sanften Strahl,
So möge löschen auch was hier noch flimmert,
Und nie mehr zünd‘ es neu ein neuer Abend an.
(Sie hat die Lampe auf den Tisch gesetzt.)
So spät noch wach? – Ei Mutter, bitte, bitte!
Nein, Kinder schlafen früh! – Nun denn, es sei!
(Sie nimmt das Geschmeide aus dem Haar und singt dabei mit halber Stimme.)
Und Leda streichelt
Den weichen Flaum.
Das ew’ge Lied! Wie kommt’s mir nur in Sinn?
Nicht Götter steigen mehr zu wüsten Türmen,
Kein Schwan, kein Adler bringt Verlaßnen Trost.
Die Einsamkeit bleibt einsam und sie selbst.
(Sie hat sich gesetzt.)
Auch eine Leier legten sie hierher.
Ich habe nie gelernt darauf zu spielen.
Ich wollte wohl, ich hätt’s! – Gedanken, bunt
Und wirr durchkreuzen meinen Sinn,
In Tönen lösten leichter sie sich auf.
Ja denn, du schöner Jüngling, still und fromm!
Ich denke dein in dieser späten Stunde,
Und mit so glatt verbreitetem Gefühl,
Daß kein Vergehn sich birgt in seine Falten.
Ich will dir wohl, erfreut doch, daß du fern;
Und reichte meine Stimme bis zu dir,
Ich riefe grüßend: Gute Nacht!
Stück: Iphigenie in Aulis (klassischer Monolog)
Rolle: Iphigenie
Autor: Euripides
Erscheinungsjahr: 405 v. Chr.
IPHIGENIE:
Mein Vater, hätt‘ ich Orpheus‘ Mund, könnt‘ ich
Durch meiner Stimme Zauber Felsen mir
Zu folgen zwingen und durch meine Rede
Der Menschen Herzen, wie ich wollte, schmelzen,
Jetzt würd‘ ich diese Kunst zu Hilfe rufen.
Doch meine ganze Redekunst sind Thränen,
Die hab‘ ich, und die will ich geben! Sieh,
Statt eines Zweigs der Flehenden leg‘ ich
Mich selbst zu deinen Füßen – Tödte mich
Nicht in der Blüthe! – Diese Sonne ist
So lieblich! Zwinge mich nicht, vor der Zeit
Zu sehen, was hier unten ist! – Ich war’s,
Die dich zum erstenmale Vater nannte,
Die Erste, die du Kind genannt, die Erste,
Die auf dem väterlichen Schooße spielte
Und Küsse gab und Küsse dir entlockte.
Da sagtest du zu mir: »O meine Tochter,
Werd‘ ich dich wohl, wie’s deiner Herkunft ziemt,
Im Hause eines glücklichen Gemahles
Einst glücklich und gesegnet sehn?« – Und ich,
An diese Wangen angedrückt, die flehend
Jetzt meine Hände nur berühren, sprach:
»Werd‘ ich den alten Vater alsdann auch
In meinem Haus mit süßem Gastrecht ehren
Und meiner Jugend sorgenvolle Pflege
Dem Greis mit schöner Dankbarkeit belohnen?«
So sprachen wir. Ich hab’s recht gut behalten.
Du hast’s vergessen, du, und willst mich tödten?
O, nein! bei Pelops, deinem Ahnherrn! nein!
Bei deinem Vater Atreus und bei ihr,
Die mich mit Schmerzen dir gebar und nun
Aufs neue diese Schmerzen um mich leidet!
Was geht mich Paris‘ Hochzeit an? Kam er
Nach Griechenland, mich Arme zu erwürgen?
O gönne mir dein Auge! Gönne mir
Nur einen Kuß, wenn auch nicht mehr Erhörung,
Daß ich ein Denkmal deiner Liebe doch
Mit zu den Todten nehme! Komm, mein Bruder!
Kannst du auch wenig thun für deine Lieben,
Hinknien und weinen kannst du doch. Er soll
Die Schwester nicht ums Leben bringen, sag‘ ihm.
Gewiß! Auch Kinder fühlen Jammer nach.
Sieh, Vater! eine stumme Bitte richtet er
An dich – laß dich erweichen! laß mich leben!
Bei deinen Wangen flehen wir dich an.
Zwei deiner Lieben, der, unmündig noch,
Ich, eben kaum erwachsen! Soll ich dir’s
In ein herzrührend Wort zusammenfassen?
Nichts Süßres gibt es, als der Sonne Licht
Zu schaun! Niemand verlanget nach da unten.
Der raset, der den Tod herbeiwünscht! Besser
In Schande leben, als bewundert sterben!
Stück: Die Möwe (moderner Monolog)
Rolle: Nina
Autor: Anton Tschechow
Erscheinungsjahr: 1896
Übersetzung (Deutsch): August Scholz
NINA: Menschen, Löwen, Adler und Feldhühner, geweihtragende Hirsche, Gänse, Spinnen, schweigsame Fische, die im Wasser wohnten, Seesterne und all die Wesen, die dem Auge nicht sichtbar waren, mit einem Wort: alles Leben, alles Leben, alles Leben ist erloschen, nachdem es seinen traurigen Kreislauf vollendet hat … Seit vielen tausend Äonen bereits trägt die Erde nicht ein Lebewesen mehr, und dieser arme Mond läßt sein Licht vergeblich strahlen. Nicht erwachen auf der Wiese mit Geschrei die Kraniche, nicht mehr hört man die Maikäfer schwirren in den Lindenhainen. Es ist so kalt, so kalt, so kalt. Es ist so leer, so leer, so leer. Es ist so schaurig, so
schaurig, schaurig. (Pause.) Die Körper der Lebewesen sind zu Staub zerfallen, die ewige Materie hat sie in Steine, in Wasser, in Wolken verwandelt, und ihrer aller Seelen sind in eine einzige zusammengeflossen. Diese eine, gemeinsame Weltseele bin ich … ich … In mir ist die Seele Alexanders des Großen und Cäsars, Napoleons und die Seele des letzten Blutegels. In mir ist das
Bewußtsein der Menschen mit den Instinkten der Tiere verschmolzen, und ich erinnere mich an alles, alles, alles, und jedes Leben durchlebe ich in mir selbst von neuem. (Es zeigen sich
Irrlichter.)
ARKADINA: (leise) Das scheint was Dekadentes zu sein?
TREPLEW: (bittend und zugleich vorwurfsvoll) Mama!
NINA: Ich bin so einsam. Einmal in hundert Jahren öffne ich den Mund, um zu reden, und meine Stimme klingt traurig in dieser Öde, und niemand hört mich … Auch ihr, bleiche Lichter, hört mich nicht … Vor dem Morgengrauen gebiert euch der faulige Sumpf, und ihr irret umher, bis das Frührot schimmert, gedanken- und willenlos, ohne das Vibrieren des Lebens. Aus Furcht, daß nicht in euch Leben entstehe, läßt der Teufel, der Vater der ewigen Materie, jeden Augenblick in euch, gleichwie in den Steinen und im Wasser, die Atome durcheinanderwirbeln, daß ihr unaufhörlich euch wandelt. Im Weltall bleibt beständig und unveränderlich einzig der Geist. (Pause.) Wie ein Gefangener, in einen tiefen und leeren Brunnen geworfen, weiß ich nicht, wo ich bin und was meiner harret. Nur so viel ist mir kund, daß ich in dem harten, erbitterten Kampfe mit dem Teufel, dem Urprinzip der materiellen Kräfte, siegen werde und daß alsdann, wenn Materie und Geist in herrlicher Harmonie sich vereinigt haben, die Herrschaft des Weltwillens anbrechen wird. Das aber wird erst allmählich geschehen, wenn im Verlauf einer langen, langen Reihe von Jahrtausenden der Mond und der hell leuchtende Sirius und die Erde in Staub verwandelt sein werden. Bis dahin herrschet nur Schrecken, Schrecken … (Pause, im Hintergrunde des Sees erscheinen zwei rote Punkte.) Dort nahet schon, mein mächtiger Gegner, der Teufel – ich sehe seine schrecklichen, blutroten Augen …
Stück: Fräulein Julie (moderner Monolog)
Rolle: Fräulein Julie
Autor: August Strindberg
Erscheinungsjahr: 1889
JULIE: Sind Sie nicht mein Freund?
JEAN: Ja, bisweilen! Aber trauen Sie mir nicht!
JULIE: Das sagen Sie nur so. Und übrigens: meine Geheimnisse kennt jedermann. Sehen Sie, meine Mutter war nicht von adliger, sondern von ganz einfacher Herkunft. Sie war in den Lehren ihrer Zeit von Gleichheit und Freiheit des Weibes und all‘ dem erzogen; und sie hatte eine entschiedene Abneigung gegen die Ehe. Als daher mein Vater um sie freite, antwortete sie, sie würde niemals seine Gattin werden wollen, aber – dann wurde sie es doch. Ich kam zur Welt –
gegen den Wunsch meiner Mutter, soweit ich verstehen konnte. Nun sollte ich von meiner Mutter zu einem Naturkind erzogen werden und zudem sollte ich alles lernen dürfen, was ein Junge zu lernen bekommt, damit ich ein Beispiel liefern könnte dafür, daß das Weib ebenso gut wäre, wie der Mann. Ich durfte in Jungenkleidern gehen, lernte Pferde warten; durfte aber nicht in die Meierei gehen; ich mußte Pferde striegeln und anschirren und auf die Jagd gehen, ja ab und zu durfte ich sogar versuchen, Feldarbeit zu erlernen. Und auf dem Hofe wurde den Männern Weiberarbeit, und den Weibern Männerarbeit übertragen – mit dem Erfolg, daß das Besitztum
anfing herunterzukommen, und wir zum Gelächter der ganzen Gegend wurden. Schließlich muß mein Vater aus seiner Verzauberung erwacht sein und revoltiert haben, denn es wurde alles nach seinen Wünschen umgeändert. Meine Mutter wurde krank – was für eine Krankheit weiß ich nicht – aber sie litt oft an Krämpfen, versteckte sich auf dem Boden und im Garten und blieb die ganze Nacht im Freien. Dann kam die große Feuersbrunst, von der Sie wohl reden gehört haben. Haus, Wirtschaftsgebäude und Ställe brannten ab und zwar unter Umständen, die eine Brandstiftung vermuten ließen, denn das Unglück geschah am Tage nach dem Ablauf des Versicherungsquartals, und die Prämie, die mein Vater einsandte, wurde durch die Nachlässigkeit des Boten aufgehalten, sodaß sie nicht zur Zeit hingelangte. Sie füllt das Glas und trinkt.
JEAN: Trinken Sie nicht mehr!
JULIE: Ach, was macht das! Wir waren obdachlos und mußten im Wagen schlafen. Mein Vater wußte nicht, wo er zum Wiederaufbau des Hauses Geld hernehmen sollte. Da giebt Mutter ihm den Rat, einen ihrer Jugendfreunde, einen Ziegelfabrikanten hier in der Nähe, um ein Darlehn anzugehen. Vater erhielt das Darlehn, sollte aber keine Zinsen bezahlen, was ihn in Erstaunen versetzte. Und dann wurde der Hof aufgebaut! Sie trinkt wieder. Wissen Sie, wer den Hof
angesteckt hatte?
JEAN: Ihre Frau Mutter.
JULIE: Wissen Sie, was der Ziegelfabrikant war?
JEAN: Der Liebhaber Ihrer Mutter.
JULIE: Wissen Sie, wem das Geld gehörte?
JEAN: Warten Sie ein wenig – nein, das weiß ich nicht.
JULIE: Meiner Mutter.
JEAN: Dem Grafen also, wenn sie nicht in getrennten Gütern lebten?
JULIE: Das thaten sie nicht! Meine Mutter hatte ein kleines Vermögen, welches sie nicht durch meinen Vater verwalten lassen wollte, und darum deponierte sie es bei – dem Freunde.
JEAN: Der es unterschlug!
JULIE: Ganz richtig! Er behielt es! Dies alles kommt meinem Vater zu Ohren; er konnte aber nicht prozessieren, den Liebhaber seiner Gattin nicht bezahlen, nicht beweisen, daß es das Geld seiner Frau war. Das war die Rache meiner Mutter dafür, daß er die Gewalt im Hause an sich riß. Damals hatte er die Absicht, sich zu erschießen! Es ging das Gerücht, daß er es hätte thun wollen, und daß es mißglückt wäre! Er blieb also am Leben, und meine Mutter mußte ihre Thaten entgelten! Das war eine böse Zeit für mich, können Sie sich denken. Ich sympathisierte mit meinem Vater, aber ich ergriff doch die Partei meiner Mutter, da ich nicht die Verhältnisse kannte. Von ihr hatte
ich Mißtrauen und Haß gegen die Männer erlernt – denn sie haßte die Männer, so weit ich gehört habe – und ich schwor ihr, niemals die Sklavin eines Mannes zu werden.
Stück: Maria Magdalena (klassischer Monolog)
Rolle: Klara
Autor: Friedrich Hebbel
Erscheinungsjahr: 1844
KLARA: (sieht ihr durch’s Fenster nach) Da geht sie! Drei Mal träumt‘ ich, sie läge im Sarg, und nun – o die boshaften Träume, sie kleiden sich in unsere Furcht, um uns’re Hoffnung zu erschrecken! Ich will mich niemals wieder an einen Traum kehren, ich will mich über einen guten nicht wieder freuen, damit ich mich über den bösen, der ihm folgt, nicht wieder zu ängstigen brauche! Wie sie fest und sicher ausschreitet! Schon ist sie dem Kirchhof nah – wer wohl der Erste ist, der ihr begegnet? Es soll Nichts bedeuten, nein, ich meine nur – (erschrocken zusammenfahrend) Der Todtengräber! Er hat eben ein Grab gemacht und steigt daraus hervor, sie grüßt ihn und blickt lächelnd in die düstre Grube hinab, nun wirft sie den Blumenstrauß hinunter und tritt in die Kirche. (Man hört einen Choral) Sie singen: Nun danket Alle Gott! (sie faltet die Hände) Ja! Ja! Wenn meine Mutter gestorben wäre, nie wär‘ ich wieder ruhig geworden, denn – – (mit einem Blick gen Himmel) Aber Du bist gnädig, Du bist barmherzig! Ich wollt‘, ich hätt‘ einen Glauben, wie die Katholischen, daß ich Dir Etwas schenken dürfte! Meine ganze Sparbüchse
wollt‘ ich leeren, und Dir ein schönes vergoldetes Herz jetzt bestellen, und es mit Rosen umwinden. Unser Pfarrer sagt, vor Dir seyen die Opfer Nichts, denn Alles sey Dein, und man müßte Dir das, was Du schon hast, nicht erst geben wollen! Aber Alles, was im Hause ist, gehört meinem Vater doch auch, und dennoch sieht er’s gar gern, wenn ich ihm für sein eignes Geld ein Tuch kaufe, und es sauber sticke, und ihm zum Geburtstag auf den Teller lege. Ja, er thut mir die Ehre an und trägt’s nur an den höchsten Feiertagen, zu Weihnacht oder zu Pfingsten! Einmal sah ich ein ganz kleines katholisches Mädchen, das seine Kirschen zum Altar trug. Wie gefiel mir das! Es waren die ersten im Jahr, die das Kind bekam, ich sah, wie es brannte, sie zu essen! Dennoch bekämpfte es seine unschuldige Begierde, es warf sie, um nur der Versuchung ein Ende zu machen, rasch hin, der Meßpfaff, der eben den Kelch erhob, schaute finster drein und das Kind eilte erschreckt von dannen, aber die Maria über dem Altar lächelte so mild, als wünschte sie aus ihrem Rahmen heraus zu treten, um dem Kind nachzueilen und es zu küssen. Ich that’s für sie! Da kommt Leonhard! Ach!
Stück: Leonce und Lena (klassischer Monolog)
Rolle: Lena
Autor: Georg Büchner
Erscheinungsjahr: 1836
LENA: Ja, jetzt! Da ist es. Ich dachte die Zeit an nichts. Es ging so hin, und auf einmal richtet sich der Tag vor mir auf. Ich habe den Kranz im Haar – und die Glocken, die Glocken!
(Sie lehnt sich zurück und schließt die Augen.)
Sieh, ich wollte, der Rasen wüchse so über mich und die Bienen summten über mir hin; sieh, jetzt bin ich eingekleidet und habe Rosmarin im Haar. Gibt es nicht ein altes Lied:
Auf dem Kirchhof will ich liegen
Wie ein Kindlein in der Wiegen …
GOUVERNANTE: Armes Kind, wie Sie bleich sind unter Ihren blitzenden Steinen.
LENA: O Gott, ich könnte lieben, warum nicht? Man geht ja so einsam und tastet nach einer
Hand, die einen hielte, bis die Leichenfrau die Hände auseinandernähme und sie jedem über der
Brust faltete. Aber warum schlägt man einen Nagel durch zwei Hände, die sich nicht suchten?
Was hat meine arme Hand gethan? (Sie zieht einen Ring vom Finger.) Dieser Ring sticht mich wie
eine Natter.
GOUVERNANTE: Aber – er soll ja ein wahrer Don Carlos sein.
LENA: Aber ein Mann –
GOUVERNANTE: Nun?
LENA: Den man nicht liebt. (Sie erhebt sich.) Pfui! Siehst du, ich schäme mich. – Morgen ist aller
Duft und Glanz von mir gestreift. Bin ich denn wie die arme, hülflose Quelle, die jedes Bild, das
sich über sie bückt, in ihrem stillen Grund abspiegeln muß? Die Blumen öffnen und schließen, wie
sie wollen, ihre Kelche der Morgensonne und dem Abendwind. Ist denn die Tochter eines Königs
weniger, als eine Blume?
GOUVERNANTE: (weinend) Lieber Engel, du bist doch ein wahres Opferlamm.
LENA: Ja wohl – und der Priester hebt schon das Messer. – Mein Gott, mein Gott, ist es denn
wahr, daß wir uns selbst erlösen müssen mit unserm Schmerz? Ist es denn wahr, die Welt sei ein
gekreuzigter Heiland, die Sonne seine Dornenkrone und die Sterne die Nägel und Speere in
seinen Füßen und Lenden?
Stück: Maria Stuart (klassischer Monolog)
Rolle: Königin Elisabeth
Autor: Friedrich Schiller
Erscheinungsjahr: 1800
ELISABETH:
O Sklaverei des Volksdiensts! Schmähliche
Knechtschaft – Wie bin ich’s müde, diesem Götzen
Zu schmeicheln, den mein Innerstes verachtet!
Wann soll ich frei auf diesem Throne stehn!
Die Meinung muß ich ehren, um das Lob
Der Menge buhlen, einem Pöbel muß ich’s
Recht machen, dem der Gaukler nur gefällt.
Oh, der ist noch nicht König, der der Welt
Gefallen muß! Nur der ist’s, der bei seinem Tun
Nach keines Menschen Beifall braucht zu fragen.
Warum hab ich Gerechtigkeit geübt,
Willkür gehaßt mein Leben lang, daß ich
Für diese erste unvermeidliche
Gewalttat selbst die Hände mir gefesselt!
Das Muster, das ich selber gab, verdammt mich!
War ich tyrannisch, wie die spanische
Maria war, mein Vorfahr auf dem Thron, ich könnte
Jetzt ohne Tadel Königsblut verspritzen!
Doch war’s denn meine eigne freie Wahl,
Gerecht zu sein? Die allgewaltige
Notwendigkeit, die auch das freie Wollen
Der Könige zwingt, gebot mir diese Tugend.
Umgeben rings von Feinden, hält mich nur
Die Volkskunst auf dem angefochtnen Thron.
Mich zu vernichten streben alle Mächte
Des festen Landes. Unversöhnlich schleudert
Der röm’sche Papst den Bannfluch auf mein Haupt,
Mit falschem Bruderkuß verrät mich Frankreich,
Und offnen, wütenden Vertilgungskrieg
Bereitet mir der Spanier auf den Meeren.
So steh ich kämpfend gegen eine Welt,
Ein wehrlos Weib! Mit hohen Tugenden
Muß ich die Blöße meines Rechts bedecken,
Den Flecken meiner fürstlichen Geburt,
Wodurch der eigne Vater mich geschändet.
Umsonst bedeck ich ihn – Der Gegner Haß
Hat ihn entblößt und stellt mir diese Stuart,
Ein ewig drohendes Gespenst, entgegen.
Nein, diese Furcht soll endigen!
Ihr Haupt soll fallen. Ich will Frieden haben!
– Sie ist die Furie meines Lebens! Mir
Ein Plagegeist vom Schicksal angeheftet.
Wo ich mir eine Freude, eine Hoffnung
Gepflanzt, da liegt die Höllenschlange mir
Im Wege. Sie entreißt mir den Geliebten,
Den Bräut’gam raubt sie mir! Maria Stuart
Heißt jedes Unglück, das mich niederschlägt!
Ist sie aus den Lebendigen vertilgt,
Frei bin ich, wie die Luft auf den Gebirgen.
(Stillschweigen.)
Mit welchem Hohn sie auf mich niedersah,
Als sollte mich der Blick zu Boden blitzen!
Ohnmächtige! Ich führe beßre Waffen,
Sie treffen tödlich, und du bist nicht mehr!
(Mit raschem Schritt nach dem Tische gehend und die Feder ergreifend.)
Ein Bastard bin ich dir? – Unglückliche!
Ich bin es nur, solang du lebst und atmest.
Der Zweifel meiner fürstlichen Geburt,
Er ist getilgt, sobald ich dich vertilge.
Sobald dem Briten keine Wahl mehr bleibt,
Bin ich im echten Ehebett geboren!
(Sie unterschreibt mit einem raschen, festen Federzug, läßt dann die Feder fallen und tritt mit
einem Ausdruck des Schreckens zurück. Nach einer Pause klingelt sie.)
Stück: Ein Sommernachtstraum (klassischer Monolog)
Rolle: Helena
Autor: William Shakespeare
Erscheinungsjahr: 1605
HELENA:
Ha! sie stimmt auch in die Verschwörung ein.
Nun merk ich’s: alle drei verbanden sich
Zu dieser falschen Posse gegen mich.
Feindselge Hermia! undankbares Mädchen!
Verstandest du, verschworst mit diesen dich,
Um mich zu necken mit so schnödem Spott?
Sind alle Heimlichkeiten, die wir teilten,
Der Schwestertreu Gelübde, jene Stunden,
Wo wir den raschen Tritt der Zeit verwünscht,
Wie sie uns schied: o alles nun vergessen?
Die Schulgenossenschaft, die Kinderunschuld?
Wie kunstbegabte Götter schufen wir
Mit unsern Nadeln eine Blume beide,
Nach einem Muster und auf einem Sitz;
Ein Liedchen wirbelnd, beid in einem Ton,
Als wären unsre Hände, Stimmen, Herzen
Einander einverleibt. So wuchsen wir
Zusammen, einer Doppelkirsche gleich,
Zum Schein getrennt, doch in der Trennung eins;
Zwei holde Beeren, einem Stiel entwachsen,
Dem Scheine nach zwei Körper, doch ein Herz.
Zwei Schildern eines Wappens glichen wir,
Die friedlich stehn, gekrönt von einem Helm.
Und nun zerreißt Ihr so die alte Liebe?
Gesellt im Hohne Eurer armen Freundin
Zu Männern Euch? Das ist nicht freundschaftlich,
Das ist nicht jungfräulich; und mein Geschlecht
Sowohl wie ich darf Euch darüber schelten,
Obschon die Kränkung mich allein betrifft.
HERMIA:
Ich hör erstaunt die ungestümen Reden;
Ich höhn Euch nicht; es scheint, Ihr höhnet mich.
HELENA:
Habt Ihr Lysandern nicht bestellt, zum Hohn
Mir nachzugehn, zu preisen mein Gesicht?
Und Euren andern Buhlen, den Demetrius,
Der eben jetzt noch mich mit Füßen stieß,
Mich Göttin, Nymphe, wunderschön zu nennen,
Und köstlich, himmlisch? Warum sagt er das
Der, die er haßt? Und warum schwört Lysander
Die Liebe ab, die ganz die Seel ihm füllt,
Und bietet mir (man denke nur!) sein Herz,
Als weil Ihr ihn gereizt, weil Ihr’s gewollt?
Bin ich schon nicht so in der Gunst wie Ihr,
Mit Liebe so umkettet, so beglückt,
Ja, elend gnug, um ungeliebt zu lieben:
Ihr solltet mich bedauern, nicht verachten.
HERMIA:
Ich kann mir nicht erklären, was Ihr meint.
HELENA:
Schon recht! Beharrt nur! Heuchelt ernste Blicke
Und zieht Gesichter hinterm Rücken mir!
Blinzt euch nur zu! Verfolgt den feinen Scherz!
Wohl ausgeführt, wird er euch nachgerühmt.
Wär Mitleid, Huld und Sitte noch in euch,
Ihr machtet so mich nicht zu eurem Ziel.
Doch lebet wohl! Zum Teil ist’s meine Schuld:
Bald wird Entfernung oder Tod sie büßen
Stück: Fräulein Else (moderner Monolog)
Rolle: Fräulein Else
Autor: Arthur Schnitzler
Erscheinungsjahr: 1924
FRÄULEIN ELSE: Also, ich soll Herrn Dorsday anpumpen . . . Irrsinnig. Wie stellt sich Mama das vor? Warum hat sich Papa nicht einfach auf die Bahn gesetzt und ist hergefahren? – Wär‘ grad‘ so geschwind gegangen wie der Expreßbrief. Aber vielleicht hätten sie ihn auf dem Bahnhof wegen Fluchtverdacht – – Furchtbar, furchtbar! Auch mit den dreißigtausend wird uns ja nicht geholfen sein. Immer diese Geschichten! Seit sieben Jahren! Nein – länger. Wer möcht‘ mir das ansehen? Niemand sieht mir was an, auch dem Papa nicht. Und doch wissen es alle Leute. Rätselhaft, daß wir uns immer noch halten. Wie man alles gewöhnt! Dabei leben wir eigentlich ganz gut. Mama ist wirklich eine Künstlerin. Das Souper am letzten Neujahrstag für vierzehn Personen – unbegreiflich. Aber dafür meine zwei Paar Ballhandschuhe, die waren eine Affäre. Und wie der Rudi neulich dreihundert Gulden gebraucht hat, da hat die Mama beinah‘ geweint. Und der Papa ist dabei immer gut aufgelegt. Immer? Nein. O nein. In der Oper neulich bei Figaro sein Blick, – plötzlich ganz leer – ich bin erschrocken. Da war er wie ein ganz anderer Mensch. Aber dann haben wir im Grand Hotel soupiert und er war so glänzend aufgelegt wie nur je. Und da halte ich den Brief in der Hand. Der Brief ist ja irrsinnig. Ich soll mit Dorsday sprechen? Zu
Tod‘ würde ich mich schämen. – – Schämen, ich mich? Warum? Ich bin ja nicht schuld. – Wenn ich doch mit Tante Emma spräche? Unsinn. Sie hat wahrscheinlich gar nicht so viel Geld zur Verfügung. Der Onkel ist ja ein Geizkragen. Ach Gott, warum habe ich kein Geld? Warum hab‘ ich mir noch nichts verdient? Warum habe ich nichts gelernt? O, ich habe was gelernt! Wer darf sagen, daß ich nichts gelernt habe? Ich spiele Klavier, ich kann französisch, englisch, auch ein bißl italienisch, habe kunstgeschichtliche Vorlesungen besucht – Haha! Und wenn ich schon was Gescheiteres gelernt hätte, was hülfe es mir? Dreißigtausend Gulden hätte ich mir keineswegs erspart. – – Aus ist es mit dem Alpenglühen. Der Abend ist nicht mehr wunderbar. Traurig ist die Gegend. Nein, nicht die Gegend, aber das Leben ist traurig. Und ich sitz‘ da ruhig auf dem Fensterbrett. Und der Papa soll eingesperrt werden. Nein. Nie und nimmer. Es darf nicht sein. Ich werde ihn retten. Ja, Papa, ich werde dich retten. Es ist ja ganz einfach. Ein paar Worte ganz nonchalant,
das ist ja mein Fall, ›hochgemut‹, – haha, ich werde Herrn Dorsday behandeln, als wenn es eine Ehre für ihn wäre, uns Geld zu leihen. Es ist ja auch eine. – Herr von Dorsday, haben Sie vielleicht einen Moment Zeit für mich? Ich bekomme da eben einen Brief von Mama, sie ist in augenblicklicher Verlegenheit, – vielmehr der Papa – – ›Aber selbstverständlich, mein Fräulein, mit dem größten Vergnügen. Um wieviel handelt es sich denn?‹ – Wenn er mir nur nicht so unsympathisch wäre. Auch die Art, wie er mich ansieht. Nein, Herr Dorsday, ich glaube Ihnen Ihre Eleganz nicht und nicht Ihr Monokel und nicht Ihre Noblesse. Sie könnten ebensogut mit alten Kleidern handeln wie mit alten Bildern. – Aber Else! Else, was fällt dir denn ein. – O, ich kann mir das erlauben. Mir sieht’s niemand an. Ich bin sogar blond, rötlichblond, und Rudi sieht absolut aus wie ein Aristokrat. Bei der Mama merkt man es freilich gleich, wenigstens im Reden. Beim Papa wieder gar nicht. Übrigens sollen sie es merken. Ich verleugne es durchaus nicht und Rudi erst recht nicht. Im Gegenteil. Was täte der Rudi, wenn der Papa eingesperrt würde? Würde er
sich erschießen? Aber Unsinn! Erschießen und Kriminal, all die Sachen gibt’s ja gar nicht, die stehn nur in der Zeitung.
Die Luft ist wie Champagner. In einer Stunde ist das Diner, das ›Dinner‹. Ich kann die Cissy nicht leiden. Um ihr Mäderl kümmert sie sich überhaupt nicht. Was zieh‘ ich an? Das blaue oder das schwarze? Heut‘ wär vielleicht das schwarze richtiger. Zu dekolletiert? Toilette de circonstance heißt es in den französischen Romanen. Jedesfalls muß ich berückend aussehen, wenn ich mit
Dorsday rede. Nach dem Dinner, nonchalant. Seine Augen werden sich in meinen Ausschnitt bohren. Widerlicher Kerl. Ich hasse ihn. Alle Menschen hasse ich. Muß es gerade Dorsday sein?
Gibt es denn wirklich nur diesen Dorsday auf der Welt, der dreißigtausend Gulden hat? Wenn ich mit Paul spräche? Wenn er der Tante sagte, er hat Spielschulden, – da würde sie sich das Geld
sicher verschaffen können. – Beinah schon dunkel. Nacht. Grabesnacht. Am liebsten möcht‘ ich tot sein. – Es ist ja gar nicht
wahr. Wenn ich jetzt gleich hinunterginge, Dorsday noch vor dem Diner spräche? Ah, wie entsetzlich! – Paul, wenn du mir die dreißigtausend verschaffst, kannst du von mir haben, was du
willst. Das ist ja schon wieder aus einem Roman. Die edle Tochter verkauft sich für den geliebten Vater, und hat am End‘ noch ein Vergnügen davon. Pfui Teufel! Nein, Paul, auch für dreißigtausend
kannst du von mir nichts haben. Niemand. Aber für eine Million? – Für ein Palais? Für eine Perlenschnur? Wenn ich einmal heirate, werde ich es wahrscheinlich billiger tun. Ist es denn gar so schlimm? Die Fanny hat sich am Ende auch verkauft. Sie hat mir selber gesagt, daß sie sich vor ihrem Manne graust. Nun, wie wär’s, Papa, wenn ich mich heute Abend versteigerte? Um dich vor dem Zuchthaus zu retten. Sensation –! Ich habe Fieber, ganz gewiß. Oder bin ich schon
unwohl? Nein, Fieber habe ich. Vielleicht von der Luft. Wie Champagner. – Wenn Fred hier wäre, könnte er mir raten? Ich brauche keinen Rat. Es gibt ja auch nichts zu raten. Ich werde mit Herrn Dorsday aus Eperies sprechen, werde ihn anpumpen, ich die Hochgemute, die Aristokratin, die Marchesa, die Bettlerin, die Tochter des Defraudanten. Wie komm‘ ich dazu? Wie komm‘ ich
dazu? Keine klettert so gut wie ich, keine hat so viel Schneid, – sporting girl, in England hätte ich auf die Welt kommen sollen, oder als Gräfin.
Stück: Antigone (klassischer Monolog)
Rolle: Antigone
Autor: Sophokles
Erscheinungsjahr: 442 v. Chr.
ANTIGONE:
O Grab! o Brautbett! unterirdische
Behausung, immerwach! Da werd ich reisen
Den Meinen zu, von denen zu den Toten
Die meiste Zahl, nachdem sie weiter gangen,
Zornigmitleidig dort ein Licht begrüßt hat;
Von denen ich, die letzte, nun am schlimmsten
In weiter Welt vergehn muß, ehe mir
Des Lebens Grenze kommt. Doch komm ich an,
So nähr ich das mit Hoffnungen gar sehr,
Daß lieb ich kommen werde für den Vater,
Auch dir lieb, meine Mutter! lieb auch dir,
Du brüderliches Haupt! Denn als ihr starbt,
Hab ich genommen euch mit eigner Hand
Und ausgeschmückt und über eurem Grabe
Trankopfer euch gebracht. Nun, Polynikes,
Indem ich decke deinen Leib, erlang ich dies,
Obgleich ich dich geehrt, vor Wohlgesinnten.
Nie nämlich, weder wenn ich Mutter
Von Kindern wäre oder ein Gemahl
Im Tode sich verzehret, hätt ich mit Gewalt,
Als wollt ich einen Aufstand, dies errungen.
Und welchem Gesetze sag ich dies zu Dank?
Wär ein Gemahl gestorben, gäb es andre,
Und auch ein Kind von einem andern Manne,
Wenn diesen ich umarmt. Wenn aber Mutter
Und Vater schläft, im Ort der Toten beides,
Steht’s nicht, als wüchs ein andrer Bruder wieder.
Nach solchem Gesetze hab ich dich geehrt,
Dem Kreon aber schien es eine Sünde
Und sehr gewagt, o brüderliches Haupt!
Und jetzt führt er mich weg, mit Händen so mich greifend,
Mich ohne Bett und Hochzeit; noch der Ehe Teil
Hab ich empfangen, noch ein Kind zu nähren.
Doch einsam so von Lieben, unglückselig,
Lebendig in die Wildnis der Gestorbnen
Komm ich hinab. Welch Recht der Geister übertretend?
Was soll ich Arme noch zu himmlischen
Gewalten schaun? Wen singen der Waffengenossen?
Da ich Gottlosigkeit aus Frömmigkeit empfangen.
Doch wenn nun dieses schön ist vor den Göttern,
So leiden wir und bitten ab, was wir
Gesündiget. Wenn aber diese fehlen,
So mögen sie nicht größer Unglück leiden,
Als sie bewirken offenbar an mir.
Gib mir Gehör. Die räthselhafte Sprache
Bei Seit‘. Ich will jetzt offen mit dir reden.
Erst drangst du dich – das sei mein erster Vorwurf –
Gewaltsam mir zum Gatten auf, entführtest
Mich räuberisch, nachdem du meinen ersten
Gemahl erschlagen, Tantalus – den Säugling
Von seiner Mutter Brust gerissen, mit
Grausamem Wurf am Boden ihn zerschmettert.
Als meine Brüder drauf, die Söhne Zeus‘,
Die Herrlichen, mit Krieg dich überzogen,
Entriß dich Tyndar, unser Vater, den
Du knieen flehtest, ihrem Zorn und gab
Die Rechte meines Gatten dir zurücke.
Seit diesem Tag – kannst du es anders sagen?
Fandst du in mir die lenksamste der Frauen,
Im Hause fromm, im Ehebette keusch,
Untadelhaft im Wandel. Sichtbar wuchs
Der Segen deines Hauses – Lust und Freude,
Wenn du hineintratst! Wenn du öffentlich
Erschienst, der frohe Zuruf aller Menschen!
Solch eine Ehgenossin zu erjagen,
Ist Wenigen beschert. Desto gemeiner sind
Die schlimmen! Ich gebäre dir drei Töchter
Und diesen Sohn – und dieser Töchter eine
Willst du jetzt so unmenschlich mir entreißen!
Fragt man, warum sie sterben soll – was kannst du
Hierauf zur Antwort geben? Sprich! soll ich’s
In deinem Namen thun? Daß Menelaus
Helenen wieder habe, soll sie sterben!
O trefflich! Deine Kinder also sind
Der Preis für eine Buhlerin! Und mit
Dem Theuersten, das wir besitzen, wird
Das Hassenswürdigste erkauft! – Wenn du
Nun fort sein wirst nach Troja, lange, lange,
Ich im Palast indessen einsam sitze,
Leer die Gemächer der Gestorbenen
Und alle jungfräulichen Zimmer öde,
Wie, glaubst du, daß mir da zu Muth sein werde?
Wenn ungetrocknet, unversiegend um
Die Todte meine Thränen rinnen, wenn
Ich ewig, ewig um sie jammre: »Er,
Der dir das Leben gab, gab dir den Tod!
Er selbst, kein Andrer, er mit eignen Händen!«
Sieh zu, daß dir von deinen andern Töchtern,
Von ihrer Mutter, wenn du wiederkehrst,
Nicht ein Empfang dereinst bereitet werde,
Der solcher Thaten würdig ist. O um
Der Götter willen! Zwinge mich nicht, schlimm
An dir zu handeln! Handle du nicht so
An uns! – Du willst sie schlachten! Wie? Und welche
Gebete willst du dann zum Himmel richten?
Was willst du, rauchend von der Tochter Blut,
Von ihm erflehen? Fürchterliche Heimkehr
Von einem schimpflich angetretnen Zuge!
Werd‘ ich für dich um Segen flehen dürfen?
Um Segen für den Kindermörder flehn,
Das hieße Göttern die Vernunft ableugnen!
Und sei’s, daß du nach Argos wiederkehrst,
Denkst du dann deine Kinder zu umarmen?
O, dieses Recht hast du verscherzt! Wie könnten
Sie Dem ins Auge sehn, der ein von ihnen
Mit kaltem Blut erschlug? – Darüber sind
Wir einverstanden – Mußtest du als König,
Als Feldherr dich betragen – kam es dir
Nicht zu, bei den Achivern erst die Sprache
Der Weisheit zu versuchen? »Ihr verlangt
Nach Troja, Griechen? Gut. Das Loos entscheide,
Weß Tochter sterben soll!« Das hätte Einem
Gegolten wie dem Andern. Aber nicht,
Nicht dir von allen Danaern allein
Kam’s zu, dein Kind zum Opfer anzubieten!
Da! deinem Menelaus, dem zu Lieb‘
Ihr streitet, dem hätt‘ es gebührt, sein Kind
Hermione der Mutter aufzuopfern!
Und ich, die immer keusch dein Bett bewahrte,
Soll nun der Tochter mich beraubet sehn,
Wenn jene Lasterhafte, glücklicher
Als ich, nach Sparta heimzieht mit der ihren!
Bestreit‘ mich, wenn ich Unrecht habe! Hab‘
Ich Recht – o, so geh‘ in dich! – bring sie nicht
Ums Leben, deine Tochter und die meine!
Stück: Der zerbrochene Krug (klassischer Monolog)
Rolle: Eve
Autor: Heinrich von Kleist
Erscheinungsjahr: 1821
EVE:
Unedelmüt’ger, du! Pfui, schäme dich,
Daß du nicht sagst: gut, ich zerschlug den Krug!
Pfui, Ruprecht, pfui, o schäme dich, daß du
Mir nicht in meiner Tat vertrauen kannst.
Gab ich die Hand dir nicht, und sagte: ja,
Als du mich fragtest: »Eve, willst du mich?«
Meinst du, daß du den Flickschuster nicht wert bist?
Und hättest du durchs Schlüsselloch mich mit
Dem Lebrecht aus dem Kruge trinken sehen,
Du hättest denken sollen: Ev ist brav,
Es wird sich alles ihr zum Ruhme lösen,
Und ists im Leben nicht, so ist es Jenseits,
Und wenn wir auferstehn, ist auch ein Tag.
RUPRECHT:
Mein Seel, das dauert mir zu lange, Evchen.
Was ich mit Händen greife, glaub ich gern.
EVE:
Gesetzt, es wär der Leberecht gewesen,
Warum – des Todes will ich ewig sterben,
Hätt ichs dir Einzigen nicht gleich vertraut;
Jedoch warum vor Nachbarn, Knecht‘ und Mägden –
Gesetzt, ich hätte Gründ, es zu verbergen,
Warum, o Ruprecht, sprich, warum nicht sollt ich
Auf dein Vertraun hin sagen, daß du’s warst?
Warum nicht sollt ichs? Warum sollt ichs nicht?
RUPRECHT:
Ei, so zum Henker, sags, es ist mir recht,
Wenn du die Fiedel dir ersparen kannst.
EVE:
O du Abscheulicher! Du Undankbarer!
Wert, daß ich mir die Fiedel spare! Wert,
Daß ich mit Einem Wort zu Ehren mich,
Und dich in ewiges Verderben bringe.
WALTER:
Nun –? Und dies einz’ge Wort –? Halt uns nicht auf.
Der Ruprecht also war es nicht?
EVE:
Nein, gnäd’ger Herr, weil ers denn selbst so will,
Um seinetwillen nur verschwieg ich es:
Den irdnen Krug zerschlug der Ruprecht nicht,
Wenn ers Euch selber leugnet, könnt Ihrs glauben.
FRAU MARTHE:
Eve! Der Ruprecht nicht?
EVE:
Nein, Mutter, nein!
Und wenn ichs gestern sagte, wars gelogen.
FRAU MARTHE:
Hör, dir zerschlag ich alle Knochen!
(Sie setzt den Krug nieder.)
EVE:
Tut, was Ihr wollt.
Stück: Emilia Galotti (klassischer Monolog)
Rolle: Emilia
Autor: Gotthold Ephraim Lessing
Erscheinungsjahr: 1772
EMILIA: Eben hatt‘ ich mich – weiter von dem Altare, als ich sonst pflege – denn ich kam zu
spät –, auf meine Knie gelassen. Eben fing ich an, mein Herz zu erheben: als dicht hinter mir
etwas seinen Platz nahm. So dicht hinter mir! – Ich konnte weder vor noch zur Seite rücken – so
gern ich auch wollte; aus Furcht, daß eines andern Andacht mich in meiner stören möchte. –
Andacht! das war das Schlimmste, was ich besorgte. – Aber es währte nicht lange, so hört‘ ich,
ganz nah an meinem Ohre – nach einem tiefen Seufzer – nicht den Namen einer Heiligen – den
Namen – zürnen Sie nicht, meine Mutter – den Namen Ihrer Tochter! – Meinen Namen! – O daß
laute Donner mich verhindert hätten, mehr zu hören! – Es sprach von Schönheit, von Liebe – Es
klagte, daß dieser Tag, welcher mein Glück mache – wenn er es anders mache – sein Unglück auf
immer entscheide. – Es beschwor mich – hören mußt‘ ich dies alles. Aber ich blickte nicht um; ich
wollte tun, als ob ich es nicht hörte. – Was konnt‘ ich sonst? – Meinen guten Engel bitten, mich
mit Taubheit zu schlagen; und wann auch, wenn auch auf immer! – Das bat ich; das war das
einzige, was ich beten konnte. – Endlich ward es Zeit, mich wieder zu erheben. Das heilige Amt
ging zu Ende. Ich zitterte, mich umzukehren. Ich zitterte, ihn zu erblicken, der sich den Frevel
erlauben dürfen. Und da ich mich umwandte, da ich ihn erblickte –
CLAUDIA: Wen, meine Tochter?
EMILIA: Raten Sie, meine Mutter, raten Sie – Ich glaubte in die Erde zu sinken – Ihn selbst.
CLAUDIA: Wen, ihn selbst?
EMILIA: Den Prinzen.
Stück: Die Kleinbürger (moderner Monolog)
Rolle: Tatjana
Autor: Maxim Gorki
Erscheinungsjahr: 1901
TATJANA: Wie naiv … Du bist wirklich spaßig, Polja! … Mich kann diese ganze Geschichte nur wütend machen. Es gab nie ein solches Mädchen! Und auch eine solche Meierei, einen solchen Fluß, einen solchen Mond und so weiter – hat es nie gegeben! Alles das ist erfunden. Niemals schildern sie das Leben in den Büchern so, wie es wirklich ist … Wir zum Beispiel … ich und du …
POLJA: Sie schildern eben nur das Interessante. Und was ist an unserem Leben interessant?
TATJANA: (ohne auf sie zu hören, gereizt) Ich habe oft den Eindruck, als ob die Bücher von Leuten geschrieben würden … die mich nicht lieben … und sich immer mit mir herumstreiten möchten. Als wollten sie zu mir sagen: das da ist besser, als du denkst, und jenes dort –
schlechter …
POLJA: Und ich meine wieder, daß alle Schriftsteller unbedingt gut sein müssen … Ich möcht gern mal einen Schriftsteller kennenlernen!
TATJANA: (wie im Selbstgespräch) Das Böse und Abstoßende im Leben schildern sie nicht so, wie ich es sehe … sondern auf ganz besondere Art … in größerem Maßstab … in tragischem Ton.
Und das Gute erfinden sie einfach. Niemand macht eine Liebeserklärung so, wie es in den Büchern beschrieben wird! Und das Leben ist durchaus nicht tragisch … es fließt so ruhig, so
einförmig hin … wie ein großer, trüber Strom. Und wenn du zusiehst, wie ein Strom dahinfließt, dann werden deine Augen müde, du fühlst Langeweile … und es wird dir so dumm im Kopf, daß du gar nicht darüber nachdenken magst, warum eigentlich dieser Strom dort fließt.
Stück: Don Karlos (klassischer Monolog)
Rolle: Königin Elisabeth von Valois
Autor: Friedrich Schiller
Erscheinungsjahr: 1787
KÖNIGIN:
Beklagenswerther, theurer Carl! Ich fühle –
Ganz fühl‘ ich sie, die namenlose Pein,
Die jetzt in Ihrem Busen tobt. Unendlich,
Wie Ihre Liebe, ist Ihr Schmerz. Unendlich,
Wie er, ist auch der Ruhm, ihn zu besiegen.
Erringen Sie ihn, junger Held. Der Preis
Ist dieses hohen, starken Kämpfers werth,
Des Jünglings werth, durch dessen Herz die Tugend
So vieler königlicher Ahnen rollt.
Ermannen Sie sich, edler Prinz. – Der Enkel
Des großen Carls fängt frisch zu ringen an,
Wo andrer Menschen Kinder muthlos enden.
CARLOS: Zu spät! O Gott, es ist zu spät!
KÖNIGIN: Ein Mann
Zu sein? O Carl! wie groß wird unsre Tugend,
Wenn unser Herz bei ihrer Uebung bricht!
Hoch stellte Sie die Vorsicht – höher, Prinz,
Als Millionen Ihrer andern Brüder.
Parteilich gab sie ihrem Liebling, was
Sie andern nahm, und Millionen fragen:
Verdiente Der im Mutterleibe schon,
Mehr als wir andern Sterblichen zu gelten?
Auf, retten Sie des Himmels Billigkeit!
Verdienen Sie, der Welt voran zu gehn,
Und opfern Sie, was Keiner opferte!
CARLOS:
Das kann ich auch. – Sie zu erkämpfen, hab‘
Ich Riesenkraft; Sie zu verlieren, keine.
KÖNIGIN:
Gestehen Sie es, Carlos – Trotz ist es
Und Bitterkeit und Stolz, was Ihre Wünsche
So wüthend nach der Mutter zieht. Die Liebe,
Das Herz, das Sie verschwenderisch mir opfern,
Gehört den Reichen an, die Sie dereinst
Regieren sollen. Sehen Sie, Sie prassen
Von Ihres Mündels anvertrautem Gut.
Die Liebe ist Ihr großes Amt. Bis jetzt
Verirrte sie zur Mutter. – Bringen Sie
O, bringen Sie sie Ihren künft’gen Reichen
Und fühlen Sie, statt Dolchen des Gewissens,
Die Wollust, Gott zu sein. Elisabeth
War Ihre erste Liebe; Ihre zweite
Sei Spanien. Wie gerne, guter Carl,
Will ich der besseren Geliebten weichen!
(Carlos wirft sich, von Empfindung überwältigt, zu ihren Füßen)
Stück: Die Räuber (klassischer Monolog)
Rolle: Amalia
Autor: Friedrich Schiller
Erscheinungsjahr: 1782
AMALIA: Du weinst, Amalia? – und das sprach er mit einer Stimme, mit einer Stimme – mir war’s,
als ob die Natur sich verjüngte – die genossenen Lenze der Liebe dämmerten auf mit der Stimme!
Die Nachtigall schlug wie damals – die Blumen hauchten wie damals – und ich lag
wonneberauscht an seinem Hals – Ha! falsches, treuloses Herz! wie du deinen Meineid
beschönigen willst! Nein, nein, weg aus meiner Seele, du Frevelbild! – ich hab‘ meinen Eid nicht
gebrochen, du Einziger! Weg aus meiner Seele, ihr verrätherischen gottlosen Wünsche! im
Herzen, wo Karl herrscht, darf kein Erdensohn nisten. – Aber warum, meine Seele, so immer, so
wider Willen nach diesem Fremdling? Hängt er sich nicht so hart an das Bild meines Einzigen? Ist
er nicht der ewige Begleiter meines Einzigen? Du weinst, Amalia? – Ha, ich will ihn fliehen! –
fliehen! – Nimmermehr sehen soll mein Aug diesen Fremdling!
(Räuber Moor öffnet die Gartenthüre. Amalia fährt zusammen)
Horch! horch! Rauschte die Thüre nicht?
(Sie wird Karln gewahr und springt auf.)
Er – wohin? – was? – da hat mich’s angewurzelt, daß ich nicht fliehen kann – Verlaß mich nicht,
Gott im Himmel! – Nein, du sollst mir meinen Karl nicht entreißen! Meine Seele hat nicht Raum für
zwei Gottheiten, und ich bin ein sterbliches Mädchen!
(Sie nimmt Karls Bild heraus.)
Du, mein Karl, sei mein Genius wider diesen Fremdling, den Liebestörer! dich, dich ansehen
unverwandt, – und weg alle gottlosen Blicke nach Diesem.
(Sie sitzt stumm – das Auge starr auf das Bild geheftet.)
Stück: Die Ratten (moderner Monolog)
Rolle: Piperkarcka
Autor: Gerhart Hauptmann
Erscheinungsjahr: 1911
Frau John, über Mitte der Dreißig hinaus, und das blutjunge Dienstmädchen Piperkarcka sitzen
am Mitteltisch. Die John, den Oberkörper weit über den Tisch gelehnt, redet lebhaft auf das
Dienstmädchen ein. Die Piperkarcka, dienstmädchenhaft aufgedonnert, mit Jackett, Hut und
Schirm, sitzt aufrecht. Ihr hübsches rundes Lärvchen ist verweint. Ihre Gestalt zeigt Spuren noch
nicht vollendeter Mutterschaft. Sie malt mit der Schirmspitze auf der Diele.
FRAU JOHN: Na ja doch! Freilich! Ick sag’t ja, Pauline.
PIPERKARCKA: Nu ja. Ick will nu also Schlachtensee oder Halensee. Muß jehn un muß
nachsehn, ob ick ihm treffe! Sie trocknet ihre Tränen und will sich erheben.
FRAU JOHN: verhindert die Piperkarcka am Aufstehen. Pauline! Um Jottes willen, bloß det nich!
Det nich, um keenen Preis von de Welt. Det macht Skandal, kost Jeld und bringt nischt. Wat wolln
Se woll, und wo Se noch in den Zustande sind, dem schlechten Halunken noch weiter
nachloofen!?
PIPERKARCKA: Denn soll meine Wirtin heute soll warten umsonst verjeblich auf mir. Ick spring‘
im Landwehrkanal und versaufe.
FRAU JOHN: Pauline! Warum denn? warum denn, Pauline? Jeben Se Obacht, heeren Se jetzt
bloß um Jottes willen ’n janz ’n eenziges … bloß ma’n janzen kleenen Oochenblick uff mir, und
passen Se dadruff uff, wat ick Ihn vorstelle! Det wissen Se doch, ick hab‘ et Ihn doch bei de
Normaluhr, wo ick an Alexanderplatz aus de Marchthalle bin jekomm, jleich anjesehn und hab‘ et
Ihn uff’n Kopp druff jesacht. Wat hab‘ ick jesacht? Jelt, hab‘ ick Ihn uff’n Kopp druff jefragt, jelt,
kleenet Aas, er will nischt von wissen! – Det jeht hier vielen, det jeht hier allen, det jeht hier vielen
Millionen Mächens so! Und denn hab‘ ick jesacht … wat hab‘ ick jesacht? komm, hab‘ ick jesacht,
ick will dir helfen.
PIPERKARCKA: Zu Hause darf ick mir nu janz natürlich nich blicken lassen, wie ick verändert bin.
Mutter schreit doch auf’n ersten Blick! Vater haut mir Kopf an die Wand und schmeißt mir Straße.
Jeld hab‘ ick nu ebenfalls ooch weiter nu weiter keens nich! als wie Stücker zwei Joldstücke, was
ick mich Jackettfutter einjenäht. Hätte mich schlechter Mensch nich Mark nich Pfennig
übriggelassen.
FRAU JOHN: Freilein, mein Mann ist Mauerpolier. Freilein: wenn Se bloß wollten Obacht jeb’n …
jeb’n Se doch um Jottes willen Obacht, wat ick Ihn for Vorschläge unterbreiten tu‘. Freilein, denn
is doch uns beede jeholfen. Ihn is jeholfen und so desselbijenjleichen ooch mir. Außerden is Pauln,
wat mein Mann is, jeholfen, wo sterbensjerne een Kindeken will, weil det uns doch unser eenziget,
unser Adelbertchen, an de Bräune jestorben is. Ihr Kind hat et jut wie’n eejnet Kind. Denn kenn Se
jehn Ihrem Schatz wieder uffsuchen, kenn wieder in’n Dienst, kenn wieder bei Ihre Eltern jehn, det
Kind hat et jut, und keen Mensch uff die janze Welt nich braucht wat von wissen.
PIPERKARCKA: I jrade! Ick stürze mir Landwehrkanal! Sie steht auf. Ick schreibe Zettel, ick lasse
Zettel in mein Jackett zurück: du hast mit deine verfluchte Schlechtigkeit deine Pauline im Wasser
jetrieben! dann setze vollen Namen Alois Theophil Brunner, Instrumentenmacher, zu. Denn soll er
sehn, wie er mit sein Mord auf Jewissen man meinswegen fertig wird.
FRAU JOHN: Warten Se, Freilein, ick muß erst uffschließen.
Frau John stellt sich, als wolle sie die Piperkarcka hinausbegleiten.
Stück: Onkel Wanja (moderner Monolog)
Rolle: Sonja
Autor: Anton Tschechow
Erscheinungsjahr: 1898
SONJA: Was soll man schon tun – man muß leben!
(Pause)
Und wir werden leben, Onkel Wanja, eine lange, lange Reihe von Tagen und von langen Abenden
werden wir erleben; geduldig werden wir die Prüfungen ertragen, die uns das Schicksal sendet;
wir werden für andere arbeiten, jetzt und in unsern alten Tagen, ohne Rast, und wenn dann unsere
Stunde kommt, werden wir in Demut sterben, und dort, im Jenseits, werden wir sagen, daß wir
gelitten haben, daß wir geweint haben, daß unser Los bitter war, und Gott wird sich unser
erbarmen, und dann werden wir beide, Onkel – du und ich, lieber Onkel – in ein herrliches,
schönes, freudenreiches Leben eingehen, wir werden frohlocken und auf unser einstiges
Ungemach mit einem milden Lächeln zurückschauen – und werden ausruhen. Ich glaube daran,
Onkel, ich glaube heiß, leidenschaftlich …
(Sie kniet vor ihm hin und legt ihren Kopf an seine Brust; mit müder Stimme)
Wir werden ausruhen!
(Teljegin spielt leise auf der Gitarre)
Wir werden ausruhen! Wir werden die Engel singen hören, wir werden den Himmel in seiner
ganzen Herrlichkeit sehen, werden sehen, wie alle irdischen Übel, alle unsere Leiden in
unbegrenztem Mitleid aufgehen, das die Welt erfüllen wird, und unser Leben wird so still, so mild,
so süß werden – wie eine Liebkosung. Ich glaube, glaube …
(Wischt ihm mit ihrem Taschentuch die Tränen aus den Augen)
Armer, armer Onkel Wanja, du weinst … (Durch Tränen) Du hast in deinem Leben die Freude nicht
kennengelernt, aber hab‘ nur Geduld, Onkel Wanja, hab‘ Geduld … Wir werden ausruhen …
(Umarmt ihn)
Wir werden ausruhen!
(Man hört den Nachtwächter klopfen; Teljegin spielt leise, Maria Wassiljewna macht Notizen auf
den Rändern der Broschüre; Marina strickt)
Wir werden ausruhen!
Der Vorhang sinkt langsam.
Stück: Macbeth (klassischer Monolog)
Rolle: Hekate
Autor: William Shakespeare
Erscheinungsjahr: 1606
HEKATE:
Ihr garstgen Vetteln, hab ich denn nicht recht?
Da ihr euch, dreist und unverschämt, erfrecht
Und treibt mit Macbeth euren Spuk,
In Rätselkram, in Mord und Trug?
Und ich, die Meistrin eurer Kraft,
Die alles Unheil wirkt und schafft,
Mich bat man nicht um meine Gunst,
Zu Ehr und Vorteil unsrer Kunst?
Und, schlimmer noch: was ihr getan,
Nützt nur dem eigensinnigen Mann,
Voll Tück und Grimm. Wie alle Welt
Ers nur mit sich, mit euch nicht hält.
Das bessert nun! Macht euch davon,
Und an dem Pfuhl des Acheron
Trefft morgen früh mich! Er kommt hin,
Zu hören seines Schicksals Sinn.
Mit Hexenspuk und Sprüchen seid
Und jedem Zauberkram bereit.
Ich muß zur Luft hinauf; die Nacht
Wird auf ein Unheilswerk verbracht;
Groß Werk vor Mittag werden soll.
Ein Tropfen, giftger Dünste voll,
An einem Horn des Mondes blinkt,
Den fang ich, eh er niedersinkt;
Der, destilliert mit Zauberflüchen,
Ruft Geister, die mit listgen Sprüchen
Ihn mächtig täuschen, daß Betörung
Ihn treibt zu eigener Zerstörung.
Schicksal und Tod soll er verachten,
Nicht kennen Furcht, nach Gnad nicht trachten.
Ihr wißt es ja, daß Sicherheit
Des Menschen Erbfeind jederzeit.
(Musik hinter der Szene. Gesang: »Komm hinfort, komm hinfort« etc.)
Hört zu! Dort sitzt mein kleiner Geist, o schaut,
In einer dunkeln Wolk und ruft mich laut.
(Ab.)
Monologe für Männer/Schauspieler
Stück: Othello, der Mohr von Venedig (klassischer Monolog)
Rolle: Othello
Autor: William Shakespeare
Erscheinungsjahr: 1604
OTHELLO:
Ihr Vater liebte mich, lud mich oft ein, fragte mich immer nach der Geschichte meines Lebens, von Jahr zu Jahr, und ließ mich alle Schlachten, Belagerungen und Abentheuer, durch die ich passiert bin, erzählen. Das that ich nun, und durchlief mein ganzes Leben, von meinen kindischen Tagen an bis auf den nemlichen Augenblik, worinn er mich erzählen hieß: Und da sprach ich ihm also von den verschiedenen seltsamen Glüks-Wechseln, die ich erfahren, von hunderterley tragischen und herzbrechenden Unfällen, die mir zu Wasser und Land aufgestossen, und wie oft ich kaum noch auf der Breite eines Haars dem eindringenden Tod entgangen; und wie ich in die Hände grausamer Feinde gefallen, und zum Sclaven verkauft worden; und wie ich wieder in Freyheit gekommen, und dann die ganze Geschichte meiner irrenden Ritterschaft – – als von ungeheuern Grotten, und unterirdischen Gewölben, einöden Inseln, Steinbrüchen, Felsen und Gebürgen, die mit dem Kopf am Himmel anstossen, und von Cannibalen die einander aufessen und von Anthropophagen, und von Leuten, die die Köpfe unter den Schultern tragen, – – und was der Dinge mehr war, womit ich ihn zu unterhalten pflegte. Allem diesem hörte dann Desdemona mit grosser Aufmerksamkeit zu; und obgleich die Hausgeschäfte sie von Zeit zu Zeit wegrieffen, so machte sie sich doch so schnell als sie konnte, davon los, kam wieder zurük und verschlang meine Erzählung mit gierigem Ohr: Ich bemerkte dieses, und da sich einst eine günstige Stunde anbot, wußte ich bald Anlas zu machen, daß sie mich recht von Herzen bat, ihr die ganze Geschichte meiner Reisen, wovon sie nur einzelne, zerrißne Stüke gehört hatte, vollständig und im Zusammenhang zu erzählen: Ich willigte ein, und lokte manche Thräne aus ihren schönen Augen, wenn ich auf die verschiednen Trübsalen und Unfälle kam, die meine Jugend ausgestanden. Wie ich mit meiner Geschichte fertig war, belohnte sie meine Mühe mit einer Welt voll Seufzer[Fußnote] – – sie schwur bey ihrer Treu, es sey ausserordentlich, über die Maassen ausserordentlich – – es sey rührend, zum Verwundern rührend – – Sie wünschte, sie hätte nichts davon gehört – – und doch wünschte sie, der Himmel hätte einen solchen Mann für sie gemacht – – und endlich dankte sie mir, und sagte, wenn ich einen Freund hätte, der in sie verliebt wäre, so möcht‘ ich ihn nur meine Geschichte erzählen lehren, und er würde sie damit gewinnen. Auf diesen Wink fieng‘ ich dann an zu reden, – – und so verlohren wir beyde unsre Herzen – – Sie liebte mich aus Mitleiden mit den Gefahren die ich ausgestanden, und ich liebte sie um dieses Mitleidens willen: Das ist die ganze Zauberey die ich gebraucht habe. Aber hier kommt sie selbst,
laßt sie Zeugniß geben.
Stück: Faust – Teil 1 (klassischer Monolog)
Rolle: Schüler
Autor: Goethe
Erscheinungsjahr: 1808
Schüler und Mephistopheles
SCHÜLER:
Ich bin allhier erst kurze Zeit,
Und komme voll Ergebenheit,
Einen Mann zu sprechen und zu kennen,
Den alle mir mit Ehrfucht nennen.
MEPHISTOPHELES:
Eure Höflichkeit erfreut mich sehr!
Ihr seht einen Mann wie andre mehr.
Habt Ihr Euch sonst schon umgetan?
SCHÜLER:
Ich bitt Euch, nehmt Euch meiner an!
Ich komme mit allem guten Mut,
Leidlichem Geld und frischem Blut;
Meine Mutter wollte mich kaum entfernen;
Möchte gern was Rechts hieraußen lernen.
MEPHISTOPHELES:
Da seid Ihr eben recht am Ort.
SCHÜLER:
Aufrichtig, möchte schon wieder fort:
In diesen Mauern, diesen Hallen
Will es mir keineswegs gefallen.
Es ist ein gar beschränkter Raum,
Man sieht nichts Grünes, keinen Baum,
Und in den Sälen, auf den Bänken,
Vergeht mir Hören, Sehn und Denken.
MEPHISTOPHELES:
Das kommt nur auf Gewohnheit an.
So nimmt ein Kind der Mutter Brust
Nicht gleich im Anfang willig an,
Doch bald ernährt es sich mit Lust.
So wird’s Euch an der Weisheit Brüsten
Mit jedem Tage mehr gelüsten.
SCHÜLER:
An ihrem Hals will ich mit Freuden hangen;
Doch sagt mir nur, wie kann ich hingelangen?
MEPHISTOPHELES:
Erklärt Euch, eh Ihr weiter geht,
Was wählt Ihr für eine Fakultät?
SCHÜLER:
Ich wünschte recht gelehrt zu werden,
Und möchte gern, was auf der Erden
Und in dem Himmel ist, erfassen,
Die Wissenschaft und die Natur.
MEPHISTOPHELES:
Da seid Ihr auf der rechten Spur;
Doch müßt Ihr Euch nicht zerstreuen lassen.
SCHÜLER:
Ich bin dabei mit Seel und Leib;
Doch freilich würde mir behagen
Ein wenig Freiheit und Zeitvertreib
An schönen Sommerfeiertagen.
Stück: Ein Sommernachtstraum (klassischer Monolog)
Rolle: Puck (Droll), ein Elf
Autor: William Shakespeare
Erscheinungsjahr: 1605
Puck und Oberon
PUCK:
Herr, meine Fürstin liebt ein Ungeheuer.
Sie lag in Schlaf versunken auf dem Moos
In ihrer heilgen Laube dunklem Schoß,
Als eine Schar von lumpgen Handwerksleuten,
Die mühsam kaum ihr täglich Brot erbeuten,
Zusammenkommt und hier ein Stück probiert,
So sie auf Theseus‘ Hochzeitstag studiert.
Der ungesalzenste von den Gesellen,
Den Pyramus berufen vorzustellen,
Tritt von der Bühn und wartet im Gesträuch;
Ich nutze diesen Augenblick sogleich,
Mit einem Eselskopf ihn zu begaben.
Nicht lange drauf muß Thisbe Antwort haben;
Mein Mime tritt heraus; kaum sehen ihn
Die Freund, als sie wie wilde Gänse fliehn,
Wenn sie des Jägers leisen Tritt erlauschen;
Wie graue Krähen, deren Schwarm mit Rauschen
Und Krächzen auffliegt, wenn ein Schuß geschieht,
Und wild am Himmel da- und dorthin zieht.
Vor meinem Spuk rollt der sich auf der Erde,
Der schreiet Mord! mit kläglicher Gebärde;
Das Schrecken, das sie sinnlos machte, lieh
Sinnlosen Dingen Waffen gegen sie.
An Dorn und Busch bleibt Hut und Ärmel stecken;
Sie fliehn hindurch, berupft an allen Ecken.
In solcher Angst trieb ich sie weiter fort,
Nur Schätzchen Pyramus verharrte dort.
Gleich mußte nun Titania erwachen
Und aus dem Langohr ihren Liebling machen.
Stück: Don Karlos (klassischer Monolog)
Rolle: Don Karlos
Autor: Friedrich Schiller
Erscheinungsjahr: 1787
DON KARLOS:
Nein! Diese Schonung will ich nicht. Sprich’s aus,
Sprich, daß auf diesem großen Rund der Erde
Kein Elend an das meine grenze – sprich –
Was du mir sagen kannst, errath‘ ich schon.
Der Sohn liebt seine Mutter. Weltgebräuche,
Die Ordnung der Natur und Roms Gesetze
Verdammen diese Leidenschaft. Mein Anspruch
Stößt fürchterlich auf meines Vaters Rechte.
Ich fühl’s, und dennoch lieb‘ ich. Dieser Weg
Führt nur zum Wahnsinn oder Blutgerüste.
Ich liebe ohne Hoffnung – lasterhaft –
Mit Todesangst und mit Gefahr des Lebens –
Das seh‘ ich ja, und dennoch lieb‘ ich.
MARQUIS:
Weiß
Die Königin um diese Neigung?
DON KARLOS:
Konnt‘ ich
Mich ihr entdecken? Sie ist Philipps Frau
Und Königin, und das ist span’scher Boden.
Von meines Vaters Eifersucht bewacht,
Von Etikette ringsum eingeschlossen,
Wie konnt‘ ich ohne Zeugen mich ihr nahn?
Acht höllenbange Monde sind es schon,
Daß von der hohen Schule mich der König
Zurückberief, daß ich sie täglich anzuschaun
Verurtheilt bin und, wie das Grab, zu schweigen.
Acht höllenbange Monde, Roderich,
Daß dieses Feu’r in meinem Busen wüthet,
Daß tausendmal sich das entsetzliche
Geständniß schon auf meinen Lippen meldet,
Doch scheu und feig zurück zum Herzen kriecht.
O Roderich – nur wen’ge Augenblicke
Allein mit ihr –
MARQUIS:
Ach! Und Ihr Vater, Prinz –
DON KARLOS:
Unglücklicher! Warum an den mich mahnen?
Sprich mir von all den Schrecken des Gewissens,
Von meinem Vater sprich mir nicht.
MARQUIS:
Sie hassen Ihren Vater!
DON KARLOS:
Nein! Ach, nein!
Ich hasse meinen Vater nicht – Doch Schauer
Und Missethäters-Bangigkeit ergreifen
Bei diesem fürchterlichen Namen mich.
Kann ich dafür, wenn eine knechtische
Erziehung schon in meinem jungen Herzen
Der Liebe zarten Keim zertrat? Sechs Jahre
Hatt‘ ich gelebt, als mir zum ersten Mal
Der Fürchterliche, der wie sie mir sagten,
Mein Vater war, vor Augen kam. Es war
An einem Morgen, wo er stehnden Fußes
Vier Bluturtheile unterschrieb. Nach diesem
Sah ich ihn nur, wenn mir für ein Vergehn
Bestrafung angekündigt ward. – O Gott!
Hier fühl‘ ich, daß ich bitter werde – Weg –
Weg, weg von dieser Stelle!
MARQUIS: Nein, Sie sollen,
Jetzt sollen Sie sich öffnen, Prinz. In Worten
Erleichtert sich der schwer beladne Busen.
DON KARLOS:
Oft hab‘ ich mit mir selbst gerungen, oft
Um Mitternacht, wenn meine Wachen schliefen,
Mit heißen Thränengüssen vor das Bild
Der Hochgebenedeiten mich geworfen,
Sie um ein kindlich Herz gefleht – doch ohne
Erhörung stand ich auf. Ach, Roderich!
Enthülle du dies wunderbare Räthsel
Der Vorsicht mir – Warum von tausend Vätern
Just eben diesen Vater mir? Und ihm
Just diesen Sohn von tausend bessern Söhnen?
Zwei unverträglichere Gegentheile
Fand die Natur in ihrem Umkreis nicht.
Wie mochte sie die beiden letzten Enden
Des menschlichen Geschlechtes – mich und ihn –
Durch ein so heilig Band zusammen zwingen?
Furchtbares Loos! Warum mußt‘ es geschehn?
Warum zwei Menschen, die sich ewig meiden,
In einem Wunsche schrecklich sich begegnen?
Hier, Roderich, siehst du zwei feindliche
Gestirne, die im ganzen Lauf der Zeiten
Ein einzig Mal in scheitelrechter Bahn
Zerschmetternd sich berühren, dann auf immer
Und ewig aus einander fliehn.
MARQUIS:
Mir ahnet
Ein unglücksvoller Augenblick.
DON KARLOS:
Mir selbst.
Wie Furien des Abgrunds folgen mir
Die schauerlichsten Träume. Zweifelnd ringt
Mein guter Geist mit gräßlichen Entwürfen;
Durch labyrinthische Sophismen kriecht
Mein unglücksel’ger Scharfsinn, bis er endlich
Vor eines Abgrunds gähem Rachen stutzt –
O Roderich, wenn ich den Vater je
In ihm verlernte – Roderich – ich sehe,
Dein todtenblasser Blick hat mich verstanden –
Wenn ich den Vater je in ihm verlernte,
Was würde mir der König sein?
Stück: Michael Kramer (moderner Monolog)
Rolle: Michael Kramer
Autor: Gerhart Hauptmann
Erscheinungsjahr: 1900
KRAMER: (seine Tochter ein wenig festhaltend) Leb wohl, gutes Kind! Dich verdrießt’s ja auch
nicht. Du bist wohl die nüchternste von uns allen! – Nein, nein, Michaline, so mein‘ ich das nicht.
Du hast einen kühlen, gesunden Kopf. Und ihr Herz ist so warm wie irgendeins,
Lachmann. Michaline weint stärker. Aber höre: Bewähre dich nun auch, Kind. Nun müssen wir
zeigen, wie weit wir Stich halten.
Michaline faßt sich resolut, drückt ihm die Hand und hernach auch Lachmann, dann geht sie.
KRAMER: Lachmann, wir wollen die Lichter aufstecken. Machen Sie mal die Pakete auf. – Sich
selber der Arbeit unterziehend. Leid, Leid, Leid, Leid! Schmecken Sie, was in dem Worte liegt? –
Sehn Se, das ist mit den Worten so: sie werden auch nur zuzeiten lebendig, im Alltagsleben
bleiben sie tot. Er reicht Lachmann einen Leuchter, auf den er ein Licht gesteckt. So. Tragen Sie’s
meinem Jungen hinein. Lachmann begibt sich mit dem Leuchter in den verhangenen Teil des
Raumes. Kramer, nun allein vor dem Vorhang, spricht laut weiter. – Wenn erst das Große ins
Leben tritt, hörn Se, dann ist alles Kleine wie weggefegt. Das Kleine trennt, das Große, das eint,
sehn Se. Das heißt, man muß so geartet sein. Der Tod ist immer das Große, hörn Se: der Tod und
die Liebe, sehn Se mal an. Lachmann kommt wieder nach vorn. Ich bin unten beim Herrn Direktor
gewesen, ich habe dem Manne die Wahrheit gesagt, und weshalb sollt‘ ich denn lügen, hörn Se?!
Mir ist jetzt durchaus nicht danach zumut. Was geht mich die Welt an, möcht‘ ich bloß wissen! Er
hat sich ja auch drüber weggesetzt. – – – Sehn Se, die Frauen, die wollen das. Der Pastor geht
dann nicht mit ans Grab, und da hat’s eben nicht seine Richtigkeit. Hörn Se, mir ist das ganz
nebensächlich. Gott ist mir alles. Der Pastor nichts. – Wissen Sie, was ich heut morgen gemacht
habe? Lieblingswünsche zu Grabe gebracht. Still, stille für mich. Ganz stille für mich, sehn Se.
Hörn Se, das war ein langer Zug. Kleine und große, dick und dünn. Jetzt liegt alles da wie
hingemäht, Lachmann.
LACHMANN: Ich habe auch schon einen Freund verloren. Ich meine, durch einen freiwilligen Tod.
KRAMER: Freiwillig, hörn Se –? Wer weiß, wo das zutrifft! – Sehn Se sich diese Skizzen mal an. Er
kramt in seinem Rock und zieht aus seiner Brusttasche ein Skizzenbuch, das er vor Lachmann
aufschlägt, nachdem er ihn ans Fenster geführt hat, wo man beim Abendlicht noch zur Not sehen
kann. Da sind seine Peiniger alle versammelt. Sehn Se, da sind sie, so wie er sie sah. Und hörn
Se, Augen hat er gehabt. – Das ist der wahrhaftige böse Blick, aber ’s ist doch ein Blick! das will
ich doch meinen. – – – Ich bin vielleicht nicht so zerstört, als Sie denken, und nicht so trostlos, wie
mancher meint. – Der Tod, sehn Se, weist ins Erhabne hinaus. Sehn Se, da wird man
niedergebeugt. Doch was sich herbeiläßt, uns niederzubeugen, ist herrlich und ungeheuer
zugleich. Das fühlen wir dann, das sehen wir fast, und hörn Se, da wird man aus Leiden – groß. –
– – Was ist mir nicht alles gestorben im Leben! Manch einer, Lachmann, der heute noch lebt.
Warum bluten die Herzen und schlagen zugleich? Das kommt, Lachmann, weil sie lieben müssen.
Das drängt sich zur Einheit überall, und über uns liegt doch der Fluch der Zerstreuung. Wir wollen
uns nichts entgleiten lassen, und alles entgleitet doch, wie es kommt!
LACHMANN: Ich hab‘ das ja auch schon erfahren bereits.
KRAMER: Als Michaline mich weckte die Nacht, da hab‘ ich mich wohl recht erbärmlich gezeigt.
Aber sehn Se, ich hab‘ es da gleich gewußt. – Und wie er dann mußte so liegenbleiben, das waren
die bittersten Stunden für mich. In dieser Stunde, wahrhaftigen Gott, Lachmann! – war das nun
Läuterung oder nicht? –, da hab‘ ich mich selber nicht wiedererkannt. Hörn Se, da hab‘ ich so
bitter gehadert: ich habe das selber von mir nicht gedacht. Ich habe gehöhnt und gewütet zu
Gott. – Hörn Se, wir kennen uns selber nicht. Ich habe gelacht wie ein Fetischist und meinen
Fetisch zur Rede gefordert: Da war mir das doch ein verteufelter Spaß, ein verteufelt
nichtsnutziger Streich, sehn Se, Lachmann! sehr henkerhaft billig und salzlos und schlecht. –
Sehn Se, so war ich. So bäumt‘ ich mich auf. Dann … bis ich ihn dann in der Nähe hier hatte, da
kehrte mir erst die Besinnung zurück. – – So was will einem erst gar nicht in den Kopf. Nun sitzt
es. Nun lebt man schon wieder damit. Nun ist er schon bald zwei Tage dahin. Ich war die Hülse,
dort liegt der Kern. Hätten sie doch die Hülse genommen.
[…]
Michaline führt Liese Bänsch, die einfach und dunkel gekleidet ist, herein. Beide Frauen bleiben
gleich bei der Türe stehn. Liese hält das Taschentuch vor den Mund.
KRAMER: (scheinbar ohne Liese zu bemerken, entzündet ein Streichholz und steckt Lichter an.
Lachmann setzt diese Tätigkeit fort, bis zwei Armleuchter und etwa sechs einzelne Lichter
brennen.) Was haben die Gecken von dem da gewußt: diese Stöcke und Klötze in Mannsgestalt!?
Von dem und von mir und von unsren Schmerzen!? Sie haben ihn mir zu Tode gehetzt.
Erschlagen, Lachmann, wie so’n Hund. Das haben sie, denn das kann ich wohl sagen. – Und
sehn Se; was konnten sie ihm denn tun? Nun also: Tretet doch her, ihr Herrn! Immer seht ihn euch
an und beleidigt ihn! Immer tretet herzu und versucht, ob ihr’s könnt! Hörn Se, Lachmann: Das ist
nun vorbei! – Er nimmt ein seidenes Tuch vom Angesicht des Toten. ’s ist gut, wie er daliegt! ’s ist
gut! ’s ist gut! – Im Scheine der Kerzen gewahrt man in der Nähe des Toten eine Staffelei, auf der
gemalt worden ist. An diese setzt sich nun Kramer. Er fährt fort, unbeirrt, als ob außer ihm und
Lachmann niemand zugegen wäre. Ich habe den Tag über hier gesessen, ich habe gezeichnet, ich
habe gemalt, ich habe auch seine Maske gegossen. Dort liegt sie, dort, in dem seidnen Tuch.
Jetzt gibt er dem Größten der Großen nichts nach.Er deutet auf die Beethovenmaske. Und will
man das festhalten, wird man zum Narren. Was jetzt auf seinem Gesichte liegt, das alles,
Lachmann, hat in ihm gelegen. Das fühlt‘ ich, das wußt‘ ich, das kannt‘ ich in ihm und konnte ihn
doch nicht heben, den Schatz. Sehn Se, nun hat ihn der Tod gehoben. – Nun ist alles voll Klarheit
um ihn her, das geht von ihm aus, von dem Antlitz, Lachmann, und hörn Se, ich buhle um dieses
Licht, wie so’n schwarzer, betrunkner Schmetterling. – Hörn Se, man wird überhaupt so klein: Das
ganze Leben lang war ich sein Schulmeister. Ich habe den Jungen malträtiert, und nun ist er mir
so ins Erhabne gewachsen. – – Ich hab‘ diese Pflanze vielleicht erstickt. Vielleicht hab‘ ich ihm
seine Sonne verstellt: dann war‘ er in meinem Schatten verschmachtet. Aber sehn Se, Lachmann,
er nahm mich nicht an, und wenn ihm vielleicht der Freund gefehlt hat … Ich, Lachmann, durfte
der Freund nicht sein. – Als damals das Mädchen bei mir war, da hab‘ ich … da hab‘ ich mein
Bestes versucht. Doch da kriegte das Böse in ihm Gewalt, und wenn das Böse in ihm Gewalt
kriegte – da tat es ihm wohl, mir wehe zu tun. Reue? Reue kenne ich nicht! Aber ich bin
zusammengeschrumpft. Ich bin ganz erbärmlich vor ihm geworden. Ich sehe zu diesem Jungen
hinauf, als wenn es mein ältester Ahnherr wäre!
KRAMER: (sich erhebend.) Es gibt ja Leute, die ängstlich sind. Ich bin aber doch der Meinung,
Lachmann, man soll sich nicht ängsten in der Welt. Die Liebe, sagt man, ist stark wie der Tod.
Aber kehren Se getrost den Satz mal um: Der Tod ist auch mild wie die Liebe, Lachmann. – – Hörn
Se, der Tod ist verleumdet worden, das ist der ärgste Betrug in der Welt!! Der Tod ist die mildeste
Form des Lebens: der ewigen Liebe Meisterstück. Er öffnet das große Atelierfenster, leise
Abendglocken. – Frostgeschüttelt. Das große Leben sind Fieberschauer, bald kalt, bald heiß. Bald
heiß, bald kalt! – – – Ihr tatet dasselbe dem Gottessohn! Ihr tut es ihm heut wie dazumal! So wie
damals, wird er auch heut nicht sterben! – – Die Glocken sprechen, hören Sie nicht? Sie
erzählen’s hinunter in die Straßen: die Geschichte von mir und meinem Sohn. Und daß keiner von
uns ein Verlorner ist! – Ganz deutlich versteht man’s, Wort für Wort. Heut ist es geschehen, heut
ist der Tag! – Die Glocke ist mehr als die Kirche, Lachmann! Der Ruf zum Tische ist mehr wie das
Brot! – (Die Beethovenmaske fällt ihm in die Augen, er nimmt sie herab. Indem er sie betrachtet,
fährt er fort.) Wo sollen wir landen, wo treiben wir hin? Warum jauchzen wir manchmal ins
Ungewisse? Wir Kleinen, im Ungeheuren verlassen? Als wenn wir wüßten, wohin es geht. So hast
du gejauchzt! – Und was hast du gewußt? – Von irdischen Festen ist es nichts! – Der Himmel der
Pfaffen ist es nicht! Das ist es nicht, und jen’s ist es nicht, aber was … – mit gen Himmel
erhobenen Händen – was wird es wohl sein am Ende???
Stück: Gespenster (moderner Monolog)
Rolle: Oswald
Autor: Henrik Ibsen
Erscheinungsjahr: 1876
OSWALD: (zieht sie wieder nieder) Bleib sitzen, Mutter. Nimm es nur in Ruhe auf. Ich bin auch
nicht so richtig krank; nicht, was man im allgemeinen krank nennt. Schlägt die Hände über dem
Kopf zusammen. Mutter, ich bin geistig gebrochen, – vernichtet, – ich darf nie wieder ans Arbeiten
denken! Birgt hastig das Gesicht in den Händen, wirft sich in Frau Alvings Schoß und bricht in
Schluchzen aus.
FRAU ALVING: (bleich und zitternd) Osvald! Sieh mich mal an! Nein, nein, das ist nicht wahr.
OSWALD: (sieht mit verzweifelten Blicken auf) Nie mehr arbeiten können! Nie – nie mehr! Tot sein
bei lebendigem Leibe! Mutter, kannst Du Dir etwas so Furchtbares denken?
FRAU ALVING: Mein unglücklicher Junge! Wie ist dies Furchtbare über Dich gekommen?
OSWALD: (setzt sich wieder aufrecht) Ja, eben das kann ich absolut nicht fassen und begreifen.
Ich habe niemals ein ausschweifendes Leben geführt. In gar keiner Beziehung. Das darfst Du von
mir nicht glauben, Mutter! Das habe ich nie getan.
FRAU ALVING: Das glaube ich auch nicht, Osvald.
OSWALD: Und doch ist so etwas über mich gekommen! Dieses fürchterliche Unglück!
FRAU ALVING: Ach, das wird sich schon wieder geben, mein lieber Herzensjunge. Es ist nur
Überanstrengung. Das kannst Du mir glauben.
OSWALD: (schwermütig) Das habe ich im Anfang auch geglaubt; aber es ist nicht so.
FRAU ALVING: Erzähl‘ mir alles von A bis Z.
OSWALD: Das will ich auch.
FRAU ALVING: Wann hast Du es zuerst gemerkt?
OSWALD: Gleich nachdem ich das letzte Mal hier gewesen und wieder nach Paris gekommen
war. Es fing damit an, daß ich die wahnsinnigsten Kopfschmerzen bekam, – meistens im
Hinterkopf, wie mir schien. Mir war, als würde mir ein enger Eisenring um den Nacken und nach
oben hinauf geschraubt.
FRAU ALVING: Und weiter?
OSWALD: Zunächst glaubte ich, es wäre nur der gewöhnliche Kopfschmerz, von dem ich in der
Zeit meines Wachstums so sehr geplagt wurde.
FRAU ALVING: Ja, ja –
OSWALD: Aber das war es nicht; das merkte ich bald. Ich konnte nicht mehr arbeiten. Ich wollte
ein neues großes Bild anfangen; aber es war, als ob die Kräfte mich verließen; meine ganze
Energie war wie gelähmt; ich konnte mich nicht zu festen Vorstellungen sammeln; es schwindelte
mir vor den Augen, – alles drehte sich im Kreise. Ach, es war ein entsetzlicher Zustand! Schließlich
habe ich zum Arzt geschickt – und von ihm habe ich Aufschluß erhalten.
FRAU ALVING: Wie meinst Du das?
OSWALD: Es war einer der ersten Ärzte von Paris. Ich mußte ihm beschreiben, was und wie ich
es fühlte; und da fing er denn an, mir eine ganze Reihe Fragen zu stellen, die mit der Sache
scheinbar nichts zu tun hatten; ich begriff nicht, wo der Mann hinaus wollte –
FRAU ALVING: Nun?
OSWALD: Schließlich sagte er: von Geburt an haben Sie was Wurmstichiges an sich gehabt; – er
brauchte genau den Ausdruck: »vermoulu«.
FRAU ALVING: (gespannt) Was meinte er damit?
OSWALD: Ich verstand es auch nicht und bat ihn um eine nähere Erklärung. Und da sagte der
alte Zyniker – Ballt die Faust. Oh –!
FRAU ALVING: Was sagte er?
OSWALD: Er sagte: der Väter Sünden werden heimgesucht an den Kindern.
FRAU ALVING: (steht langsam auf) Der Väter Sünden –!
OSWALD: Ich war versucht, ihm ins Gesicht zu schlagen –
FRAU ALVING: (geht durchs Zimmer) Der Väter Sünden –
OSWALD: (lächelt schwermütig) Ja, was sagst Du dazu? Natürlich versicherte ich ihm, daß von so
etwas gar nicht die Rede sein könne. Aber glaubst Du, daß er sich davon abbringen ließ? Nein; er
blieb dabei; und erst nachdem ich Deine Briefe hervorgeholt und ihm alle die Stellen übersetzt
hatte, die vom Vater handelten –
FRAU ALVING: Da –?
OSWALD: Ja, da mußte er selbstverständlich zugeben, daß er auf falscher Fährte gewesen war;
und dann erfuhr ich die Wahrheit. Die unfaßbare Wahrheit! Jenem seligen, glücklichen
Jugendleben mit den Kameraden hätte ich mich fernhalten müssen. Es hätte meine Kräfte
wesentlich überstiegen. Also selbstverschuldet!
FRAU ALVING: Osvald! Ach nein, glaub‘ das nicht!
OSWALD: Eine andere Erklärung wäre nicht möglich, sagte er. Das ist das Furchtbare.
Rettungslos verloren fürs ganze Leben – durch meine eigene Unbesonnenheit. Was hätte ich nicht
alles auf der Welt vollbringen können, – nicht mal mehr daran denken zu dürfen, – nicht daran
denken zu können. O, könnte ich nur ein neues Leben beginnen, – könnte ich alles ungeschehen
machen! Wirft sich mit dem Gesicht aufs Sofa.
FRAU ALVING: (ringt die Hände und geht in innerem Kampf auf und ab)
OSWALD: (sieht nach einer Weile auf und bleibt, auf den Ellenbogen gestützt, halb liegen) Wenn
es doch nur wenigstens etwas Ererbtes wäre, – etwas, wofür man selbst nichts kann. Aber so! Auf
so schändliche, gedankenlose, leichtsinnige Art sein ganzes Glück, seine ganze Gesundheit, alles,
aber auch alles, – seine Zukunft, sein Leben verwirtschaftet zu haben –!
FRAU ALVING: Nein, nein, mein Herzensjunge! das ist unmöglich! Beugt sich über ihn. Es steht
nicht so verzweifelt um Dich, wie Du glaubst.
OSWALD: Ach, Du weißt nicht –. Springt auf. Und dann, Mutter –, daß ich Dir diese Sorge
machen muß! Manchmal habe ich fast gewünscht und gehofft, Du möchtest mich weniger lieb
haben.
FRAU ALVING: Ich! Osvald, mein einziger Junge! Das Einzige, was ich auf Erden besitze und
habe! Das Einzige, was ich liebe.
OSWALD: (ergreift ihre beiden Hände und küßt sie) Freilich, ich sehe es wohl. Wenn ich zu Hause
bin, so sehe ich es ja. Und das ist mit das Schwerste für mich. – Jetzt weißt Du es also. Und nun
wollen wir für heute nicht mehr davon reden. Ich kann es nicht vertragen, so lange hintereinander
darüber nachzudenken. (Geht durchs Zimmer)
Stück: Kabale und Liebe (klassischer Monolog)
Rolle: Ferdinand
Autor: Friedrich Schiller
Erscheinungsjahr: 1784
FERDINAND: Es ist nicht möglich! nicht möglich! Diese himmlische Hülle versteckt kein
so teuflisches Herz – – Und doch! doch! Wenn alle Engel herunter stiegen, für ihre Unschuld
bürgten – wenn Himmel und Erde, wenn Schöpfung und Schöpfer zusammenträten, für ihre
Unschuld bürgten – es ist ihre Hand – Ein unerhörter, ungeheurer Betrug, wie die Menschheit noch
keinen erlebte! – Das also war’s, warum man sich so beharrlich der Flucht widersetzt! – Darum –
o Gott! jetzt erwach‘ ich, jetzt enthüllt sich mir Alles! – Darum gab man seinen Anspruch auf meine
Liebe mit so viel Heldenmuth auf, und bald, bald hätte selbst mich die himmlische Schminke
betrogen!
(Er stürzt rascher durchs Zimmer, dann steht er wieder nachdenkend still.)
Mich so ganz zu ergründen! – Jedes kühne Gefühl, jede leise schüchterne Bebung zu erwiedern,
jede feurige Wallung – An der feinsten Unbeschreiblichkeit eines schwebenden Lauts meine Seele
zu fassen – Mich zu berechnen in einer Thräne – Auf jeden gähen Gipfel der Leidenschaft mich zu
begleiten, mir zu begegnen vor jedem schwindelnden Absturz – Gott! Gott! und alles Das nichts
als Grimasse? – Grimasse? O, wenn die Lüge eine so haltbare Farbe hat, wie ging es zu, daß sich
kein Teufel noch in das Himmelreich hineinlog?
Da ich ihr die Gefahr unsrer Liebe entdeckte, mit welch überzeugender Täuschung erblaßte die
Falsche da! Mit welch siegender Würde schlug sie den frechen Hohn meines Vaters zu Boden,
und in eben dem Augenblick fühlte das Weib sich doch schuldig! – Was? hielt sie nicht selbst die
Feuerprobe der Wahrheit aus – die Heuchlerin sinkt in Ohnmacht. Welche Sprache wirst du jetzt
führen, Empfindung? Auch Koketten sinken in Ohnmacht. Womit wirst du dich rechtfertigen,
Unschuld? – Auch Metzen sinken in Ohnmacht.
Sie weiß, was sie aus mir gemacht hat. Sie hat meine ganze Seele gesehen. Mein Herz trat beim
Erröthen des ersten Kusses sichtbar in meine Augen – und sie empfand nichts? empfand
vielleicht nur den Triumph ihrer Kunst? – Da mein glücklicher Wahnsinn den ganzen Himmel in ihr
zu umspannen wähnte, meine wildesten Wünsche schwiegen – vor meinem Gemüth stand kein
Gedanke, als die Ewigkeit und das Mädchen – Gott! da empfand sie nichts? fühlte nichts, als
ihren Anschlag gelungen? nichts, als ihre Reize geschmeichelt? Tod und Rache! Nichts! als daß
ich betrogen sei?
Stück: Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung (moderner Monolog)
Rolle: Rattengift
Autor: Christian Dietrich Grabbe
Erscheinungsjahr: 1822
Rattengift allein in seinem Zimmer
RATTENGIFT: (sitzt an einem Tische und will dichten) Ach, die Gedanken! Reime sind da, aber die
Gedanken, die Gedanken! Da sitze ich, trinke Kaffee, kaue Federn, schreibe hin, streiche aus, und
kann keinen Gedanken finden, keinen Gedanken! – Ha, wie ergreife ichs nun? Halt, halt! was geht
mir da für eine Idee auf? – Herrlich! göttlich! eben über den Gedanken, daß ich keinen Gedanken
finden kann, will ich ein Sonett machen, und wahrhaftig dieser Gedanke über die
Gedankenlosigkeit, ist der genialste Gedanke, der mir nur einfallen konnte! Ich mache gleichsam
eben darüber, daß ich nicht zu dichten vermag, ein Gedicht! Wie pikant! wie originell! (Er läuft
schnell vor den Spiegel.) Auf Ehre, ich sehe doch recht genial aus! (Er setzt sich an einen
Tisch.) Nun will ich anfangen! (Er schreibt.)
(Sonett)
Ich saß an meinem Tisch und kaute Federn,
So wie – –
Ja, was in aller Welt sitzt nun so, daß es aussieht wie ich, wenn ich Federn kaue? Wo bekomme
ich hier ein schickliches Bild her? Ich will ans Fenster springen und sehen, ob ich draußen nichts
Ähnliches erblicke! (Er macht das Fenster auf und sieht ins Freie.) Dort sitzt ein Junge und kackt –
Ne, so sieht es nicht aus! – Aber drüben auf der Steinbank sitzt ein zahnloser Bettler und beißt auf
ein Stück hartes Brot – Nein, das wäre zu trivial, zu gewöhnlich! (Er macht das Fenster wieder zu
und geht in der Stube umher.) Hm, hm! fällt mir denn nichts ein? Ich will doch einmal alles
aufzählen, was kauet. Eine Katze kauet, ein Iltis kauet, ein Löwe – Halt! ein Löwe! – Was kauet ein
Löwe? Er kauet entweder ein Schaf, oder einen Ochsen, oder eine Ziege, oder ein Pferd – Halt!
ein Pferd! – Was dem Pferde die Mähne ist, das ist einer Feder die Fahne, also sehen sich beide
ziemlich ähnlich – (jauchzend.) Triumph, da ist ja das Bild! Kühn, neu, calderonisch!
Ich saß an meinem Tisch und kaute Federn,
So wie (indem er hinzuschreibt) der Löwe, eh der Morgen grauet,
Am Pferde, seiner schnellen Feder kauet –
(Er liest diese zwei Zeilen noch einmal laut über und schnalzt mit der Zunge, als ob sie ihm gut
schmeckten.) Nein, nein! So eine Metapher gibt es noch gar nicht! Ich erschrecke vor meiner
eignen poetischen Kraft! (Behaglich eine Tasse Kaffee schlürfend.) Das Pferd eine Löwenfeder!
Und nun das Beiwort »schnell«! Wie treffend! Welche Feder möchte auch wohl schneller sein als
das Pferd? – Auch die Worte »eh der Morgen grauer!« wie echt homerisch! Sie passen zwar
durchaus nicht hieher, aber sie machen das Bild selbstständig, machen es zu einem Epos im
kleinen! – O, ich muß noch einmal vor den Spiegel laufen! (Sich darin betrachtend.) Bei Gott, ein
höchst geniales Gesicht! Zwar ist die Nase etwas kolossal, doch das gehört dazu! Ex ungue
leonem, an der Nase das Genie!
Stück: Richard III (klassischer Monolog)
Rolle: Richard III
Autor: William Shakespeare
Erscheinungsjahr: 1593
RICHARD III:
Seht, was geschehn, steht jetzo nicht zu ändern.
Der Mensch geht manchmal unbedacht zu Werk,
Was ihm die Folge Zeit läßt zu bereun.
Nahm Euren Söhnen ich das Königreich,
So geb ich’s zum Ersatz nun Eurer Tochter.
Bracht‘ ich die Früchte Eures Schoßes um,
Um Eu’r Geschlecht zu mehren, will ich mir
Aus Eurem Blute Leibeserben zeugen.
Großmutter heißen ist kaum minder lieb
Als einer Mutter innig süßer Name.
Sie sind wie Kinder, nur eine Stufe tiefer,
Von Eurer Kraft, von Eurem echten Blut,
Ganz gleicher Müh‘ bis auf eine Nacht des Stöhnens,
Von der geduldet, für die Ihr sie littet.
Plag‘ Eurer Jugend waren Eure Kinder,
Trost Eures Alters sollen meine sein.
Was Ihr verlort, war nur ein Sohn als König,
Dafür wird Eure Tochter Königin.
Ich kann nicht, wie ich wollt‘, Ersatz Euch schaffen,
Drum nehmt, was ich in Güte bieten kann.
Dorset, Eu’r Sohn, der mißvergnügte Schritte
Mit banger Seel‘ auf fremdem Boden lenkt,
Wird durch dies holde Bündnis schleunig heim
Zu großer Würd‘ und hoher Gunst gerufen.
Der König, der die schöne Tochter Gattin nennt,
Wird traulich deinen Dorset Bruder nennen.
Ihr werdet wieder Mutter eines Königs,
Und alle Schäden drangsalvoller Zeiten
Zwiefach ersetzt mit Schätzen neuer Lust.
Ei, wir erleben noch viel wackre Tage!
Die hellen Tränentropfen kommen wieder,
Die ihr vergoßt, in Perlen umgewandelt,
Das Darlehn Euch vergütend, mit den Zinsen
Von zehnfach doppeltem Gewinn des Glücks.
Geh, meine Mutter, geh zu deiner Tochter:
Erfahrung mach‘ ihr schüchtern Alter dreist;
Bereit ihr Ohr auf eines Freiers Lied;
Leg in ihr zartes Herz die kühne Flamme
Der goldnen Hoheit; lehre die Prinzessin
Der Ehefreuden süß verschwiegne Stunden:
Und wenn der Arm hier jenen Zwergrebellen,
Den ungehirnten Buckingham gezüchtigt,
Dann komm ich prangend im Triumpheskranz
Und führ ins Bett des Siegers deine Tochter;
Ihr liefr‘ ich die Erobrung wieder ab,
Und sie sei einzig Sieg’rin, Cäsars Cäsar.
Stück: Nachtasyl (moderner Monolog)
Rolle: Luka
Autor: Maxim Gorki
Erscheinungsjahr: 1902
LUKA: Gut bin ich, sagst du? Na … ’s ist doch recht so, denk ich … ja!
Hinter der roten Wand hört man leisen Gesang und Harmonikaspiel.
Siehst du, Mädel – es muß doch auch einer da sein, der gut ist … Wir sollen Erbarmen haben mit
den Menschen! Christus, siehst du – der hatte Erbarmen mit allen und hat’s auch uns so
befohlen … Zur rechten Zeit Erbarmen haben – glaub mir’s, es ist immer gut! Da war ich zum
Beispiel mal als Wächter in einem Landhaus angestellt, bei einem Ingenieur, nicht weit von der
Stadt Tomsk in Sibirien … Na, schön! Mitten im Walde stand das Landhaus, eine ganz einsame
Gegend … und Winter war’s, und ich war ganz allein in dem Landhaus … Schön war’s dort –
ganz prächtig! Und einmal … hör ich, wie sie näher schleichen!
NATASCHA: Diebe?
LUKA: J. Sie schleichen also näher, und ich nehme meine Büchse und trete ins Freie … Ich sehe:
es sind zwei Mann … eben steigen sie in ein Fenster ein und sind so eifrig bei der Sache, daß sie
mich gar nicht sehen. Ich schrei auf sie los: Heda! … Macht, daß ihr fortkommt … Und sie
stürzen, denkt euch, auf mich mit ’nem Beil los … Ich warne sie – Halt! Ruf ich, sonst geb ich
Feuer! … Und dabei leg ich bald auf den einen, bald auf den andern an. Sie fallen auf die Knie,
das sollte heißen: Verschone uns! Na, ich war mächtig tückisch … wegen des Beils, weißt du! Ihr
Waldteufel, sag ich, ich hab euch fortjagen wollen – und ihr seid nicht gegangen! … Und jetzt, sag
ich, mag mal einer von euch im Busch drüben Ruten holen! Sie tun’s. Und nun befehl ich: Einer
von euch lege sich hin und der andre – mag ihn prügeln! Und so haben sie, auf mein Geheiß, sich
gegenseitig durchgeprügelt. Und wie sie jeder ihre Tracht Prügel weg haben, da sagen sie zu mir:
Großväterchen, sagen sie, gib uns ein Stück Brot, um Christi Willen! Nicht ’nen Bissen haben wir
im Leibe. Das waren nun die Diebe, meine Tochter … (lacht) … die mit ’nem Beil auf mich
losgegangen waren! Ja … ein paar prächtige Jungen waren’s … Ich sage zu ihnen: Ihr Waldteufel,
hättet doch gleich um Brot bitten sollen! Da meinten sie: ’s war uns schon über … man bittet,
bittet und kein Mensch gibt was … Da geht einem die Geduld aus! Na, und so blieben sie also bei
mir, den ganzen Winter. Der eine – Stepan hieß er – nimmt gern mal die Büchse und geht in de
Wald. Und der andre, Jakow mit Namen, war immer krank, hustete immer … Zu dreien, heißt das,
bewachten wir so das Landhaus. Und wie der Frühling kam – da sagten sie: Leb wohl,
Großväterchen! Und machten sich auf … nach Rußland …
NATASCHA: Es waren wohl Sträflinge, die fortgelaufen waren?
LUKA: Ja, das waren sie … Flüchtlinge … hatten ihren Ansiedelungsort verlassen … ein paar
prächtige Jungen … Hätt ich kein Erbarmen mit ihnen gehabt – wer weiß, wie’s gekommen wäre!
Vielleicht hätten sie mich erschlagen … Dann wären sie vor Gericht gekommen und ins Gefängnis
und nach Sibirien zurück … wozu das? Das Gefängnis lehrt dich nichts Gutes, und auch Sibirien
lehrt dich’s nicht … Aber ein Mensch – der kann dich das Gut lehren … sehr einfach!
Stück: Drei Schwestern (moderner Monolog)
Rolle: Werschinin
Autor: Anton Tschechow
Erscheinungsjahr: 1901
WERSCHININ: Ja … (Lacht.) Wie seltsam das doch alles ist! Pause. Als das Feuer ausbrach, lief
ich so rasch als möglich nach Hause; ich komme und sehe – unser Haus ist ganz und außer jeder
Gefahr, aber meine beiden Töchter stehen in leichten Nachtgewändern an der Thürschwelle, die
Mutter ist nicht zu Hause, die Dienstboten rennen hin und her, Pferde und Hunde sind
losgelassen, und auf den Gesichtern der armen Mädchen liegt ein so entsetzter, so banger, so
flehender Ausdruck, was weiß ich; das Herz krampfte sich mir zusammen, als ich diese Gesichter
sah. Mein Gott, dacht‘ ich, was werden diese armen Kinder in ihrem langen Leben noch
durchzumachen haben! Ich nehme sie, eile mit ihnen fort, und habe immer nur den einen
Gedanken: was werden sie noch durchzumachen haben auf dieser Welt? (Pause.) Und dann
komm‘ ich hierher und finde hier ihre Mutter – sie schreit, sie wütet … (Mascha tritt ein, mit dem
Kissen, und setzt sich auf den Divan.) Und wie ich dort meine Mädchen an der Thürschwelle sah,
im bloßen Nachtgewand, und die Straße ganz gerötet war vom Feuer und ringsum alles schrie
und lärmte, da ging es mir durch den Kopf, wie oft wohl ähnliche Scenen damals vor vielen Jahren
passiert sein mögen, wenn der Feind unerwartet ins Land einfiel und sengte und plünderte … Und
da fiel mir so recht der Unterschied auf zwischen einst und jetzt. Und wenn nun noch eine Spanne
Zeit vergeht, sagen wir, zwei-, dreihundert ´Jahre, dann wird man auf unsere heutigen Zustände
mit dem gleichen Gefühl des Schauderns und mit spöttischem Lächeln zurückblicken, und alles,
was uns heut‘ vollendet scheint, wird man dann für plump und unbeholfen, für unpraktisch und
absonderlich halten. O, was für ein herrliches Leben wird das dann sein, was für ein
Leben! (Lacht.) Entschuldigen Sie nur, ich bin wieder ins Philosophieren hineingeraten. Aber
lassen Sie mich weiter reden, Herrschaften, ich bin gerade jetzt in der Stimmung
dazu. (Pause.) Sie scheinen alle recht schläfrig. Ich sage also: was für ein Leben wird das sein!
Machen Sie sich’s doch einmal klar! Jetzt giebt’s in der ganzen Stadt nur drei solche Menschen
wie Sie sind, aber die kommenden Geschlechter werden weit mehr solche Menschen aufzuweisen
haben, immer mehr und mehr, und es wird eine Zeit kommen, da alles nach Ihrem Geschmack
eingerichtet sein wird, alle so leben werden wie Sie – und schließlich wird auch Ihre Art als veraltet
gelten, und es werden Menschen geboren werden, die noch höher stehen als Sie … (Er
lacht.) Heut‘ bin ich wirklich in ganz besonderer Stimmung. Möcht‘ mal so recht über die Stränge
hauen … (Singt.) »Wer mag ohn‘ Liebe sich begehn? Kein Alter kann ihr widerstehn! …« (Lacht.)
Stück: Macbeth (klassischer Monolog)
Rolle: Macbeth
Autor: William Shakespeare
Erscheinungsjahr: 1606
MACBETH:
Ist das ein Dolch, was ich vor mir erblicke,
Der Griff mir zugekehrt? Komm, laß dich packen! –
Ich faß dich nicht, und doch seh ich dich immer.
Bist du, Unglücksgebild, so fühlbar nicht
Der Hand, gleich wie dem Aug? Oder bist du nur
Ein Dolch der Einbildung, ein nichtig Blendwerk,
Das aus dem heiß gequälten Hirn erwächst?
Ich seh dich noch, so greifbar von Gestalt
Wie der, den jetzt ich zücke.
Du gehst mir vor den Weg, den ich will schreiten,
Und eben solche Waffe wollt ich brauchen.
Mein Auge ward der Narr der andern Sinne,
Oder mehr als alle wert. – Ich seh dich stets,
Und dir an Griff und Klinge Tropfen Bluts,
Was erst nicht war. – Es ist nicht wirklich da:
Es ist die blutige Arbeit, die mein Auge
So in die Lehr nimmt. – Auf der halben Erde
Scheint tot Natur jetzt, den verhangnen Schlaf
Quälen Versucherträume; Hexenkunst
Begeht den Dienst der bleichen Hekate,
Und dürrer Mord schreitet gespenstisch nun,
Durch seine Schildwacht aufgeschreckt, den Wolf,
Der ihm das Wachtwort heult, so diebschen Schrittes,
Wie wild entbrannt Tarquin, dem Ziel entgegen.
Du sichere und festgefugte Erde,
Hör meine Schritte nicht, wo sie auch wandeln,
Daß nicht ausschwatzen selber deine Steine
Mein Wohinaus, und von der Stunde nehmen
Den jetzgen stummen Graus, der so ihr ziemt.
Hier droh ich, er lebt dort;
Für heiße Tat zu kalt das müßge Wort!
(Die Glocke wird angeschlagen.)
Ich geh, und ’s ist getan; die Glocke mahnt.
Hör sie nicht, Duncan, ’s ist ein Grabgeläut,
Das dich zu Himmel oder Höll entbeut.
Stück: Onkel Wanja (klassischer Monolog)
Rolle: Astrow
Autor: Anton Tschechow
Erscheinungsjahr: 1898
ASTROW: Ja … in zehn Jahren bin ich wohl ein anderer Mensch geworden. Überarbeitet hab‘ ich
mich, Altchen. Vom frühen Morgen bis in die späte Nacht bin ich auf den Beinen, Ruhe kenn‘ ich
nicht, und wenn ich des Nachts unter meiner Bettdecke liege, schwebe ich beständig in Angst,
dass man mich wieder zu einem Kranken holen könnte. Solange wir uns kennen, hab‘ ich nicht
einen einzigen freien Tag gehabt. Wie soll man da nicht alt werden? Und dann ist dieses Leben
schon an sich so langweilig, so dumm, so schmutzig … anwidern muss es einen. Rings um dich
nichts als Sonderlinge, lauter Sonderlinge; lebt man mit der Gesellschaft zwei, drei Jahre
zusammen, wird man selber zum Sonderling, eh‘ man’s merkt. Das unvermeidliche Los! (Dreht
seinen langen Schnurrbart) Da – wie lang mein Schnurrbart gewachsen ist … was für ein dummer
Schnurrbart! Ja, Altchen, auch ich bin ein Sonderling geworden! … Ganz verdummt bin ich, Gott
sei Dank, noch nicht, das Gehirn ist immer noch auf seinem alten Fleck – aber die Empfindungen
sind sozusagen abgestumpft. Ich habe keinen Wunsch, kein Bedürfnis, und ich liebe
niemanden … Du bist vielleicht die einzige, die ich liebe. (Küßt ihren Kopf) In meiner Kindheit hatte
ich auch eine Kinderfrau – ganz so war sie, wie du bist …
MARINA: Möchtest du vielleicht was essen?
ASTROW: Danke … In den großen Fasten neulich, in der dritten Woche, fuhr ich nach Malizkoje,
wo eine Epidemie herrschte … Flecktyphus war’s … In den Bauernhütten lag ein Kranker neben
dem andern … Alles voll Schmutz, voll Gestank, voll Rauch, Kälber und Ferkel lagen mit
Menschen zusammen auf der Erde … Den ganzen Tag rannt‘ ich hin und her, nicht einen
Augenblick Ruhe, nicht einen Tropfen zur Erfrischung. Dann komm‘ ich nach Hause, will mich
verpusten – ja, läßt man mich denn dazu kommen? Da haben sie mir den Weichensteller ins Haus
gebracht; ich leg‘ ihn auf den Tisch, um eine Operation an ihm vorzunehmen, und was passiert?
Er stirbt mir unter den Händen, in der Narkose! Und wo ich’s gerade am wenigsten brauchen
kann, beginnt das Gefühl sich in mir zu regen. Und ich bekomme Gewissensbisse, als ob ich den
armen Kerl absichtlich getötet hätte … Da saß ich nun, schloß die Augen und dachte so bei mir:
ob wohl nach ein-, zweihundert Jahren die späteren Geschlechter, denen wir jetzt den Weg
bahnen, auch nur ein freundliches Wort der Erinnerung für uns übrig haben werden? Was meinst
du, Altchen?
Stück: Die Orestie – Agamemnon (klassischer Monolog)
Rolle: Wächter
Autor: Aischylos
Erscheinungsjahr: 458 v. Chr. ,Übersetzung: J. G. Droysen
WÄCHTER:
Die Götter bitt ich um Erlösung dieser Mühn
Der langen Jahreswache, die ich, lagernd hier
Im Dach des Atreushauses wie ein Wächterhund,
Der stillen Sterne Nachtverkehr mit angesehn,
Und die den Menschen Winter bringen und Sommerzeit,
Die hellen Führer, funkelnd durch des Äthers Raum.
Und wieder späh ich nach des Flammenzeichens Schein,
Dem Strahl des Feuers, das von Troja Kunde bringt
Und Siegesnachricht; also, denk ich, hat es mir
Geboten meiner Herrin männlich ratend Herz.
Und halt ich so hier meine nachtgestörte Ruh,
Vom Tau durchnäßt, nie mehr von Träumen aufgesucht,
So steht ja statt des Schlafes neben mir die Furcht,
Zufallen könnte gar im Schlaf mein Augenlid.
Und wenn ich ein Lied mir singen oder pfeifen will,
Den besten Schlaftrunk für den Wachestörer Schlaf,
So wein ich seufzend über dieses Hauses Los,
Das nicht, wie sonst wohl, allem Wetter glücklich trotzt.
So käm erwünscht mir meiner Müh Erlösung jetzt,
Erschien‘ des nächtgen, botenfrohen Feuers Schein.
(Auf den Bergen steigt eine Flamme auf)
O sei gegrüßt mir, Licht der Nacht! Taghelle Lust
Weckst du in mir, erweckst in Argos weit und breit
Festchorgesänge, diesem Glück zum Dank geweiht!
Hoiho, hoiho!
Agamemnons Gattin will ich es laut verkündigen,
Daß schnell ihr Lager sie verlasse, im Palast
Den freudenhellsten Jubel diesem Feuerschein
Entgegenjauchze, da die Troerfeste ja
Gefallen ist, wie dort der Schein es hell erzählt!
Dann will ich selbst beim Fest den Vortanz halten; mir
Auch klecken soll’s, daß meiner Herrschaft Würfel jetzt
Gut fiel; die achtzehn Augen bringt mein Spähen mir.
Nun aber will ich meines Fürsten liebe Hand,
Des Heimgekehrten, schütteln hier mit dieser Hand;
Vom andern schweig ich; mir verschließt ein golden Schloß
Den Mund; das Haus selbst, wenn es sprechen könnte, würd
Am besten ihm erzählen; denn der’s weiß, mit dem
Besprech ich gern; für den, der’s nicht weiß, schweig ich gern
Stück: Richard III (klassischer Monolog)
Rolle: Clarence
Autor: William Shakespeare
Erscheinungsjahr: 1593
CLARENCE:
Oh, ich hatt‘ eine jämmerliche Nacht,
Voll banger Träume, scheußlicher Gesichte!
So wahr als ich ein frommer gläub’ger Christ,
Ich brächte nicht noch eine Nacht so zu,
Gält‘ es auch eine Welt beglückter Tage:
So voll von grausem Schrecken war die Zeit.
BRAKENBURY:
Was war Eu’r Traum, Mylord? Ich bitt Euch, sagt mir.
CLARENCE:
Mir deucht‘, ich war entsprungen aus dem Turm
Und eingeschifft, hinüber nach Burgund,
Und mich begleitete mein Bruder Gloster.
Der lockt‘ aus der Kajüte mich, zu gehn
Auf dem Verdeck; von da sahn wir nach England
Und führten tausend schlimme Zeiten an
Vom Kriege zwischen York und Lancaster,
Die uns betroffen. Wie wir schritten so
Auf des Verdeckes schwindlichtem Getäfel,
Schien mir’s, daß Gloster strauchelt‘ und im Fallen
Mich, der ihn halten wollte, über Bord
In das Gewühl der Meereswogen riß.
O Gott! wie qualvoll schien mir’s, zu ertrinken!
Welch grauser Lärm des Wassers mir im Ohr!
Welch scheußlich Todesschauspiel vor den Augen!
Mir deucht‘, ich säh‘ den Graus von tausend Wracken,
Säh‘ tausend Menschen, angenagt von Fischen;
Goldklumpen, große Anker, Perlenhaufen,
Stein‘ ohne Preis, unschätzbare Juwelen,
Zerstreuet alles auf dem Grund der See.
In Schädeln lagen ein’ge; in den Höhlen,
Wo Augen sonst gewohnt, war eingenistet,
Als wie zum Spotte, blinkendes Gestein,
Das buhlte mit der Tiefe schlamm’gem Grund
Und höhnte die Gerippe ringsumher.
BRAKENBURY:
Ihr hattet Muß‘ im Augenblick des Todes,
Der Tiefe Heimlichkeiten auszuspähn?
CLARENCE:
Mir deuchte so, und oft strebt‘ ich den Geist
Schon aufzugeben: doch die neid’sche Flut
Hielt meine Seel‘ und ließ sie nicht heraus,
Die weite, leere, freie Luft zu suchen;
Sie würgte mir sie im beklommnen Leib,
Der fast zerbarst, sie in die See zu spein.
BRAKENBURY:
Erwachtet Ihr nicht von der Todesangst?
CLARENCE:
O nein, mein Traum fuhr nach dem Leben fort:
Oh, da begann erst meiner Seele Sturm!
Mich setzte über die betrübte Flut
Der grimme Fährmann, den die Dichter singen,
In jenes Königreich der ew’gen Nacht.
Zum ersten grüßte da die fremde Seele
Mein Schwiegervater, der berühmte Warwick.
Laut schrie er: „Welche Geißel für Verrat
Verhängt dies düstre Reich dem falschen Clarence?“
Und so verschwand er. Dann vorüber schritt
Ein Schatte wie ein Engel, helles Haar
Mit Blut besudelt, und er schrie laut auf:
„Clarence ist da, der eidvergeßne Clarence,
Der mich im Feld bei Tewkesbury erstach!
Ergreift ihn, Furien! nehmt ihn auf die Folter!“
Somit umfing mich eine Legion
Der argen Feind‘ und heulte mir ins Ohr
So gräßliches Geschrei, daß von dem Lärm
Ich bebend aufwacht‘ und noch längst nachher
Nicht anders glaubt‘, als ich sei in der Hölle:
So schrecklich eingeprägt war mir der Traum.
Stück: Der Bär (klassischer Monolog)
Rolle: Smirnow
Autor: Anton Tschechow
Erscheinungsjahr: 1888
SMIRNOW (nachahmend): Nicht witzig, aber grob! Ich weiß mich nicht in Damengesellschaft zu
betragen! Meine Gnädigste, ich habe in meinem Leben viel mehr Frauen gesehen als Sie
Sperlinge! Dreimal habe ich mich der Frauen wegen duelliert, zwölf Frauen habe ich sitzen lassen,
neun haben mich sitzen lassen! Jawohl! Es gab eine Zeit, wo ich den Narren spielte, Honigworte
lispelte, Kratzfüße, Komplimente machte… Ich liebte, litt, seufzte den Mond an, zerfloß in
Liebesqualen. Ich liebte leidenschaftlich, ich liebte bis zur Raserei, in allen Tonarten, ich
schnatterte wie eine Elster über die Emanzipation, vergeudete infolge dieser zarten Gefühle das
halbe Vermögen, aber jetzt, hol‘ mich der Teufel, ist es genug! Gehorsamster Diener, jetzt lasse ich
mich nicht mehr von Euch an der Nase herumführen. Genug! »Schwarze Augen, leidenschaftliche
Augen, Korallenlippen, Grübchen in den Wangen, Mondenschein, Flüstern, leises, schüchternes
Atmen« — für das alles, meine Gnädige, gebe ich heute auch nicht einen Kupfergroschen! Ich
spreche nicht von den Anwesenden, aber alle Frauen, von der kleinsten bis zur größten, sind
aufgeblasen, heuchlerisch, klatschsüchtig, gehässig, verlogen vom Wirbel bis zur Zehe; eitel,
kleinlich, grausam, von einer empörenden Logik und was das (er schlägt sich auf die Stirn)betrifft,
so, verzeihen Sie mir die Aufrichtigkeit, kann ein Sperling einem x-beliebigen Philosophen im
Unterrock zehn vorgeben! Sieht man ein solch poetisches Geschöpf vor sich, so glaubt man, ein
ätherisches, göttliches Wesen zu erblicken, so wunderschön, ein Hauch und man zerfließt in
tausend Entzückungen und Wonnen — sieht man aber in die Seele — so ist es ein gewöhnliches
Krokodil! (Er greift eine Stuhllehne, der Stuhl kracht und bricht entzwei) Das Empörendste ist aber,
daß dieses Krokodil sich einbildet, es sei ein _Chef-d’oeuvre_, die zarten Gefühle seien sein
alleiniges Monopol. Der Teufel hol’s, hängen Sie mich da an diesem Nagel mit den Füßen nach
oben auf, wenn die Frau außer ihrem Seidenpinsch jemand lieben kann. Wenn sie liebt, versteht
sie bloß, zu jammern oder Tränen zu vergießen. Wo der Mann leidet und Opfer bringt, dort äußert
sich ihre ganze Liebe darin, daß sie mit der Schleppe hin und her dreht und den Mann an der
Nase herumführen will. Sie haben das Unglück, eine Frau zu sein, Sie werden daher die
Frauennatur kennen, sagen Sie mir auf Ehr‘ und Gewissen: haben Sie in Ihrem Leben schon eine
Frau gesehen, die aufrichtig, treu und beständig gewesen wäre? Sie haben sie nicht gesehen!
Treu und beständig sind einzig und allein die Alten und die Mißgestalteten. Sie werden eher einer
gehörnten Katze oder einer weißen Waldschnepfe begegnen als einer treuen Frau!
Stück: Drei Schwestern (moderner Monolog)
Rolle: Tschebutykin
Autor: Anton Tschechow
Erscheinungsjahr: 1901
TSCHEBUTYKIN (finster): Der Teufel soll sie alle holen … Denken, ich bin ein Doctor und versteh‘
mich auf Krankheiten … Und dabei hab‘ ich gar keine Ahnung, hab‘ alles vergessen, was ich
wußte. Nichts weiß ich mehr, nicht das Geringste.
Olga und Natascha entfernen sich, ohne daß er es bemerkt
Der Teufel soll’s holen. Vorige Woche hab‘ ich drüben auf dem Eisenwerk eine Frau kuriert –
natürlich ist sie gestorben, und ich bin schuld daran, daß sie gestorben ist, ja … Vor
fünfundzwanzig Jahren, da wußte ich wohl so Einiges, aber jetzt habe ich nicht ’nen Schimmer
mehr, nicht ’nen blassen Schimmer. Wer weiß, vielleicht bin ich überhaupt kein Mensch, sondern
stell‘ mich nur so, als ob ich Kopf, Arme und Beine hätte; vielleicht existier‘ ich gar nicht, vielleicht
scheint’s nur so, daß ich herumgehe, esse und schlafe.
(Weint) O, wenn ich doch gar nicht existierte!
(Hört auf zu weinen, finster) Weiß der Teufel … Vorgestern unterhielten sie sich im Club; von
Shakespeare und Voltaire redeten sie. Ich hab‘ nicht ’ne Zeile von beiden gelesen, und doch
mußte ich so thun, als ob ich sie gelesen hätte. Und die andern machen es ganz ebenso wie ich.
Wie abgeschmackt! Wie gemein! Und diese Frau, die ich am Mittwoch ins Jenseits befördert habe
– auch die fiel mir ein … Alles, alles fiel mir ein, und es wurde mir so scheußlich, so widerlich, so
katzenjämmerlich zu Mute … Na, und da ging ich hin – und betrank mich …
Irina, Werschinin und Tusenbach treten ein; letzterer trägt einen modernen Civilanzug.
Stück: Was ihr wollt (klassischer Monolog)
Rolle: Malvolio
Autor: William Shakespeare
Erscheinungsjahr: 1602
MALVOLIO: M. O. A. I. Diese Anspielung ist nicht so klar wie die vorige. Und doch, wenn man es
ein wenig handhaben wollte, so würde sichs nach mir bequemen: denn jeder von diesen
Buchstaben ist in meinem Namen. Seht, hier folgt Prosa. – »Wenn dies in deine Hände fällt,
erwäge. Mein Gestirn erhebt mich über dich. Aber sei nicht bange vor der Hoheit. Einige werden
hoch geboren, einige erwerben Hoheit, und einigen wird sie zugeworfen. Dein Schicksal tut dir die
Hand auf: ergreife es mit Leib und Seele. Und um dich an das zu gewöhnen was du Hoffnung hast
zu werden, wirf deine demütige Hülle ab und erscheine verwandelt. Sei widerwärtig gegen einen
Verwandten, mürrisch mit den Bedienten, lass Staatsgespräche von deinen Lippen schallen, lege
dich auf ein Sonderlings-betragen. Das rät dir die so für dich seufzt. Erinnre dich wer deine gelben
Strümpfe lobte und dich beständig mit kreuzweise gebundnen Kniegürteln zu sehen wünschte:
ich sage, erinnre dich! Nur zu! Dein Glück ist gemacht wo du es wünschest. Wo nicht, so bleib nur
immer ein Hausverwalter, der Gefährte von Lakaien und nicht wert Fortunas Hand zu berühren.
Leb wohl. Sie welche die Dienstbarkeit mit dir tauschen möchte, die Glücklich-Unglückselige.«
Das Sonnenlicht ist nicht klarer! Es ist offenbar. Ich will stolz sein. Ich will politische Bücher lesen,
ich will Junker Tobias ablaufen lassen, ich will mich von gemeinen Bekanntschaften säubern. Ich
will aufs Haar der rechte Mann sein. Ich habe mich jetzt nicht selbst zum besten, dass ich mich
etwa von der Einbildung übermannen liesse. Denn aller Sinn hier weist darauf hin dass meine
Herrin mich liebt. Sie lobte neulich meine gelben Strümpfe, sie rühmte meine Kniegürtel. Und hier
gibt sie sich meiner Liebe kund und nötigt mich durch eine Art von Befehl zu diesen Trachten
nach ihrem Geschmack. Ich danke meinen Sternen, ich bin glücklich. Ich will fremd tun, stolz sein,
gelbe Strümpfe tragen und die Kniegürtel kreuzweise binden, so schnell sie sich nur anlegen
lassen. Die Götter und meine Sterne sei’n gepriesen! … Hier ist noch eine Nachschrift. »Du kannst
nicht umhin mich zu erraten. Wenn du meine Liebe begünstigst, so lass es in deinem Lächeln
sichtbar werden. Dein Lächeln steht dir wohl, darum lächle stets in meiner Gegenwart, holder
Liebling, ich bitte dich …« Götter, ich danke euch! Ich will lächeln, ich will alles tun was du
verlangst.
Stück: Der Kirschgarten (moderner Monolog)
Rolle: Trofimow
Autor: Anton Tschechow
Erscheinungsjahr: 1904
TROFIMOW: Sie fürchtet, wir könnten uns ineinander verlieben, und geht uns nicht vom Halse. Ihr
enger Schädel erfaßt es nicht, daß wir über der Liebe stehen. All das Kleinliche, Trügerische
abstreifen, das uns hindert, glücklich zu sein – das ist der Sinn und das Ziel unseres Lebens. Nur
vorwärts! Wir schreiten unaufhaltsam dem hellen Stern entgegen, der dort in der Ferne erglänzt!
Vorwärts! Bleibt nicht zurück, o Freunde!
ANJA (in die Hände klatschend): Wie schön Sie sprechen! Pause. Heut ist es hier ganz herrlich!
TROFIMOW: Ja, ein wundervolles Wetter.
ANJA: Was haben Sie mit mir gemacht, Petja? Wie kommt’s, daß ich den Kirschgarten nicht mehr
so liebe wie früher? Ich liebte ihn so zärtlich, ich war fest davon überzeugt, daß es keinen
schöneren Ort auf Erden gebe, als unseren Garten.
TROFIMOW: Ganz Rußland ist unser Garten.Die Erde ist groß und schön, und es gibt auf ihr gar
viele wundervolle Orte. (Pause) Bedenken Sie, Anja: Ihr Großvater, Ihr Urgroßvater und alle Ihre
Vorfahren waren Sklavenhalter, Gebieter über lebendige Seelen; jede Frucht im Garten, jedes Blatt
am Baum spricht von den menschlichen Wesen, die hier in Knechtschaft gelebt haben. O, dieser
Garten hat etwas Schreckliches, und wenn man des Nachts ihn durchschreitet und die alte Rinde
der Stämme in matten Reflexen erschimmern sieht, dann ist es, als ob diese Kirschbäume
träumten, als ob sie in quälenden Visionen sähen, was hier vor hundert, vor zweihundert Jahren
geschah. Was soll man schon viel Worte machen: wir sind um wenigstens zweihundert Jahre in
der Entwicklung zurück, bei uns ist noch so gut wie nichts geschehen, wir haben noch gar keine
Distanz zu unserer Vergangenheit gewonnen, wir philosophieren nur, klagen über Langeweile oder
trinken Branntwein. Es ist ja doch sonnenklar: um wirklich und lebendig mit der Gegenwart zu
leben, müssen wir erst mit der Vergangenheit abschließen und sie abbüßen, und das können wir
nur durch hartes Leid, durch unermüdliche, anstrengende Arbeit erreichen. Merken Sie sich das,
Anja!
ANJA: Das Haus, in dem wir wohnen, gehört uns längst nicht mehr. Ich werde es verlassen, mein
Wort darauf.
TROFIMOW: Wenn Sie die Schlüssel der Wirtschaft hier führen, dann werfen Sie sie in diesen
Brunnen und gehen Sie auf und davon. Seien Sie frei, wie der Wind der Steppe!
ANJA (entzückt): Wie schön Sie das gesagt haben.
TROFIMOW: Glauben Sie mir, Anja, glauben Sie! Ich zähle noch nicht dreißig, bin noch jung, noch
Student, und habe doch schon so unendlich viel durchgemacht. Hunger und Elend, Krankheit und
Not hab‘ ich ertragen wie nur irgendein Bettler, von Ort zu Ort hat mich das Schicksal gejagt.
Immer jedoch, jeden Augenblick, bei Tag und Nacht, blieb meine Seele von geheimnisvollen
Ahnungen erfüllt: ich ahne das Glück, Anja – ja, ich sehe es schon …
Stück: Faust – Teil 1 (klassischer Monolog)
Rolle: Faust
Autor: Goethe
Erscheinungsjahr: 1808
FAUST:
Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerei und Medizin,
Und leider auch Theologie
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor;
Heiße Magister, heiße Doktor gar
Und ziehe schon an die zehen Jahr
Herauf, herab und quer und krumm
Meine Schüler an der Nase herum –
Und sehe, daß wir nichts wissen können!
Das will mir schier das Herz verbrennen.
Zwar bin ich gescheiter als all die Laffen,
Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen;
Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel,
Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel –
Dafür ist mir auch alle Freud entrissen,
Bilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen,
Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren,
Die Menschen zu bessern und zu bekehren.
Auch hab ich weder Gut noch Geld,
Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt;
Es möchte kein Hund so länger leben!
Drum hab ich mich der Magie ergeben,
Ob mir durch Geistes Kraft und Mund
Nicht manch Geheimnis würde kund;
Daß ich nicht mehr mit saurem Schweiß
Zu sagen brauche, was ich nicht weiß;
Daß ich erkenne, was die Welt
Im Innersten zusammenhält,
Schau alle Wirkenskraft und Samen,
Und tu nicht mehr in Worten kramen.
O sähst du, voller Mondenschein,
Zum letzenmal auf meine Pein,
Den ich so manche Mitternacht
An diesem Pult herangewacht:
Dann über Büchern und Papier,
Trübsel’ger Freund, erschienst du mir!
Ach! könnt ich doch auf Bergeshöhn
In deinem lieben Lichte gehn,
Um Bergeshöhle mit Geistern schweben,
Auf Wiesen in deinem Dämmer weben,
Von allem Wissensqualm entladen,
In deinem Tau gesund mich baden!
Weh! steck ich in dem Kerker noch?
Verfluchtes dumpfes Mauerloch,
Wo selbst das liebe Himmelslicht
Trüb durch gemalte Scheiben bricht!
Beschränkt mit diesem Bücherhauf,
den Würme nagen, Staub bedeckt,
Den bis ans hohe Gewölb hinauf
Ein angeraucht Papier umsteckt;
Mit Gläsern, Büchsen rings umstellt,
Mit Instrumenten vollgepfropft,
Urväter Hausrat drein gestopft –
Das ist deine Welt! das heißt eine Welt!
Und fragst du noch, warum dein Herz
Sich bang in deinem Busen klemmt?
Warum ein unerklärter Schmerz
Dir alle Lebensregung hemmt?
Statt der lebendigen Natur,
Da Gott die Menschen schuf hinein,
Umgibt in Rauch und Moder nur
Dich Tiergeripp und Totenbein.
Flieh! auf! hinaus ins weite Land!
Und dies geheimnisvolle Buch,
Von Nostradamus‘ eigner Hand,
Ist dir es nicht Geleit genug?
Erkennest dann der Sterne Lauf,
Und wenn Natur dich Unterweist,
Dann geht die Seelenkraft dir auf,
Wie spricht ein Geist zum andren Geist.
Umsonst, daß trocknes Sinnen hier
Die heil’gen Zeichen dir erklärt:
Ihr schwebt, ihr Geister, neben mir;
Antwortet mir, wenn ihr mich hört!
Er schlägt das Buch auf und erblickt das Zeichen des Makrokosmus.
Stück: Der Heiratsantrag (klassischer Monolog)
Rolle: Lomow
Autor: Anton Tschechow
Erscheinungsjahr: 1890
LOMOW: Mir ist kalt… Ich zittere am ganzen Leibe, wie vor dem Examen. Die Hauptsache ist,
man muß sich entschließen. Wenn man lange bedenkt, schwankt, viel spricht, auf ein Ideal oder
auf die echte Liebe wartet, verheiratet man sich niemals. Brrr!… Es ist kalt! Natalia Stepanowna ist
eine vorzügliche Wirtin, ist auch nicht übel, ist gebildet … was brauche ich denn noch? Es rauscht
mir vor Aufregung in den Ohren.
(Er trinkt Wasser.)
Und nicht heiraten, das geht nicht… Erstens bin ich schon fünfunddreißig Jahre alt — ein kritisches
Alter, sozusagen. Zweitens bedarf ich eines geordneten, regelmäßigen Lebens… Ich habe einen
Herzfehler, beständiges Herzklopfen, ich bin empfindlich und gerate immer in furchtbare
Aufregung. Sofort zittern mir die Lippen und auf der rechten Schläfe zuckt der Puls… Aber das
Allerschrecklichste ist der Schlaf. Kaum habe ich mich ins Bett gelegt und beginne
einzuschlummern, da zerrt und zupft plötzlich etwas an der linken Seite! und just in der Schulter
und im Kopf hämmert etwas… Ich springe wie ein Verrückter auf, gehe eine Weile umher, dann
lege ich mich wieder, aber kaum bin ich ein wenig eingeschlafen, habe ich wieder einen Krampf
an der Seite! Und so geht es an die zwanzig Mal…
(Natalia Stepanowna kommt von rechts)
Stück: Der Kirschgarten (moderner Monolog)
Rolle: Lopachin
Autor: Anton Tschechow
Erscheinungsjahr: 1904
LOPACHIN: Ich hab‘ ihn gekauft, ja … Entschuldigen Sie, Herrschaften … Das Reden fällt mir
schwer, ich bin ein bißchen benommen (Lacht) Wir kommen also zum Termin, Deriganow ist auch
schon da. Leonid Andreïtsch hatte nur fünfzehntausend Rubel, Deriganow aber bot gleich
dreißigtausend mehr, als die Schuld beträgt. Ich sehen, die Sache kann schiefgehen, und sage
vierzigtausend. Er bietet fünfundvierzig, ich fünfundfünfzig, und so legt er immer fünf zu und ich
zehn … Na, schließlich kam das Ende, ich bot neunzig über die Schuldsumme und erhielt den
Zuschlag. Der Kirschgarten ist jetzt mein! Mein! Lacht laut. Mein Gott und Herr, der Kirschgarten
ist mein! So sagt mir doch, ich sei betrunken, ich sei verrückt, ich träume das alles nur! (Stampft
mit den Füßen auf) Lacht nicht über mich! Mein Vater und Großvater müßten jetzt aus dem Grabe
aufstehen, müßten sich’s ansehen, wie ihr Jermolaj, der soviel Prügel bekommen hat, der kaum
lesen und schreiben kann, der im Winter barfuß gelaufen ist, wie dieser selbe Jermolaj sich das
schönste Gut gekauft hat, das auf Gottes Erdboden existiert. Dasselbe Gut hab‘ ich gekauft, auf
dem mein Vater und Großvater leibeigene Knechte waren, die nicht mal die herrschaftliche Küche
betreten durften. Es kann ja nicht sein … ich schlafe wohl, ich sehe das alles nur im Traum … Eine
Frucht meiner Einbildung ist’s nur, nichts weiter … (Hebt die Schlüssel auf, gerührt lächelnd) Da
hat sie nun die Schlüssel hingeworfen … will zeigen, daß sie hier nicht mehr die Wirtschaft führt
… (Läßt den Schlüsselbund erklirren) Nun, meinetwegen. (Man hört das Orchester die Instrumente
stimmen) Heda, Musikanten, spielt auf! Ich will euch hören! Kommt alle her und seht zu, wie
Jermolai Lopachin mit der Axt durch den Kirschgarten fährt, wie die Bäume zu Boden stürzen!
Sommerhäuschen wollen wir hier errichten, unsere Enkel und Urenkel werden hier ein neues
Leben schauen … Heda, Musik!
Stück: Die Räuber (klassischer Monolog)
Rolle: Franz von Moor
Autor: Friedrich Schiller
Erscheinungsjahr: 1782
FRANZ VON MOOR: (mit Lachen ihm nachsehend)
Tröste dich, Alter! du wirst ihn nimmer an diese Brust drücken; der Weg dazu ist ihm verrammelt,
wie der Himmel der Hölle – Er war aus deinen Armen gerissen, ehe du wußtest, daß du es wollen
könntest – Da müßt‘ ich ein erbärmlicher Stümper sein, wenn ich’s nicht einmal so weit gebracht
hätte, einen Sohn vom Herzen des Vaters loszulösen, und wenn er mit ehernen Banden daran
geklammert wäre – Ich hab‘ einen magischen Kreis von Flüchen um dich gezogen, den er nicht
überspringen soll – Glück zu, Franz! weg ist das Schooßkind – der Wald ist heller. Ich muß diese
Papiere vollends aufheben, wie leicht könnte Jemand meine Handschrift kennen? (Er liest die
zerrissenen Briefstücke zusammen.) Und Gram wird auch den Alten bald fortschaffen, – und ihr
muß ich diesen Karl aus dem Herzen reißen, wenn auch ihr halbes Leben dran hängen bleiben
sollte.
Ich habe große Rechte, über die Natur ungehalten zu sein, und bei meiner Ehre, ich will sie
geltend machen. – Warum bin ich nicht der Erste aus Mutterleib gekrochen? warum nicht der
Einzige? Warum mußte sie mir diese Bürde von Häßlichkeit aufladen? gerade mir? Nicht anders,
als ob sie bei meiner Geburt einen Rest gesetzt hätte. Warum gerade mir die Lappländersnase?
gerade mir dieses Mohrenmaul? diese Hottentottenaugen? Wirklich, ich glaube, sie hat von allen
Menschensorten das Scheußliche auf einen Haufen geworfen und mich daraus gebacken. Mord
und Tod! Wer hat ihr die Vollmacht gegeben, jenem dieses zu verleihen und mir vorzuenthalten?
Könnte ihr Jemand darum hofieren, eh er entstund? oder sie beleidigen, eh er selbst wurde?
Warum ging sie so parteilich zu Werke?
Nein! nein! ich thu‘ ihr Unrecht. Gab sie uns doch Erfindungsgeist mit, setzte uns nackt und
armselig ans Ufer dieses großen Oceans Welt – Schwimme, wer schwimmen kann, und wer zu
plump ist, geh unter! Sie gab mir nichts mit; wozu ich mich machen will, das ist nun meine Sache.
Jeder hat gleiches Recht zum Größten und Kleinsten; Anspruch wird an Anspruch, Trieb an Trieb
und Kraft an Kraft zernichtet. Das Recht wohnet beim Überwältiger, und die Schranken unserer
Kraft sind unsere Gesetze.
Wohl gibt es gewisse gemeinschaftliche Pacta, die man geschlossen hat, die Pulse des
Weltzirkels zu treiben. Ehrlicher Name! – wahrhaftig eine reichhaltige Münze, mit der sich
meisterlich schachern läßt, wer’s versteht, sie gut auszugeben. Gewissen – o ja, freilich! ein
tüchtiger Lumpenmann, Sperlinge von Kirschbäumen wegzuschrecken! – auch das ein gut
geschriebener Wechselbrief, mit dem auch der Bankerottierer zur Noth noch hinauslangt.
In der That sehr lobenswürdige Anstalten, die Narren im Respect und den Pöbel unter dem
Pantoffel zu halten, damit die Gescheidten es desto bequemer haben. Ohne Anstand, recht
schnakische Anstalten! Kommen mir vor wie die Hecken, die meine Bauern gar schlau um ihre
Felder herumführen, daß ja kein Hase drüber setzt, ja beileibe kein Hase! – Aber der gnädige Herr
gibt seinem Rappen den Sporn und galoppiert weich über der weiland Ernte.
Armer Hase! Es ist doch eine jämmerliche Rolle, der Hase sein zu müssen auf dieser Welt – Aber
der gnädige Herr braucht Hasen!
Also frisch drüber hinweg! Wer nichts fürchtet, ist nicht weniger mächtig, als Der, den Alles
fürchtet. Es ist jetzt Mode, Schnallen an den Beinkleidern zu tragen, womit man sie nach Belieben
weiter und enger schnürt. Wir wollen uns ein Gewissen nach der neuesten Fa çon anmessen
lassen, um es hübsch weiter aufzuschnallen, wie wir zulegen. Was können wir dafür? Geht zum
Schneider! Ich habe Langes und Breites von einer sogenannten Blutliebe schwatzen gehört, das
einem ordentlichen Hausmann den Kopf heiß machen könnte – Das ist dein Bruder! – das ist
verdolmetscht: er ist aus eben dem Ofen geschossen worden, aus dem du geschossen bist – also
sei er dir heilig! – Merkt doch einmal diese verzwickte Consequenz, diesen possierlichen Schluß
von der Nachbarschaft der Leiber auf die Harmonie der Geister, von eben derselben Heimath zu
eben derselben Empfindung, von einerlei Kost zu einerlei Neigung. Aber weiter – es ist dein Vater!
er hat dir das Leben gegeben, du bist sein Fleisch, sein Blut – also sei er dir heilig! Wiederum eine
schlaue Consequenz! Ich möchte doch fragen, warum hat er mich gemacht? doch wohl nicht gar
aus Liebe zu mir, der erst ein Ich werden sollte? Hat er mich gekannt, ehe er mich machte? Oder
hat er mich gedacht, wie er mich machte? Oder hat er mich gewünscht, da er mich machte?
Wußte er, was ich werden würde? Das wollt‘ ich ihm nicht rathen, sonst möcht‘ ich ihn dafür
strafen, daß er mich doch gemacht hat! Kann ich’s ihm Dank wissen, daß ich ein Mann wurde? So
wenig, als ich ihn verklagen könnte, wenn er ein Weib aus mir gemacht hätte. Kann ich eine Liebe
erkennen, die sich nicht auf Achtung gegen mein Selbst gründet? Konnte Achtung gegen mein
Selbst vorhanden sein, das erst dadurch entstehen sollte, davon es die Voraussetzung sein muß?
Wo steckt denn nun das Heilige? Etwa im Actus selber, durch den ich entstund? – Als wenn
dieser etwas mehr wäre, als viehischer Proceß zur Stillung viehischer Begierden? Oder steckt es
vielleicht im Resultat dieses Actus, das doch nichts ist, als eiserne Nothwendigkeit, die man so
gern wegwünschte, wenn’s nicht auf Unkosten von Fleisch und Blut geschehen müßte? Soll ich
ihm etwa darum gute Worte geben, daß er mich liebt? Das ist eine Eitelkeit von ihm, die
Schooßsünde aller Künstler, die sich in ihrem Werk kokettieren, wär‘ es auch noch so häßlich. –
Sehet also, das ist die ganze Hexerei, die ihr in einen heiligen Nebel verschleiert, unsre
Furchtsamkeit zu mißbrauchen. Soll auch ich mich dadurch gängeln lassen, wie einen Knaben?
Frisch also! muthig ans Werk! – Ich will Alles um mich her ausrotten, was mich einschränkt, daß
ich nicht Herr bin. Herr muß ich sein, daß ich das mit Gewalt ertrotze, wozu mir die
Liebenswürdigkeit gebricht. (Ab.)
Stück: Die Orestie – Die Eumeniden (klassischer Monolog)
Rolle: Orestes
Autor: Aischylos
Erscheinungsjahr: 458 v. Chr.,Übersetzung: J. G. Droysen
ORESTES:
Herrin Athene, aus dem letzten, was du sprachst,
Laß mich zuerst fortwischen eine große Sorg.
Nicht schuldbefleckt mehr sitz ich hier, nicht haftet Blut
An dieser Hand mehr, die an deinem Bilde lehnt;
Ein großes Zeugnis dessen will ich kund dir tun:
Brauch ist’s, daß stumm bleibt, wer die Hand in Blut getaucht,
Bis daß ein andrer, ihn der Schuld zu reinigen,
Ein saugend Tier ihm opfertötend bluten läßt;
Und so gesühnet ward in fremden Häusern ich
Bereits mit blutgem Opfer und mit heilgem Guß.
So scheuch ich diese Frage fort aus deinem Sinn.
Nun meine Heimat höre noch und mein Geschlecht:
Aus Argos bin ich, meinen Vater kennst du wohl,
Agamemnon, jener Seegeschwader König einst,
Mit dem du Trojas stolze Feste niederwarfst;
Bei seiner Heimkehr aber kam er traurig um,
Denn meine Mutter, die verderbensinnende,
Hat ihn erschlagen unter buntgewirktem Netz,
Drin sie ihn einfing; Mordes Zeuge war das Bad.
Drauf als ich heimkam, denn zuvor war ich verbannt,
Erschlug ich, die mich geboren, leugnen will ich’s nicht,
Des teuren Vaters Mord mit Mord zu züchtigen.
Und alles dessen trägt Apollon mit die Schuld,
Der herzzergeißelnd Leiden mir verkündete,
Wenn ich es nicht vollbrächte an den Schuldigen.
Du woll entscheiden, ob gerecht ich oder nicht;
In deine Hand geb ich mich ganz; du richte mich!
Stück: Richard III (klassischer Monolog)
Rolle: Herzog von Gloster (nachmals König Richard III)
Autor: William Shakespeare
Erscheinungsjahr: 1593
GLOSTER:
Nun ward der Winter unsers Mißvergnügens
Glorreicher Sommer durch die Sonne Yorks;
Die Wolken all, die unser Haus bedräut,
Sind in des Weltmeers tiefem Schoß begraben.
Nun zieren unsre Brauen Siegeskränze,
Die schart’gen Waffen hängen als Trophä’n;
Aus rauhem Feldlärm wurden muntre Feste,
Aus furchtbarn Märschen holde Tanzmusiken.
Der grimm’ge Krieg hat seine Stirn entrunzelt,
Und statt zu reiten das geharn’schte Roß,
Um drohnder Gegner Seelen zu erschrecken,
Hüpft er behend in einer Dame Zimmer
Nach üppigem Gefallen einer Laute.
Doch ich, zu Possenspielen nicht gemacht,
Noch um zu buhlen mit verliebten Spiegeln;
Ich, roh geprägt, entblößt von Liebesmajestät
Vor leicht sich dreh’nden Nymphen mich zu brüsten;
Ich, um dies schöne Ebenmaß verkürzt,
Von der Natur um Bildung falsch betrogen,
Entstellt, verwahrlost, vor der Zeit gesandt
In diese Welt des Atmens, halb kaum fertig
Gemacht, und zwar so lahm und ungeziemend,
Daß Hunde bellen, hink ich wo vorbei;
Ich nun, in dieser schlaffen Friedenszeit,
Weiß keine Lust, die Zeit mir zu vertreiben,
Als meinen Schatten in der Sonne spähn
Und meine eigne Mißgestalt erörtern;
Und darum, weil ich nicht als ein Verliebter
Kann kürzen diese fein beredten Tage,
Bin ich gewillt, ein Bösewicht zu werden
Und feind den eitlen Freuden dieser Tage.
Anschläge macht‘ ich, schlimme Einleitungen,
Durch trunkne Weissagungen, Schriften, Träume,
Um meinen Bruder Clarence und den König
In Todfeindschaft einander zu verhetzen.
Und ist nur König Eduard treu und echt,
Wie ich verschmitzt, falsch und verräterisch,
So muß heut Clarence eng verhaftet werden,
Für eine Weissagung, die sagt, daß G
Den Erben Eduards nach dem Leben steh‘.
Taucht unter, ihr Gedanken! Clarence kommt.
(Clarence kommt mit Wache und Brakenbury.)
Stück: Faust – Teil 1 (klassischer Monolog)
Rolle: Mephistopheles
Autor: Goethe
Erscheinungsjahr: 1808
MEPHISTOPHELES:
Wie hättst du, armer Erdensohn
Dein Leben ohne mich geführt?
Vom Kribskrabs der Imagination
Hab ich dich doch auf Zeiten lang kuriert;
Und wär ich nicht, so wärst du schon
Von diesem Erdball abspaziert.
Was hast du da in Höhlen, Felsenritzen
Dich wie ein Schuhu zu versitzen?
Was schlurfst aus dumpfem Moos und triefendem Gestein
Wie eine Kröte Nahrung ein?
Ein schöner, süßer Zeitvertreib!
Dir steckt der Doktor noch im Leib.
FAUST:
Verstehst du, was für neue Lebenskraft
Mir dieser Wandel in der Öde schafft?
Ja, würdest du es ahnen können,
Du wärest Teufel gnug, mein Glück mir nicht zu gönnen.
MEPHISTOPHELES:
Ein überirdisches Vergnügen.
In Nacht und Tau auf den Gebirgen liegen
Und Erd und Himmel wonniglich umfassen,
Zu einer Gottheit sich aufschwellen lassen,
Der Erde Mark mit Ahnungsdrang durchwühlen,
Alle sechs Tagewerk im Busen fühlen,
In stolzer Kraft ich weiß nicht was genießen,
Bald liebewonniglich in alles überfließen,
Verschwunden ganz der Erdensohn,
Und dann die hohe Intuition – (mit einer Gebärde)
Ich darf nicht sagen, wie – zu schließen.
FAUST:
Pfui über dich!
MEPHISTOPHELES:
Das will Euch nicht behagen;
Ihr habt das Recht, gesittet pfui zu sagen.
Man darf das nicht vor keuschen Ohren nennen,
Was keusche Herzen nicht entbehren können.
Und kurz und gut, ich gönn Ihm das Vergnügen,
Gelegentlich sich etwas vorzulügen;
Doch lange hält Er das nicht aus.
Du bist schon wieder abgetrieben
Und, währt es länger, aufgerieben
In Tollheit oder Angst und Graus.
Genug damit! Dein Liebchen sitzt dadrinne,
Und alles wird ihr eng und trüb.
Du kommst ihr gar nicht aus dem Sinne,
Sie hat dich übermächtig lieb.
Erst kam deine Liebeswut übergeflossen,
Wie vom geschmolznen Schnee ein Bächlein übersteigt;
Du hast sie ihr ins Herz gegossen,
Nun ist dein Bächlein wieder seicht.
Mich dünkt, anstatt in Wäldern zu thronen,
Ließ‘ es dem großen Herren gut,
Das arme affenjunge Blut
Für seine Liebe zu belohnen.
Die Zeit wird ihr erbärmlich lang;
Sie steht am Fenster, sieht die Wolken ziehn
Über die alte Stadtmauer hin.
»Wenn ich ein Vöglein wär!« so geht ihr Gesang
Tage lang, halbe Nächte lang.
Einmal ist sie munter, meist betrübt,
Einmal recht ausgeweint,
Dann wieder ruhig, wie’s scheint,
Und immer verliebt.
Stück: Nachtasyl (moderner Monolog)
Rolle: Pepel
Autor: Maxim Gorki
Erscheinungsjahr: 1902
PEPEL: (in entschlossenem Ton) Hör mal, Natascha … ich möchte mit dir reden … In seinem
Beisein … er weiß alles … Komm … mit mir!
NATASCHA: Wohin? Ins Gefängnis?
PEPEL: Ich hab dir schon gesagt, daß ich aufhören will mit dem Stehlen! Bei Gott – ich laß es!
Wenn ich’s gesagt habe, halt ich Wort! Ich hab Lesen und Schreiben gelernt … kann mich redlich
ernähren … (Mit einer Kopfbewegung nach Luka) Er hat mir geraten – ich sollt’s in Sibirien
versuchen … freiwillig sollt ich hingehen … Was meinst du – wollen wir hin? Glaub mir, ich habe
mein Leben längst satt! Ach, Natascha! Ich seh doch, wie die Dinge liegen … Ich such mich damit
zu trösten, daß andere noch mehr stehlen als ich – und dabei in Ehren leben … Aber was hilft mir
das? Gar nichts? Reue verspür ich nicht … glaub auch an kein Gewissen … Eins aber fühl ich: ich
muß anders leben! Besser muß ich leben! So muß ich leben … daß ich mich selber achten
kann …
LUKA: Ganz recht, mein Lieber! Der Herr sei mit dir … Christus mag dir helfen! Ganz richtig sagst
du: Der Mensch muß sich selber achten …
PEPEL: Ich war schon von klein auf nur – der Dieb … Immer hieß es: Wasjka der Dieb, Wasjka,
der Spitzbubenjunge! Gut, mir kann’s recht sein; weil ihr’s so wolltet, bin ich ein Dieb geworden …
Nur ihnen zum Possen bin ich’s vielleicht geworden … weil nie jemand darauf kam, mich anders
zu nennen als … Dieb! … Nenn du mich anders, Natascha … nun?
NATASCHA: (schwermütig) Ich trau nicht recht … Worte sind Worte … Und dann … ich weiß
nicht … ich bin heut so unruhig … so bange ist mir ums Herz … als ob ich etwas erwartete!
Hättest heut nicht davon anfangen sollen, Wassilij …
PEPEL: Wann denn sonst? Ich sage dir’s nicht zum erstenmal …
NATASCHA: Wie soll ich denn mit dir gehen? Ich liebe dich ja … nicht so … Manchmal gefällst du
mir wohl … aber ’s kommt auch vor, daß es mir zuwider ist, dich nur anzusehen. Jedenfalls – lieb
ich dich nicht … Wenn man liebt, sieht man keine Fehler am Geliebten … und ich seh doch
welche an dir …
PEPEL: Wirst mich schon liebgewinnen, hab keine Angst! Wirst dich an mich gewöhnen … sag
nur erst »ja!« Länger als ein Jahr hab ich dir zugeschaut, und ich sehe, du bist ein braves
Mädchen, … ein guter, treuer Mensch … von Herzen hab ich dich liebgewonnen!
Wassilissa, noch im ausgehkleide, erscheint am oberen Fenster; sie drückt sich gegen den Pfosten
und lauscht.
NATASCHA: So … mich hast du liebgewonnen, und meine Schwester …
PEPEL: verlegen: Was ich mich aus der mache! Die Sorte ist nicht weit her …
LUKA: Hat nichts zu sagen, meine Tochter! Man ißt auch mal Gartenmelde … wenn man nämlich
kein Brot hat …
PEPEL: (düster) Hab Erbarmen mit mir! ’s ist kein leichtes Leben, das ich führe – so freudlos,
gehetzt wie ein Wolf … Wenn ich im Moor versänke … wonach ich fasse, alles verfault … nichts
gibt mir Halt … Deine Schwester, dacht ich, würde anders sein … wäre sie nicht so geldgierig –
ich hätte um sie … alles gewagt! Wenn sie nur zu mir gehalten hätte – ganz und gar zu mir … Na,
ihr Herz steht eben nach anderem … ihr ist’s ums Geld zu tun … und um die Freiheit … und nach
Freiheit begehrt sie nur, um liederlich sein zu können. Die kann mir nicht helfen … Du aber – bist
wie eine junge Tanne: du stichst wohl, aber du gibt’s Halt …
LUKA: Und ich sage dir: Nimm ihn, meine Tochter, nimm ihn! Er ist ’n herzensguter Junge ! Mußt
ihn nur öfter daran erinnern, daß er gut ist … damit er’s nicht vergißt, heißt das! Er wird dir’s
schon glauben! … Sag ihm nur immer: »Wassja«, sag, »du bist ein guter Mensch … vergiß das
nicht!« Überleg doch mal, meine Liebe – was sollst du sonst anfangen? Deine Schwester – die ist
ein böses Tier; von ihrem Manne läßt sich auch nicht Gutes sagen: keine Worte gibt’s, seine
Schlechtigkeit zu benennen … und dieses ganze Leben hier … wo findest du ’nen Weg … hier
heraus? Der Wasja aber … ist ein kräftiger Bursche …
NATASCHA: Einen Weg find ich nicht … das weiß ich … hab’s schon selbst überlegt … Aber
ich … trau halt keinem … Ich seh keinen Weg hier heraus …
PEPEL: Einen Weg gibt’s wohl … aber den laß ich dich nicht gehen … Eher schlag ich dich tot …
NATASCHA: (lächelnd) Sieh doch … ich bin noch nicht mal deine Frau, und schon willst du mich
totschlagen!
PEPEL: (legt seinen Arm um sie) Sag »ja«, Natascha, ’s wird schon werden…
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Stück: Ein Sommernachtstraum (klassischer Monolog)
Rolle: Zettel
Autor: William Shakespeare
Erscheinungsjahr: 1605
ZETTEL: (wacht auf) Wenn mein Stichwort kommt, ruft mich, und ich will antworten. Mein
nächstes ist: «O schönster Pyramus!» – He! holla! – Peter Squenz! Flaut, der Bälgenflicker!
Schnauz, der Kesselflicker! Schlucker! – Sapperment! Alle davongelaufen und lassen mich hier
schlafen! – Ich habe ein äußerst rares Gesicht gehabt. Ich hatte ’nen Traum – ’s geht über
Menschenwitz, zu sagen, was es für ein Traum war. Der Mensch ist nur ein Esel, wenn er sich
einfallen läßt, diesen Traum auszulegen. Mir war, als wär ich – kein Menschenkind kann sagen,
was. Mir war, als wär ich, und mir war, als hätt ich – aber der Mensch ist nur ein lumpiger
Hanswurst, wenn er sich unterfängt zu sagen, was mir war, als hätt ichs; des Menschen Auge
hat’s nicht gehört, des Menschen Ohr hats nicht gesehen, des Menschen Hand kann’s nicht
schmecken, seine Zunge kanns nicht begreifen und sein Herz nicht wieder sagen, was mein
Traum war. – Ich will den Peter Squenz dazukriegen, mir von diesem Traum eine Ballade zu
schreiben; sie soll Zettels Traum heißen, weil sie so seltsam angezettelt ist, und ich will sie gegen
das Ende des Stücks vor dem Herzoge singen. Vielleicht, um sie noch anmutiger zu machen,
werde ich sie nach dem Tode singen. (Ab.)
Stück: Frühlings Erwachen (moderner Monolog)
Rolle: Moritz Stiefel
Autor: Frank Wedekind
Erscheinungsjahr: 1906
Moritz allein
Abenddämmerung. Der Himmel ist leicht bewölkt, der Weg schlängelt sich durch niedres Gebüsch
und Riedgras. In einiger Entfernung hört man den Fluß rauschen.
MORITZ: Besser ist besser. – Ich passe nicht hinein. Mögen sie einander auf die Köpfe steigen. –
Ich ziehe die Tür hinter mir zu und trete ins Freie. – Ich gebe nicht so viel darum, mich
herumdrücken zu lassen.
Ich habe mich nicht aufgedrängt. Was soll ich mich jetzt aufdrängen! – Ich habe keinen Vertrag mit
dem lieben Gott. Mag man die Sache drehen, wie man sie drehen will. Man hat mich gepreßt. –
Meine Eltern mache ich nicht verantwortlich. Immerhin mußten sie auf das Schlimmste gefaßt
sein. Sie waren alt genug, um zu wissen, was sie taten. Ich war ein Säugling, als ich zur Welt kam
– sonst wäre ich wohl auch noch so schlau gewesen, ein anderer zu werden. – Was soll ich dafür
büßen, daß alle andern schon da waren!
Ich müßte ja auf den Kopf gefallen sein… macht mir jemand einen tollen Hund zum Geschenk,
dann gebe ich ihm seinen tollen Hund zurück. Und will er seinen tollen Hund nicht zurücknehmen,
dann bin ich menschlich und… Ich müßte ja auf den Kopf gefallen sein!
Man wird ganz per Zufall geboren und sollte nicht nach reiflichster Überlegung – – – es ist zum
Totschießen! – Das Wetter zeigte sich wenigstens rücksichtsvoll. Den ganzen Tag sah es nach
Regen aus, und nun hat es sich doch gehalten. – Es herrscht eine seltene Ruhe in der Natur.
Nirgends etwas Grelles, Aufreizendes. Himmel und Erde sind wie durchsichtiges Spinnewebe.
Und dabei scheint sich alles so wohl zu fühlen. Die Landschaft ist lieblich wie eine
Schlummermelodie – »schlafe, mein Prinzchen, schlaf ein«, wie Fräulein Snandulia sang. Schade,
daß sie die Ellbogen ungraziös hält! – Am Cäcilienfest habe ich zum letzten Male getanzt.
Snandulia tanzt nur mit Partien. Ihre Seidenrobe war hinten und vorn ausgeschnitten. Hinten bis
auf den Taillengürtel und vorne bis zur Bewußtlosigkeit. – Ein Hemd kann sie nicht angehabt
haben… – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Das wäre etwas, was mich
noch fesseln könnte. – Mehr der Kuriosität halber. – Es muß ein sonderbares Empfinden sein – –
ein Gefühl, als würde man über Stromschnellen gerissen – – – Ich werde es niemandem sagen,
daß ich unverrichteter Sache wiederkehre. Ich werde so tun, als hätte ich alles das mitgemacht…
Es hat etwas Beschämendes, Mensch gewesen zu sein, ohne das Menschlichste kennengelernt
zu haben. – Sie kommen aus Ägypten, verehrter Herr, und haben die Pyramiden nicht gesehen?!
Ich will heute nicht wieder weinen. Ich will nicht wieder an mein Begräbnis denken – – Melchior
wird mir einen Kranz auf den Sarg legen. Pastor Kahlbauch wird meine Eltern trösten. Rektor
Sonnenstich wird Beispiele aus der Geschichte zitieren. – Einen Grabstein werd‘ ich
wahrscheinlich nicht bekommen. Ich hätte mir eine schneeweiße Marmorurne auf schwarzem
Syenitsockel gewünscht – ich werde sie ja gottlob nicht vermissen. Die Denkmäler sind für die
Lebenden, nicht für die Toten.
Ich brauchte wohl ein Jahr, um in Gedanken von allen Abschied zu nehmen. Ich will nicht wieder
weinen. Ich bin froh, ohne Bitterkeit zurückblicken zu dürfen. Wie manchen schönen Abend ich
mit Melchior verlebt habe! – unter den Uferweiden; beim Forsthaus; am Heerweg draußen, wo die
fünf Linden stehen; auf dem Schloßberg, zwischen den lauschigen Trümmern der Runenburg. – –
– Wenn die Stunde gekommen, will ich aus Leibeskräften an Schlagsahne denken. Schlagsahne
hält nicht auf. Sie stopft und hinterläßt dabei doch einen angenehmen Nachgeschmack… Auch
die Menschen hatte ich mir unendlich schlimmer gedacht. Ich habe keinen gefunden, der nicht
sein Bestes gewollt hätte. Ich habe manchen bemitleidet um meinetwillen.
Ich wandle zum Altar wie der Jüngling im alten Etrurien, dessen letztes Röcheln der Brüder
Wohlergehen für das kommende Jahr erkauft. – Ich durchkoste Zug für Zug die geheimnisvollen
Schauer der Loslösung. Ich schluchze vor Wehmut über mein Los. – Das Leben hat mir die kalte
Schulter gezeigt. Von drüben her sehe ich ernste freundliche Blicke winken: die kopflose Königin,
die kopflose Königin – Mitgefühl, mich mit weichen Armen erwartend… Eure Gebote gelten für
Unmündige; ich trage mein Freibillett in mir. Sinkt die Schale, dann flattert der Falter davon; das
Trugbild geniert nicht mehr. – Ihr solltet kein tolles Spiel mit dem Schwindel treiben! Der Nebel
zerrinnt; das Leben ist Geschmackssache.
Stück: Weh dem, der lügt! (klassischer Monolog)
Rolle: Leon, der Küchenjunge
Autor: Franz Grillparzer
Erscheinungsjahr: 1838
LEON:
So? In der Küche, meint Ihr? Zeigt mir die!
Wenn eine Küch‘ der Ort ist, wo man kocht,
So sucht Ihr sie im ganzen Schloß vergebens.
Wo man nicht kocht ist keine Küche, Herr,
Wo keine Küche ist kein Koch. Das, seht Ihr?
Wollt‘ ich dem Bischof sagen; und ich tu’s,
Ich tu’s fürwahr, und säht Ihr noch so scheel.
Pfui Schande über alle Knauserei!
Erst schickten sie den Koch fort, nun, da meint‘ ich,
Sie trauten mir so viel, und war schon stolz,
Doch als ich anfing meine Kunst zu zeigen,
Ist alles viel zu teuer, viel zu viel.
Mit Nichts soll ich da kochen, wenn auch nichts.
Nur gestern noch erhascht‘ ich ein Stück Wildbret,
So köstlich als kein andres, um ’nen Spottpreis,
Und freute mich im voraus, wie der Herr sich,
Der Alte, Schwache, laben würde dran.
Ja, prost die Mahlzeit! Mußt‘ ich’s nicht verkaufen,
An einen Sudelkoch verhandeln mit Verlust;
Weil’s viel zu teuer schien, gar viel zu kostbar.
Nennt Ihr das Knauserei? wie, oder sonst?
HAUSVERWALTER:
Man wird dich jagen, allzu lauter Bursch!
LEON:
Mich jagen? Ei, erspart Euch nur die Müh‘!
Ich geh von selbst. Hier, meine Schürze, seht!
Und hier mein Messer, das Euch erst erschreckt,
(er wirft beides auf den Boden)
So werf ich’s hin und heb es nimmer auf.
Sucht einen andern Koch für eure Fasten!
Glaubt Ihr, für Geld hätt‘ ich dem Herrn gedient?
Es gibt wohl andre Wege noch und beßre,
Sich durchzuhelfen, für ’nen Kerl wie ich.
Der König braucht Soldaten, und, mein Treu!
Ein Schwert wär‘ nicht zu schwer für diese Hand.
Doch sah ich Euern Bischof durch die Straßen
Mit seinem weißen Bart und Lockenhaar,
Das Haupt gebeugt von Alterslast,
Und doch gehoben von – ich weiß nicht was,
Doch von was Edlem, Hohem muß es sein;
Die Augen aufgespannt, als säh‘ er Bilder
Aus einem andern, unbekannten Land,
Die allzugroß für also kleine Rahmen:
Sah ich ihn so durch unsre Straßen ziehn,
Da rief’s in mir: dem mußt du dienen, dem,
Und wär’s als Stallbub. Also kam ich her.
In diesem Haus, dacht‘ ich, wär‘ Gottesfrieden,
Sonst alle Welt im Krieg. Nun da ich hier,
Nun muß ich sehn, wie er das Brot sich abknappt,
Als hätt‘ er sich zum Hungertod verdammt,
Wie er die Bissen sich zum Munde zählt.
Mag das mit ansehn, wer da will, ich nicht.
HAUSVERWALTER:
Was sorgst du mehr um ihn, als selbst er tut?
Ist er nicht kräftig noch für seine Jahre?
LEON:
Mag sein! Doch ist’s was andres noch, was Tiefers.
Ich weiß es manchmal deutlich anzugeben,
Und wieder manchmal spukt’s nur still und heimlich.
Daß er ein Bild mir alles Großen war
Und daß ich jetzt so einen schmutz’gen Flecken,
Als Geiz ist, so ’nen hämisch garst’gen Klecks,
Auf seiner Reinheit weißem Kleide seh,
Und sehen muß, ich tu auch, was ich will;
Das setzt mir alle Menschen fast herab,
Mich selber, Euch; kurz alle, alle Welt,
Für deren Besten ich so lang ihn hielt,
Und quält mich, daß ich wahrlich nicht mehr kann.
Kurz, ich geh fort, ich halt’s nicht länger aus.
Stück: Die Möwe (moderner Monolog)
Rolle: Treplew
Autor: Anton Tschechow
Erscheinungsjahr: 1896
TREPLEW: Es verdrießt sie schon, daß hier auf dieser kleinen Bühne die Sarjetschnaja Erfolge
haben wird und nicht sie. (Er sieht nach der Uhr.) Sie ist ein psychologisches Kuriosum, meine
Mutter. Unstreitig sehr begabt und klug, über einem Buch kann sie bitterlich weinen; den ganzen
Nekrassow kann sie auswendig, und am Krankenbett ist sie ein Engel; aber versuch mal, in ihrer
Gegenwart die Duse zu rühmen! Oh! Nur sie allein soll man loben, nur von ihr schreiben, nur ihren
Namen ausschreien, von ihrem unübertrefflichen Spiel in der »Kameliendame« oder im »Dunst des
Lebens« entzückt sein, und weil sie hier, auf dem Lande, diesen Rausch entbehren muß, so
langweilt sie sich, ist wütend – und wir alle sind natürlich ihre Feinde, wir alle sind daran schuld.
Dann ist sie auch abergläubisch, erschrickt, wenn sie drei brennende Kerzen sieht, hat Angst vor
der Zahl dreizehn. Und geizig ist sie – sie hat in Odessa siebzigtausend Rubel auf der Bank liegen,
das weiß ich genau. Will man aber von ihr eine Kleinigkeit borgen – dann weint sie.
SSORIN: Du bildest dir ein, daß dein Stück der Mutter nicht gefällt, und regst dich darum so auf –
und so. Beruhige dich. Deine Mutter vergöttert dich.
TREPLEW: (die Blättchen einer Blume abzupfend) Sie liebt mich – liebt mich – liebt mich nicht,
liebt mich – liebt mich nicht. (Lacht.) Siehst du, meine Mutter liebt mich nicht. Kein Wunder: Sie
will leben und lieben, sie will helle Kleider tragen – und ich, ihr Sohn, bin fünfundzwanzig Jahre alt,
ich erinnere sie beständig daran, daß sie nicht mehr jung ist. Bin ich nicht da, dann zählt sie erst
zweiunddreißig, in meiner Gegenwart aber ist sie dreiundvierzig. Darum haßt sie mich. Sie weiß
auch, daß ich für das Theater nichts übrig habe. Sie schwärmt für die Bühne, sie glaubt der
Menschheit, der heiligen Kunst zu dienen, während ich das Theater von heut für Routine und
Konvention halte. Wenn der Vorhang aufgeht und in dem Zimmer mit den drei Wänden diese
großen Talente, diese Priester der heiligen Kunst dem Publikum im Rampenlicht vormachen, wie
die Leute essen, trinken, lieben, umhergehen, ihre Röcke tragen; wenn sie aus banalen Bildern
und Phrasen einen Moral herauszutüfteln suchen – eine kleinliche, vulgäre Moral für jedermanns
Hausgebrauch, wenn sie mir in tausend Variationen immer und immer wieder dieselbe Kost
servieren – dann möchte ich fortlaufen, weit. Weit weg, wie Maupassant vor dem Eiffelturm fortlief,
dessen Banalität sein Hirn zu Boden drückte –
SSORIN: Wir können das Theater nicht entbehren.
TREPLEW: Dann muß es neue Formen annehmen. Wir brauchen neue Formen, und wenn sie
nicht da sind – dann lieber gar nichts. (Blickt auf die Uhr.) Ich liebe meine Mutter, liebe sie sehr,
aber sie führt ein unvernünftiges Leben, schleppt sich ewig mit diesem Belletristen herum, ihr
Name wird immerfort durch die Zeitungen gezerrt – und das quält mich. Zuweilen regt sich in mir
einfach der Egoismus eines gewöhnlichen Sterblichen; ich bedaure dann, daß meine Mutter eine
bedeutende Schauspielerin ist, und es scheint mir, daß ich weit glücklicher sein würde, wenn sie
eine einfache Frau wäre. Sag selber, Onkel: kann’s eine fatalere, eine albernere Lage geben; da
versammelten sich zuweilen bei ihr Künstler und Schriftsteller, lauter Berühmtheiten – und ich bin
der einzige darunter, der gar nichts ist, der nur geduldet wird, weil ich ihr Sohn bin. Wer bin ich?
Was bin ich? Als Student im dritten Semester habe ich die Universität verlassen müssen – unter
Umständen, die, wie man zu sagen pflegt, von der Redaktion unabhängig waren; Talente sind mir
nicht gegeben, Geld hab‘ ich nicht, und laut meinem Paß bin ich ein simpler Kleinbürger aus Kiew,
wie mein Vater, der übrigens auch ein ganz tüchtiger Schauspieler war. Wenn nun in Mamas Salon
diese berühmten Künstler und Schriftsteller sich wirklich einmal gnädig zu mir herabließen, dann
war’s mir immer, als wollten sie mit ihren Blicken meine ganze Erbärmlichkeit ermessen – und ich
erriet ihre Gedanken und litt unter dieser Demütigung.
Stück: Komödie der Worte – Große Szene (moderner Monolog)
Rolle: Edgar
Autor: Arthur Schnitzler
Erscheinungsjahr: 1914
EDGAR: Ich bin fern davon, an Ihrem Mute zu zweifeln, und ich nehme an, daß auch der meine für
Sie außer Frage steht. — Wir wollen hier keine Szene mit großen Worten spielen, Herr Herbot, wir
wollen, wenn es möglich ist — und mir ist es möglich — miteinander reden wie zwei Männer —
nein, abseits von jeder Eitelkeits- unctsdbst von jeder Ehrenfrage in gewöhnlichem Sinn — wie
zwei Menschen. Ich bitte Sie zum letzten mal, Herr Herbot, geben Sie Ihre bisherige Haltung auf,
gegen deren Korrektheit sich ja gewiß nichts einwenden läßt und begreifen Sie endlich, daß hier
ein Mensch vor Ihnen steht, Herr Herbot, der nichts anderes verlangt, als die Wahrheit, die
Wahrheit, wie immer sie laute — verstehen Sie mich Herr Herbot — und der sich in jedem Fall
stark genug fühlt, ne zu ertragen, — in jedem Falle! Verstehen Sie mich doch endlich, Herr Herbot!
Nicht als Geck und nicht als Rächer komm ich her, zu einem, der ein Schuft war oder unschuldig
verdächtigt wird. Ein Mensch zu einem Menschen. Wenn es geschehen ist, Herr Herbot, so war es
vielleicht keine Schurkerei. Wenn’s nicht geschehen ist, so war es vielleicht nicht weit davon. Aber
was immer vorgefallen ist, keines Wegs wäre es damit aus der Welt geschafft, daß wir einander
mit der Pistole gegenüberstehen und einer von uns beiden —
(Herbot will sprechen)
Noch nicht. Jetzt würden Sie vielleicht noch lügen. Hören Sie mich weiter an. Es ist mir gegeben,
manches zu verstehen. Ich habe selbst allerlei erlebt, — ich weiß, was ein Rausch, was der Duft
von Sommernächten aus uns zu machen vermag, weiß, wieviel wir hinter uns weifen können,
eigene Schicksale wie Träume, die uns ein anderer erzahlt hat» und die weiß, daß ich alles zu
ertragen imstande wäre, nur nicht den Zweifel, alles verzeihen, nur die Lüge nicht, besonders
wenn die Wahrheit einem so leicht gemacht wird, wie in diesem Falle Ihnen. Ich hoffe, Sie fangen
an, mich zu begreifen, Herr Herbot! Oder fürchten Sie jetzt vielleicht, daß ich Sie in eine Falle
locken will! Ich habe mich Ihnen völlig in die Hände gegeben, Herr Herbot, ich stünde ja da, wie —
wie der erbärmlichste Komödiant, wenn ich nun nach dem offenen Geständnis Ihrerseits, das ich
Ihnen tückisch entlockte, plötzlich wieder den beleidigten Bräutigam spielen wellte. Sie dürften
mir dann jede Genugtuung verweigern, nur ins Gesicht spucken dürften Sie, denn, was immer Sie
getan, ich wäre dann der Elendere von uns beiden. Können Sie jetzt noch unschlüssig sein, Herr
Herbot? Nie, ich fohle es, ist ein Mensch so einem andern Menschen gegenübergestanden wie
ich Ihnen. Waren Sie Daisjs Geliebter, Herr Herbot? Sie schweigen? Jetzt müssen Sie reden. Sie
müssen die Wahrheit sagen, ehe es zu spät ist. Jawohl, ehe es zu spät ist, Herr Herbot. Denn
wenn ich später einmal die Wahrheit erführe, später — es gibt solche Zufälle, Herr Herbot, es gibt
Geständnisse Yon Frauen, späte Geständnisse — dann werde ich mich nicht mit Ihnen schießen,
dann wurde ich Sie niederschlagen.
Stück: Die Räuber (klassischer Monolog)
Rolle: Karl von Moor
Autor: Friedrich Schiller
Erscheinungsjahr: 1782
KARL VON MOOR:
Weg von ihm! Wag‘ es Keiner, ihn anzurühren! – (Zum Pater, indem er seinen Degen zieht.) Sehen
Sie, Herr Pater! hier stehn Neunundsiebenzig, deren Hauptmann ich bin, und weiß Keiner auf Wink
und Commando zu fliegen oder nach Kanonenmusik zu tanzen, und draußen stehen
Siebenzehnhundert, unter Musketen ergraut – aber hören Sie nun! so redet Moor, der
Mordbrenner Hauptmann: Wahr ist’s, ich habe den Reichsgrafen erschlagen, die Dominicuskirche
angezündet und geplündert, hab‘ Feuerbrände in eure bigotte Stadt geworfen und den
Pulverthurm über die Häupter guter Christen herabgestürzt – aber Das ist noch nicht alles. Ich
habe noch mehr gethan. (Er streckt seine rechte Hand aus.) Bemerken Sie die vier kostbaren
Ringe, die ich an jedem Finger trage? – Gehen Sie hin und richten Sie Punkt für Punkt den Herren
des Gerichts über Leben und Tod aus, was Sie sehen und hören werden – diesen Rubin zog ich
einem Minister vom Finger, den ich auf der Jagd zu den Füßen seines Fürsten niederwarf. Er hatte
sich aus dem Pöbelstaub zu seinem ersten Günstling emporgeschmeichelt, der Fall seines
Nachbars war seiner Hoheit Schemel – Thränen der Waisen huben ihn auf. Diesen Demant zog ich
einem Finanzrath ab, der Ehrenstellen und Ämter an die Meistbietenden verkaufte und nicht
trauernden Patrioten von seiner Thüre stieß. – Diesen Achat trag‘ ich einem Pfaffen Ihres
Gelichters zur Ehre, den ich mit eigener Hand erwürgte, als er auf offener Kanzel geweint hatte,
daß die Inquisition so in Zerfall käme – ich könnte Ihnen noch mehr Geschichten von meinen
Ringen erzählen, wenn mich nicht schon die paar Worte gereuten, die ich mit Ihnen verschwendet
habe –
PATER:
O Pharao! Pharao!
KARL VON MOOR:
Hört ihr’s wohl? Habt ihr den Seufzer bemerkt? Steht er nicht da, als wollte er Feuer vom Himmel
auf die Rotte Korah herunter beten, richtet mit einem Achselzucken, verdammt mit einem
christlichen Ach! – Kann der Mensch denn so blind sein? Er, der die hundert Augen des Argus hat,
Flecken an seinem Bruder zu spähen, kann er so gar blind gegen sich selbst sein? – Da donnern
sie Sanftmuth und Duldung aus ihren Wolken, und bringen dem Gott der Liebe Menschenopfer,
wie einem feuerarmigen Moloch – predigen Liebe des Nächsten, und fluchen den achtzigjährigen
Blinden von ihren Thüren hinweg – stürmen wider den Geiz, und haben Peru um goldner Spangen
willen entvölkert und die Heiden wie Zugvieh vor ihre Wagen gespannt. – Sie zerbrechen sich die
Köpfe, wie es doch möglich gewesen wäre, daß die Natur hätte können einen Ischariot schaffen,
und nicht der Schlimmste unter ihnen würden den dreieinigen Gott um zehen Silberlinge
verrathen. – O über euch Pharisäer, euch Falschmünzer der Wahrheit, euch Affen der Gottheit! Ihr
scheut euch nicht, vor Kreuz und Altären zu knieen, zerfleischt eure Rücken mit Riemen und foltert
euer Fleisch mit Fasten; ihr wähnt mit diesen erbärmlichen Gaukeleien Demjenigen einen blauen
Dunst vorzumachen, den ihr Thoren doch den Allwissenden nennt, nicht anders, als wie man der
Großen am bittersten spottet, wenn man ihnen schmeichelt, daß sie die Schmeichler hassen; ihr
pocht auf Ehrlichkeit und exemplarischen Wandel, und der Gott, der euer Herz durchschaut,
würde wider den Schöpfer ergrimmen, wenn er nicht eben Der wäre, der das Ungeheuer am Nilus
erschaffen hat. – Schafft ihn aus meinen Augen!
PATER:
Daß ein Bösewicht noch so stolz sein kann!
KARL VON MOOR:
Nicht genug – Jetzt will er stolz reden. Geh hin und sage dem hochlöblichen Gericht, das über
Leben und Tod würfelt – Ich bin kein Dieb, der sich mit Schlaf und Mitternacht verschwört und auf
der Leiter groß und herrisch thut – Was ich gethan habe, werd‘ ich ohne Zweifel einmal im
Schuldbuch des Himmels lesen; aber mit seinen erbärmlichen Verwesern will ich kein Wort mehr
verlieren. Sag‘ ihnen, mein Handwerk ist Wiedervergeltung – Rache ist mein Gewerbe. (Er kehrt
ihm den Rücken zu.)
Stück: Onkel Wanja (moderner Monolog)
Rolle: Wojnizki
Autor: Anton Tschechow
Erscheinungsjahr: 1898
WOJNIZKI: Der Professor sitzt genau so wie sonst den ganzen geschlagenen Tag in seinem
Kabinett und schreibt. Wie sagt doch der Dichter?
»In Falten ganz gekraust die Denkerstirn
entringt er Od‘ um Ode seinem Hirn;
nur schade, jammerschade, daß der Welt
nicht der Poet noch sein Poem gefällt!«
Armes Papier! Er sollte lieber seine Selbstbiographie schreiben. Was für ein großartiges Sujet! Ein
Professor a. D., verstehst du – ein alter Zwieback – ein gelehrter Stockfisch! … Podagra,
Rheumatismus, Migräne, die Leber vor lauter Neid und Eifersucht geschwollen … Und dieser alte
Stockfisch lebt auf dem Landgut seiner ersten Frau – nur, weil er muß, natürlich, da seine Mittel
ihm nicht erlauben, in der Stadt zu leben. Jammert beständig über sein Unglück, während er in
Wirklichkeit vom Schicksal geradezu verhätschelt ist. (Nervös) Bedenk‘ doch mal, was für ein
Glück der Kerl gehabt hat! Ein einfacher Küsterssohn, ein Stipendienschlucker, hat sich durch alle
gelehrten Grade bis zum Katheder hinaufgedrängelt, ist Exzellenz geworden, hat einen Senator
zum Schwiegervater gekriegt usw. usw. Doch das ist schließlich unwichtig. Doch nun weiter:
fünfundzwanzig Jahre liest und schreibt der Mensch über die Kunst, und versteht dabei von der
Kunst so gut wie gar nichts. Fünfundzwanzig Jahre lang kaut er fremde Gedanken über
Realismus, Naturalismus und allerhand sonstigen Unsinn wieder, fünfundzwanzig Jahre lang liest
und schreibt er über Dinge, die den klugen Leuten längst bekannt, den dummen aber höchst
gleichgültig sind … fünfundzwanzig Jahre lang also hat er nichts weiter getan als leeres Stroh
gedroschen – und nun seh‘ mal einer diesen Eigendünkel, den das hat, diese Ansprüche! Jetzt hat
er seinen Abschied genommen – und keine lebendige Seele kennt ihn mehr, im Handumdrehen ist
er wie verschollen. Er hat einfach diese fünfundzwanzig Jahre hindurch den Platz eines andern
eingenommen. Und nun sieh nur, wie er einherschreitet: wie ein Halbgott!
ASTROW: Hör‘ mal, ich glaube, du beneidest ihn bloß!
WOJNIZKI: Gewiß beneide ich ihn. Und was für Erfolge er bei den Frauen gehabt hat! Kein Don
Juan könnte sich so vieler Siege rühmen. Seine erste Frau, meine Schwester, dieses schöne,
liebenswürdige Geschöpf, das so edelmütig, so großherzig, so rein war wie der blaue Himmel,
und mehr Verehrer hatte als er Schüler – die liebte ihn so, wie nur keusche Engel ebenso keusche
und schöne Wesen, wie sie selber sind, lieben können. Meine gute Mama, seine Schwiegermutter,
vergöttert ihn noch heute, und noch heute flößt er ihr förmlich ein heiliges Grauen ein. Seine
zweite Frau, ein schönes, kluges Wesen – du hast sie ja eben gesehen – hat ihn geheiratet, als er
schon ein Greis war; sie hat ihm ihre Jugend, ihr Schönheit, ihre Freiheit, ihren Glanz geopfert –
weshalb, frag‘ ich, wofür?
Stück: Fräulein Julie (moderner Monolog)
Rolle: Jean
Autor: August Strindberg
Erscheinungsjahr: 1889
JEAN: Ja, wenn Sie es denn hören wollen! Es war lächerlich! Sehen Sie, das ist die Geschichte,
die ich vorhin nicht erzählen wollte; aber jetzt werde ich sie erzählen! Wissen Sie, wie die Welt von
unten aussieht? Nein, das wissen Sie nicht! Gleich Habichten und Falken, deren Rücken man
selten sehen kann, da sie meist droben schweben. Ich wuchs im Insthause mit sieben Schwestern
und – einem Schwein zusammen, draußen auf den nackten, grauen Feldern heran, wo nicht ein
Baum wuchs. Aber vom Fenster aus konnte ich die Mauer des gräflichen Parks mit den
Äpfelbäumen darüber erblicken. Das war der Garten des Paradieses; und dort standen viele Engel
mit flammendem Schwert und bewachten ihn. Aber nichtsdestoweniger fand ich und andere
Jungen den Weg zum Baume des Lebens – nun, verachten Sie mich?
JULIE: Ach! Äpfel stehlen, das thun alle Jungen!
JEAN: Das sagen Sie jetzt so, aber Sie verachten mich doch! Na, gleichviel! Einmal kam ich mit
meiner Mutter in den Garten hinein, um die Zwiebelbeete von Unkraut zu säubern! Dicht bei der
Gartenmauer stand ein türkischer Pavillon im Schatten von Jasminen und umrankt von
Kaprifolien. Ich wußte nicht, wozu es diente, aber ich hatte noch niemals ein so schönes Gebäude
gesehen. Leute gingen dort aus und ein, und eines Tages stand die Thür offen. Ich schlich dorthin
und sah die Wände mit Bildern von Königen und Kaisern bedeckt, und vor den Fenstern waren
rote Gardinen mit Franzen daran – nun wissen Sie, was ich meine. Ich – er nimmt einen
Fliederzweig und hält ihn dem Fräulein unter die Nase – ich war niemals im Schlosse gewesen,
hatte niemals etwas anderes, als die Kirche gesehen – aber dies hier war viel schöner; und wo
meine Gedanken auch hineilten, immer kehrten sie dorthin zurück. Und dann allmählich erhob
sich in mir die Sehnsucht, einmal die ganze Herrlichkeit kennen zu lernen – enfin, ich schlich mich
hinein, sah und bewunderte. Aber dann kam jemand! Für die Herrschaft gab es zwar nur einen
Ausgang, aber ich fand noch einen andern, und ich hatte weiter keine Wahl!
Julie, welche den Fliederzweig genommen hatte, läßt ihn auf den Tisch fallen.
JEAN: So sprang ich denn und stürzte durch eine Himbeerhecke, rutschte über ein Gartenbeet
hinweg und kam auf die Rosenterrasse. Dort erblickte ich ein helles Kleid und ein paar weiße
Strümpfe – das waren Sie. Ich legte mich unter einen Haufen Unkraut, – darunter, können Sie sich
das denken? – unter Disteln, die mich stachen, und nasse Erde, welche stank. Und ich schaute
nach Ihnen, während Sie zwischen den Rosen dahinschritten, und ich dachte: wenn es wahr ist,
daß ein Mörder ins Himmelreich kommen kann und bei den Engeln bleiben, so ist es sonderbar,
daß ein Kätnersjunge hier auf Gottes Erde nicht soll in einen Schloßpark kommen und mit des
Grafen Tochter spielen können.
JULIE: (elegisch.) Glauben Sie, daß alle armen Kinder in diesem Fall denselben Gedanken gehabt
hätten.
JEAN: (erst zögernd, dann in überzeugtem Ton.) Ob alle armen – ja – natürlich! Ganz gewiß!
JULIE: Es muß ein grenzenloses Unglück sein, arm zu sein.
JEAN: (mit tiefem Schmerz, stark auftragend.) Ach, Fräulein Julie! Ach! Ein Hund kann auf dem
gräflichen Sofa liegen, ein Pferd kann von einer Damenhand auf die Schnauze geklopft werden,
aber ein Junge – in verändertem Ton. Ja, ja, bei einem Einzelnen ist wohl genug Stoff vorhanden,
um in der Welt emporzukommen, aber wie oft ist das der Fall! Indessen wissen Sie, was ich that?
Ich sprang in Kleidern in den Mühlbach hinunter; wurde aber herausgezogen und bekam Prügel.
Am nächsten Sonntag aber, als Vater und Alle im Hause zu Großmutter fuhren, wußte ich es so
einzurichten, daß ich zu Hause blieb. Und dann wusch ich mich mit Seife und warmem Wasser,
legte meine besten Kleider an und ging zur Kirche, wo ich Sie zu sehen bekommen konnte! Ich
sah Sie und ging nach Hause, entschlossen zu sterben; aber ich wollte schön und angenehm
sterben, ohne Schmerzen. Und da besann ich mich, daß es gefährlich wäre, unter einem
Fliederbusch zu schlafen. Wir hatten einen solchen, welcher gerade in Blüte stand. Ich pflückte
alle Blüten ab, die er besaß, und bettete mich dann im Haferkasten. Haben Sie bemerkt, wie glatt
der Hafer ist? weich für die Hand, wie Menschenhaut. Dann schloß ich den Deckel, druselte ein,
schlief schließlich ganz fest und erwachte wirklich sehr krank. Aber ich starb doch nicht, wie Sie
sehen. Was ich wollte – ich weiß es nicht! Sie zu gewinnen, war ja keine Möglichkeit vorhanden –
aber Sie waren für mich ein Beweis dafür, wie hoffnungslos es für mich sei, aus dem Kreise
emporzukommen, in dem ich geboren.
Stück: Richard III (klassischer Monolog)
Rolle: Eduard
Autor: William Shakespeare
Erscheinungsjahr: 1593
EDUARD:
Sprach meine Zunge meines Bruders Tod
Und spräch nun eines Knechts Begnadigung?
Kein Mord, Gedanken waren sein Vergehn,
Und doch war seine Strafe bittrer Tod.
Wer bat für ihn? wer kniet‘ in meinem Grimm
Zu Füßen mir und hieß mich überlegen?
Wer sprach von Bruderpflicht? wer sprach von Liebe?
Wer sagte mir, wie diese arme Seele
Vom mächt’gen Warwick ließ und für mich focht?
Wer sagte mir, wie er zu Tewkesbury
Mich rettet‘, als mich Oxford niederwarf,
Und sprach: »Leb, und sei König, lieber Bruder«?
Wer sagte mir, als wir im Felde lagen,
Fast totgefroren, wie er mich gehüllt
In seinen Mantel und sich selber preis,
Ganz nackt und bloß, der starren Nachtluft gab?
Dies alles rückte viehisch wilde Wut
Mir sündhaft aus dem Sinn, und euer keiner
War so gewissenhaft, mich dran zu mahnen.
Wenn aber eure Kärrner, eu‘r Gesinde
Totschlag im Trunk verübt und ausgelöscht
Das edle Bildnis unsers teuern Heilands,
Dann seid ihr auf den Knien um Gnade, Gnade,
Und ich muß ungerecht es zugestehn.
Für meinen Bruder wollte niemand sprechen,
Noch sprach ich selbst mir für die arme Seele,
Verstockter! zu. Der Stolzeste von euch
Hatt‘ ihm Verpflichtungen in seinem Leben,
Doch wollte keiner rechten für sein Leben.
O Gott! ich fürchte, dein Gericht vergilt’s
An mir und euch, den Meinen und den Euren. –
Komm, Hastings, hilf mir in mein Schlafgemach.
O armer Clarence!
(Der König, die Königin, Hastings, Rivers, Dorset und Grey ab.)
Stück: Peer Gynt (moderner Monolog)
Rolle: Peer Gynt
Autor: Henrik Ibsen
Erscheinungsjahr: 1876
PEER GYNT: Links vom Gendin.
AASE: (lacht spöttisch.) Hm! Aha!
PEER GYNT:
Kräftig blies der Wind von da;
Und so stand der Weg mir offen,
Mich durchs Holz hindurchzubirschen,
Hinter dem er grub –
AASE: (wie vorher.) Ja, ja!
PEER GYNT:
Lautlos horchend, hör‘ ich seinen
Huf im harten Firnschnee knirschen,
Seh‘ vom einen Horn die Zacken,
Wind‘ mich durch Geröll und Wacken
Vorwärts, und, verdeckt von Steinen,
Seh‘ ich einen Prachtbock, – einen,
Wie man ihn seit Jahrer zehn,
Sag‘ ich Dir, hier nicht gesehn!
AASE:
Gott bewahre, nein!
PEER GYNT:
Ein Knall! Und den Bock zusammenbrennen!
Aber knapp, daß er zu Fall,
Sitz‘ ich auch schon rittlings droben,
Greif‘ ihm in sein linkes Ohr,
Reiß‘ mein Messer schon hervor,
Ihm’s gerecht ins Blatt zu rennen; –
Hui! da hebt er an zu toben,
Springt, pardauz, auf alle Viere,
Wirft zurück sein Horngeäst,
Daß ich Dolch und Scheid‘ verliere,
Schraubt mich um die Lenden fest,
Stemmt ’s Gestäng‘ mir an die Waden,
Klemmt mich ein wie mit ’ner Zang‘, –
Und so stürmt er, wutgeladen,
Just den Gendingrat entlang!
AASE: (unwillkürlich.) Jesus –!
PEER GYNT:
Mutter, hast Du den Gendingrat einmal gesehn?
Wohl ’ne Meile läuft er drang
Hin, in Sensenrückenbreite.
Unter Firneis, Schuttmoränen,
Schnee, Geröll, Sand, kunterbunter,
Sieht Dein Aug‘ auf jeder Seite
Stumme, schwarze Wasser gähnen,
An die fünf-, die siebenzehnhundert
Ellen rank hinunter.
Dort lang stoben pfeilgeschwind
Er und ich durch Wetter und Wind!
Nie ritt ich solch Rößlein, traun!
Unsrer wilden Fahrt entgegen
Schnob’s wie Sonnenfunkenregen.
Adlerrücken schwammen braun
In dem schwindeltiefen Graun
Zwischen Grat und Wasserrande, –
Trieben dann davon wie Daun.
Treibeis brach und barst am Strande;
Doch sein Lärm ging ganz verloren;
Nur der Brandung Geister sprangen
Wie im Tanze, – sangen, schwangen
Sich im Reihn vor Aug‘ und Ohren!
AASE: (schwindlig.)
O, Gott steh‘ mir bei!
PEER GYNT:
Da stößt
Plötzlich, wie ein Stein sich löst,
Dicht vor uns ein Schneehuhn auf,
Flattert gackernd, aufgeschreckt,
Aus dem Spalt, der es versteckt,
Meinem Bock, bums! vor die Lichter.
Der verändert jach den Lauf –
Und mit einem Riesensatze
Nieder in den Höllentrichter!
(Aase wankt und greift nach einem Baumstamm. Peer Gynt fährt fort.)
Ob uns schwarzer Bergwand Fratze,
Nid uns bodenloser Dust! –
Durch zersplissne Nebelschichten
Erst, sodann durch einen dichten
Schwarm von Möwen, die, durchschnitten,
Kreischend auseinanderstritten, –
Nieder, nieder, nieder sauste es.
Aber aus der Tiefe grauste es
Weiß wie eine Renntierbrust. –
Mutter, das war unser eigen
Bild, das aus des Bergsees Schweigen
Tief vom Grund zum Spiegel eilte,
Umgekehrt, wie unser Sturz
Lotrecht auf ihn nieder pfeilte.
AASE: (schnappt nach Luft.)
Peer! Gott helf‘ mir –! Mach‘ es kurz –!
PEER GYNT:
Bock vom Berge, Bock vom Grunde
Stieß zur selbigen Sekunde!
Das Gespritz‘ und das Geklatsche!
Na, da lag man in der Patsche. –
Nicht gar lang‘ dann, und wir fanden
Irgendwo ’nen Fleck, zu landen;
Er, er schwamm, und ich umschlang ihn, –
Und hier bin ich nun –
AASE: Und er?
PEER GYNT:
Hm, der springt wohl noch umher; –
(Schnalzt mit den Fingern, wippt sich auf den Hacken und fügt hinzu:)
Wenn Du ’n laufen siehst, so fang ihn!
Stück: Drei Schwestern (moderner Monolog)
Rolle: Andrej
Autor: Anton Tschechow
Erscheinungsjahr: 1901
ANDREJ: O, wo ist sie, wohin ist sie entflohen, meine Vergangenheit – da ich noch jung, fröhlich
und verständig war, da ich so herrlich träumte und schwärmte, da meine Gegenwart und meine
Zukunft vom Rosenschimmer der Hoffnung verklärt wurde? Warum werden wir, wenn wir kaum zu
leben anfangen, gleich so langweilig, so prosaisch grau, so uninteressant, träg, gleichgiltig, unnütz
und unglücklich? … Unsere Stadt steht schon zweihundert Jahre, sie hat hunderttausend
Einwohner, und nicht ein Mensch existiert darin, der den andern nicht aufs Haar ähnlich sähe,
nicht einen wagemutigen Helden hat sie hervorgebracht, weder in der Vergangenheit noch in der
Gegenwart, nicht einen namhaften Gelehrten oder Künstler, nicht eine bemerkenswerte
Persönlichkeit, die bei den andern den Trieb zur Nacheiferung oder wenigstens den Neid weckte
… Nichts weiter kennen sie hier als essen, trinken, schlafen und zuletzt sterben … und nach ihnen
werden wieder andre geboren, die auch nur essen, trinken und schlafen, und um nicht ganz zu
verkommen vor langer Weile, schaffen sie sich Abwechselung durch gemeinen Klatsch, durch
Branntweintrinken und Kartenspiel, durch allerhand Ränke und Intriguen, die Weiber betrügen ihre
Männer, die Männer aber thun, als ob sie nichts sähen und hörten, und diesem verhängnisvollen,
durch und durch gemeinen Einfluß verfallen auch wieder die Kinder, in denen der göttliche Funke
ausgelöscht wird, die ebenso jämmerliche, einander aufs Haar ähnliche Wichte, eben solche
wandelnde Leichname werden wie ihre Väter und Mütter …
(Zu Ferapont, ärgerlich) Was willst du?
Stück: Die Möwe (moderner Monolog)
Rolle: Trigorin
Autor: Anton Tschechow
Erscheinungsjahr: 1896
TRIGORIN: Was ist daran besonders schön? (Sieht auf die Uhr.) Ich muß gleich gehen und
schreiben. Entschuldigen sie, ich habe keine Zeit … Lacht. Sie sind mir, wie man zu sagen pflegt,
auf mein liebstes Hühnerauge getreten, und da beginne ich mich aufzuregen und ein klein wenig
zu ärgern. Übrigens, ja, reden wir davon. Reden wir von meinem schönen, lichtvollen Leben …
nun, womit fangen wir an? (Sinnt ein wenig nach.) Es gibt Zwangsvorstellungen, wenn der
Mensch Tag und Nacht immer nur, sagen wir: an den Mond denkt. auch ich habe einen solchen
Mond. Tag und Nacht quält mich ohne Unterlaß ein und derselbe Gedanke: ich muß schreiben,
schreiben, schreiben, – Kaum habe ich eine Erzählung beendet, so treibt es mich sogleich wieder,
eine neue zu schreiben, dann eine dritte, nach der dritten eine vierte … ich schreibe
ununterbrochen, wie in einer ewigen Flut, und ich kann nicht anders. Was ist daran schön und
lichtvoll, frage ich Sie? Oh, was für ein sinnloses Leben! Da sitz‘ ich nun hier mit Ihnen, bin in
Aufregung – und werde dabei nicht einen Augenblick den Gedanken los, daß eine unbeendete
Erzählung meiner harrt. Ich sehe die Wolke da, die wie ein Klavier aussieht, gleich denke ich: du
mußt irgendwo in deiner Erzählung einflechten, daß eine Wolke am Himmel hinzog, die einem
Klavier glich. Es riecht nach Heliotrop. Gleich muß ich mir einprägen: ein süßlicher Duft,
Witwenfarbe, bei der Schilderung eines Sommerabends zu erwähnen. Ich belauere mich selbst
und Sie bei jeder Phrase, bei jedem Wort und beeile mich, all diese Phrasen und Worte
schleunigst in meiner literarischen Vorratskammer zu verschließen. Vielleicht kann ich sie mal
brauchen. Hab‘ ich meine Arbeit beendet, so lauf‘ ich ins Theater oder geh‘ angeln, hier möcht‘
ich ausruhn, mich selbst vergessen – aber nein, im Kopfe rollt schon eine eiserne Kugel, ein neues
Sujet, und zieht mich schon zum Tisch, und ich muß wieder schreiben und schreiben. Und so
geht’s in einem fort, in einem fort, und ich hab‘ keine Ruhe vor mir selbst, und ich fühle, wie ich
mein eigenes Leben aufzehre, wie ich um des Honigs willen, den ich da für irgend jemand im
weiten Raum sammle, den Staub von meinen schönsten Blumen abstreife und die Blumen selbst
zerpflücke und ihre Wurzel zerreiße. Bin ich nicht ein Wahnsinniger? Behandeln mich meine
Freunde und Bekannten etwa wie einen Gesunden? »Was haben Sie unter der Feder? Womit
werden Sie uns beschenken?« Ewig ein und dasselbe, ein und dasselbe, und es ist mir, als ob
diese Aufmerksamkeit der Bekannten, diese Lobsprüche, dieses Entzücken – als ob alles das nur
Täuschung wäre, als belöge man mich wie einen Kranken, und ich fürchte bisweilen, sie könnten
plötzlich von hinten an mich heranschleichen, mich packen und – mich ins Irrenhaus schleppen.
Und in jenen Jahren, in meinen jungen, besten Jahren, da ich anfing zu schreiben, war die
Schriftstellerei für mich ein einziges Martyrium. Der kleine Schriftsteller kommt sich, namentlich
wenn er kein Glück hat, schwerfällig, ungeschickt, überflüssig vor, seine Nerven sind überreizt,
verbraucht; unwiderstehlich zieht’s ihn zu den Leuten, die mit Literatur und Kunst zu tun haben,
und er umschleicht sie, von niemand beachtet, von niemand anerkannt, und fürchtet sich, den
Leuten frei und offen in die Augen zu sehen, wie ein Spieler, der kein Geld hat. Ich kenne meinen
Lehrer nicht, in meiner Vorstellung jedoch erscheint er mir, Gott weiß warum, feindselig und
mißtrauisch. Ich fürchtete das Publikum, hatte eine Heidenangst vor ihm, und wenn ich ein neues
Stück von mir zur Aufführung brachte, schien es mir jedesmal, als wären die Brünetten mir
feindselig gesinnt und die Blonden kalt und gleichgültig. Oh, wie entsetzlich war das! Was für eine
Qual!
Stück: Die Orestie – Agamemnon (klassischer Monolog)
Rolle: Aigisthos
Autor: Aischylos
Erscheinungsjahr: 458 v. Chr. Übersetzung (Deutsch): J. G. Droysen
AIGISTHOS:
O frohes Licht des Tages, der Gericht gebracht!
Nun sag ich freudig, Rächer schaun den Sterblichen
Die Götter hochher auf der Erde Missetat,
Da den in den prachtgewebten Purpurdecken ich
Der Erinnys, recht zur Lust mir, tot da liegen seh,
Untat zu büßen, die des Vaters Hand beging.
Denn einst hat Atreus, dieses Landes Fürst und Herr,
Sein Vater, meinen Vater Thyestes, hör mich recht,
Den eignen Bruder, der um das Reich mit ihm sich stritt,
Hinausgestoßen aus der Stadt, aus seinem Haus;
Heimkehrend drauf, am Herde hilfesuchend, kam
Gramvoll Thyestes und erflehte Sicherheit,
Daß er der Heimat Boden nicht mit seinem Blut
Gemordet tränkte; doch zum Gastgeschenk gereicht
Hat sein verruchter Vater Atreus, liebend nicht,
Nein, schändlich meinem Vater, Festgelag und Schmaus
Scheinbar bereitend, Kost von der eignen Kinder Fleisch;
Er ließ die Füßlein und der Hände Fingerkamm
Zu Kohlen brennen (über seines Herdes Glut
Und gab vom andren meinem Vater, daß er aß;)
Der, ohne daß er wußte, was er nehme, nahm
Und aß vom Mahl, du siehst’s, dem Fluchmahl des Geschlechts.
Drauf als ihm klar wird dieser Tat Entsetzlichkeit,
Da seufzt er, sinkt er nieder, speiet aus den Mord,
Flucht den Pelopiden ungemeßnen Untergang,
Häuft Graunverwünschung auf die Schmach des schnöden Mahls:
Daß so der ganze Pleisthenidenstamm vergeh!
Nach solchem Fluch kannst dort du den erschlagen sehn!
Ich aber heiße seines Mords gerechter Schmied;
Denn mich, den dritten zu den zween, trieb er fort
Mit dem armen Vater, da ich klein in Windeln lag.
Erwachsen führte Dike wieder mich zurück;
Auch da ich fern war, hatt an ihn ich mich geknüpft,
Geknüpft die ganze sichre Kunst heimtückscher List.
So wäre selbst zu sterben jetzt mir leicht und lieb,
Nachdem ich diesen in die Schlingen Dikes trieb!
Stück: Frühlings Erwachen (moderner Monolog)
Rolle: Moritz Stiefel
Autor: Frank Wedekind
Erscheinungsjahr: 1906
Moritz allein
Abenddämmerung. Der Himmel ist leicht bewölkt, der Weg schlängelt sich durch niedres Gebüsch
und Riedgras. In einiger Entfernung hört man den Fluß rauschen.
MORITZ: Besser ist besser. – Ich passe nicht hinein. Mögen sie einander auf die Köpfe steigen. –
Ich ziehe die Tür hinter mir zu und trete ins Freie. – Ich gebe nicht so viel darum, mich
herumdrücken zu lassen.
Ich habe mich nicht aufgedrängt. Was soll ich mich jetzt aufdrängen! – Ich habe keinen Vertrag mit
dem lieben Gott. Mag man die Sache drehen, wie man sie drehen will. Man hat mich gepreßt. –
Meine Eltern mache ich nicht verantwortlich. Immerhin mußten sie auf das Schlimmste gefaßt
sein. Sie waren alt genug, um zu wissen, was sie taten. Ich war ein Säugling, als ich zur Welt kam
– sonst wäre ich wohl auch noch so schlau gewesen, ein anderer zu werden. – Was soll ich dafür
büßen, daß alle andern schon da waren!
Ich müßte ja auf den Kopf gefallen sein… macht mir jemand einen tollen Hund zum Geschenk,
dann gebe ich ihm seinen tollen Hund zurück. Und will er seinen tollen Hund nicht zurücknehmen,
dann bin ich menschlich und… Ich müßte ja auf den Kopf gefallen sein!
Man wird ganz per Zufall geboren und sollte nicht nach reiflichster Überlegung – – – es ist zum
Totschießen! – Das Wetter zeigte sich wenigstens rücksichtsvoll. Den ganzen Tag sah es nach
Regen aus, und nun hat es sich doch gehalten. – Es herrscht eine seltene Ruhe in der Natur.
Nirgends etwas Grelles, Aufreizendes. Himmel und Erde sind wie durchsichtiges Spinnewebe.
Und dabei scheint sich alles so wohl zu fühlen. Die Landschaft ist lieblich wie eine
Schlummermelodie – »schlafe, mein Prinzchen, schlaf ein«, wie Fräulein Snandulia sang. Schade,
daß sie die Ellbogen ungraziös hält! – Am Cäcilienfest habe ich zum letzten Male getanzt.
Snandulia tanzt nur mit Partien. Ihre Seidenrobe war hinten und vorn ausgeschnitten. Hinten bis
auf den Taillengürtel und vorne bis zur Bewußtlosigkeit. – Ein Hemd kann sie nicht angehabt
haben… – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Das wäre etwas, was mich
noch fesseln könnte. – Mehr der Kuriosität halber. – Es muß ein sonderbares Empfinden sein – –
ein Gefühl, als würde man über Stromschnellen gerissen – – – Ich werde es niemandem sagen,
daß ich unverrichteter Sache wiederkehre. Ich werde so tun, als hätte ich alles das mitgemacht…
Es hat etwas Beschämendes, Mensch gewesen zu sein, ohne das Menschlichste kennengelernt
zu haben. – Sie kommen aus Ägypten, verehrter Herr, und haben die Pyramiden nicht gesehen?!
Ich will heute nicht wieder weinen. Ich will nicht wieder an mein Begräbnis denken – – Melchior
wird mir einen Kranz auf den Sarg legen. Pastor Kahlbauch wird meine Eltern trösten. Rektor
Sonnenstich wird Beispiele aus der Geschichte zitieren. – Einen Grabstein werd‘ ich
wahrscheinlich nicht bekommen. Ich hätte mir eine schneeweiße Marmorurne auf schwarzem
Syenitsockel gewünscht – ich werde sie ja gottlob nicht vermissen. Die Denkmäler sind für die
Lebenden, nicht für die Toten.
Ich brauchte wohl ein Jahr, um in Gedanken von allen Abschied zu nehmen. Ich will nicht wieder
weinen. Ich bin froh, ohne Bitterkeit zurückblicken zu dürfen. Wie manchen schönen Abend ich
mit Melchior verlebt habe! – unter den Uferweiden; beim Forsthaus; am Heerweg draußen, wo die
fünf Linden stehen; auf dem Schloßberg, zwischen den lauschigen Trümmern der Runenburg. – –
– Wenn die Stunde gekommen, will ich aus Leibeskräften an Schlagsahne denken. Schlagsahne
hält nicht auf. Sie stopft und hinterläßt dabei doch einen angenehmen Nachgeschmack… Auch
die Menschen hatte ich mir unendlich schlimmer gedacht. Ich habe keinen gefunden, der nicht
sein Bestes gewollt hätte. Ich habe manchen bemitleidet um meinetwillen.
Ich wandle zum Altar wie der Jüngling im alten Etrurien, dessen letztes Röcheln der Brüder
Wohlergehen für das kommende Jahr erkauft. – Ich durchkoste Zug für Zug die geheimnisvollen
Schauer der Loslösung. Ich schluchze vor Wehmut über mein Los. – Das Leben hat mir die kalte
Schulter gezeigt. Von drüben her sehe ich ernste freundliche Blicke winken: die kopflose Königin,
die kopflose Königin – Mitgefühl, mich mit weichen Armen erwartend… Eure Gebote gelten für
Unmündige; ich trage mein Freibillett in mir. Sinkt die Schale, dann flattert der Falter davon; das
Trugbild geniert nicht mehr. – Ihr solltet kein tolles Spiel mit dem Schwindel treiben! Der Nebel
zerrinnt; das Leben ist Geschmackssache.